Das österreichische Sozialsystem wird besser

Das österreichische Sozialsystem wird besser

Paktum und Finanzausgleich 2008 sind unter anderem Grundlage dafür, dass das Sozialsystem in Österreich verbessert werden kann. Im Folgenden eine Zusammenfassung aus Sicht der Arbeitsgruppen des Bereichs „Soziales“.

 

Im letzten Herbst wurde im Rahmen des Paktums zwischen den Finanzausgleichspartnern beschlossen, die Kosten für Länder und Gemeinden mit 16 Millionen Euro für die Pflege und 50 Millionen Euro für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung zu deckeln. Sobald die 50 Millionen Euro der Bedarfsorientierten Mindestsicherung innerhalb eines Kalenderjahrs überschritten werden, soll es zu neuen Verhandlungen zwischen den Finanzausgleichspartnern kommen, um die anfallenden Kosten neu aufzuteilen. Diese Deckelungen bedeuten jedoch keinesfalls, dass nur bis zu diesen Summen Leistungen an die Anspruchsberechtigten geleistet werden. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen ihren vollen Anspruch bekommen. Um diese Leistungen auf rechtlich gesicherten Grund zu stellen, arbeiten seit vielen Monaten Arbeitsgruppen, bestehend aus Vertretern des Bundes, der Länder sowie der Städte und Gemeinden, daran, 15a-BV-Vereinbarungen zu gestalten.

Bedarfsorientierte Mindest¬sicherung, die neue Sozialhilfe
Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS), so der Arbeitstitel der neuen Sozialhilfe, soll voraussichtlich 2009 in Kraft treten. Obwohl noch einige Fragen ungeklärt sind, liegt nun ein erster Entwurf für eine 15a-BV-Vereinbarung vor.
Ein wichtiger Schritt der Weiterentwicklung in der Sozialhilfe ist die Vereinfachung der Verfahren für die Bezieherinnen und Bezieher. So soll das Arbeitsmarktservice (AMS) alle Anträge von arbeitsfähigen und arbeitslosen Personen auf die BMS entgegennehmen, egal ob eine Versicherungsleistung nach ASVG vorliegt oder nicht. Eine der verwaltungstechnischen Herausforderungen bei der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung wird die Umsetzung des sogenannten One-Stop-Shops beim AMS sein. Im Moment werden das Arbeitslosengeld, die Notstandshilfe und die Pensionsvorschüsse, welche eine Versicherungsleistung aus dem ASVG darstellen, vom Bund ausbezahlt. Die Landessozialhilfen allerdings von den Ländern selbst, welche unabhängig von einem Versicherungsanspruch sind und als letztes, soziales Auffangnetz unserer Gesellschaft fungieren soll.
Prinzipiell werden durch die 15a-BV-Vereinbarung bundesweite Mindeststandards definiert, welche in allen 9 Bundesländern auch als diese umgesetzt werden müssen. Zu beachten ist hierbei, dass trotzdem die 9 Länder unterschiedliche Gesetze für ihre Sozialhilfebezieherinnen und Sozialhilfebezieher haben werden, da es jedem Land freigestellt ist, Besserstellungen für seine Bürgerinnen und Bürger zu erwirken. Eini¬ge Länder möchten den Sozialhilfebezieherinnen und Sozialhilfebeziehern Zusatzleistungen anbieten, wie zum Beispiel Wohnbeihilfe oder höhere Kindersätze. Für die österreichischen Städte und Gemeinden ist zu bedenken, dass sie zwischen 35% und 50%, abhängig vom Bundesland, bei der Sozialhilfe mitzahlen.
Im Sommer 2007 wurde eine Grundsatzvereinbarung über einen Mindestlohn von 1.000 Euro brutto zwischen WKÖ und ÖGB geschlossen, dieser soll schrittweise bis 1. Jänner 2009 eingeführt werden. Diese Maßnahme soll vor allem dem Problem der „Working-Poor“ entgegenwirken. Darunter versteht man Menschen, die trotz ihrer Vollzeit-Erwerbstätigkeit zu wenig verdienen, um ihre notwendigsten Bedürfnisse, wie Wohnen und Nahrung, zu befriedigen. Dieser Mindestlohn sollte in Zukunft die Anzahl der „Working-Poor“ verringern. Diese Personen bekommen heute eine sogenannte Richtsatzergänzung, welche aus der Sozialhilfe finanziert wird. Somit werden die Ausgaben der Sozialhilfe sinken, wenn Personen in Österreich nur mehr über der Armutsgrenze entlohnt werden dürfen.

Pflege
Die Pflegesituation in Österreich ist momentan nicht nur suboptimal, sondern sogar für Expertinnen und Experten teilweise schwierig zu durchschauen. Die Abschaffung des Kostenersatzes in Niederösterreich für Kinder und Ehegatten von Angehörigen in der stationären Pflege (geschlossene Sozialhilfe) mit Wirkung 1. Jän¬ner 2008 trifft auch die Städte und Gemeinden finanziell, tragen diese in Niederösterreich doch 50% durch die Sozialhilfe bei der Pflegefinanzierung mit. In Vorarlberg wurde ebenfalls der Entwurf für eine Änderung des Sozialhilfegesetzes zur Begutachtung ausgesandt. In der Steiermark ist die Abschaffung des Rückersatzes in der Sozialhilfe derzeit noch ein politischer Wunsch des Sozialreferenten. Aus den anderen Bundesländern liegen uns zum Zeitpunkt noch keine weiteren Informationen vor.
Allein im Bezirk St. Pölten wurden im Jahr 2006 insgesamt 168.334,83 Euro Kostenbeiträge von Angehörigen eingenommen. Diese Summe musste St. Pölten 2006 daher weniger für soziale Aufwendungen leisten, ab 2008 aber nunmehr gemäß einer neuen niederösterreichischen Regelungen mitfinanzieren!

Finanzierung der Pflege
Dem Österreichischen Städtebund ist die Klärung der Finanzierung der Pflege ein zentrales Anliegen. Bereits 2006 haben sich die Geschäftsleitung und der Hauptausschuss des Österreichischen Städtebundes für eine solidarische Pflegeversicherung ausgesprochen. Die Abgrenzung zwischen Gesundheit (ASVG) und Pflege (Sozialhilfe) gestaltet sich dabei schwierig. Die Vernetzung dieser beiden Bereiche ist sehr ausgeprägt, finanzielle Abgrenzungen sind daher wahrscheinlich neu zu definieren. Gerechtigkeit bei der Pflegegeldeinstufung und den Pflegeangeboten in allen Bundesländern wird ebenfalls zentrales Thema der neuen Vereinbarungen sein, welche jedoch nicht vor 2009 zu erwarten sind.
In den nächsten Jahren sollen Pflegeberufe vermehrt beworben und ihr Image aufgebessert werden. Inwieweit sich die Situation der Pflegerinnen und Pfleger sowie Betreuerinnen und Betreuer verbessert, bleibt allerdings abzuwarten.

Valorisierung Pflegegeld
Seit vielen Jahren wurde das Pflegegeld nicht an die steigenden Pflegekosten angeglichen. Die Erhöhung des Pflegegeldes und die Sicherstellung einer zukünftigen, regelmäßigen Valorisierung sind dringend notwendig, um die Pflegeversorgung in Österreich zu gewährleisten. Es gibt große Probleme bei der Definition, Einstufung und Diagnose von Demenz bei der ärztlichen Untersuchung im Rahmen der Pflegegeldeinstufung. Eine Demenzerkrankung kann den Betreuungs- oder Pflegeaufwand eines Menschen extrem ausweiten. Deswegen ist die Berücksichtigung dieses Krankheitsbildes bei der Pflegegeldeinstufung sehr wichtig. Eine wechselseitige Anerkennung der Pflegegeldeinstufungen zwischen den einzelnen Bundesländern und dem Bund wären ebenfalls wünschenswert.

Geld- und Sachleistungen
Der Pflegebedürftige soll natürlich auch zukünftig Pflegegeld als Unterstützung bekommen, von diesem er Sachleistung beziehen kann. Als wichtige Leistungen wären die Sekundärprävention und Rehabilitation von Pflegebedürftigen anzuführen, welche zwar wiederum schwierig vom Gesundheitsbereich abzugrenzen sind, aber die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern und somit auch die zukünftigen Pflegekosten senken.

24-Stunden-Betreuung
Im Zusammenhang mit dem FAG 2008 wurde eine 15a-BV-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung akkordiert. Hier wird es bei der Umsetzung 9 verschiedene Modelle in den Ländern geben. Auf die genaue Umsetzung sowie Finanzierung müssen wir noch gespannt warten. Bis 1. Februar 2008 lagen rund 2.500 Anmeldungen für selbstständige Betreuerinnen und Betreuer vor, die Zahl der Unselbstständigen liegt bei etwa 250. Die Selbstständigen werden mit maxmal 225 Euro und die Unselbstständigen mit maximal 800 Euro monatlich gefördert.

Weiterentwicklung des österreichischen Sozialsystems
Laufend kommen neue Ideen zur Verbesserung des sozialen Ausgleichs in den Medien zur Sprache. Einige davon werden dann nach politischem Wunsch auch in die Tat umgesetzt. Diese Umsetzung ist nicht immer leicht und zumeist mit großem finanziellem Aufwand verbunden. Niemand soll schlechter gestellt werden als zuvor, und Schlupflöcher, sowohl im sozialen Auffangnetz als auch für eventuellen Missbrauch, sollen von Anfang an vermieden werden. Ein Sozialsystem muss deshalb, um stabil, finanzierbar und vor allem sozial zu beleiben, ständig überdacht und überarbeitet werden. Um besser zu werden, sind innovative Ideen notwendig und große Veränderungen manchmal nicht zu verhindern. Trotz aller Veränderungen und finanziellen Bedenken darf aber das Wichtigste im Sozialsystem nicht vergessen werden: der Mensch.

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