Neue „Spielregeln“ für Städte und Gemeinden in der Verfassung

Neue „Spielregeln“ für Städte und Gemeinden in der Verfassung

Gemäß Regierungsprogramm für die XXIII. Regierungsperiode erfolgte am 9. Februar 2007 die Konstituierung der Arbeitsgruppe zur Staats- und Verwaltungsreform. Der Österreichische Städtebund hat sich als kommunale Interessensvertretung schon seit jeher für eine maßvolle Weiterentwicklung des Gemeindeverfassungsrechts ausgesprochen und hierfür seine volle Unterstützung zugesichert.   Auf Einladung des Bundeskanzleramtes konnte der Österreichische Städtebund im Vorfeld einer geplanten Reform der kommunalen Selbstverwaltung seine Ideen und Vorschläge zu diesem Thema einbringen.

 

I. Einleitung

Im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode wurde vereinbart, dass auf der Grundlage der Arbeiten des Österreich-Konvents eine Verfassungsreform vorbereitet und durchgeführt werden soll. Die Vorbereitung dieser Reform erfolgt durch eine großkoalitionäre Expertengruppe, die beim Bundeskanzleramt eingerichtet wurde. Die Mitglieder von Seiten der SPÖ sind: Dr. Peter Kostelka, Univ. Prof Dr. Theodor Öhlinger und Landeshauptfrau Mag. Gabriele Burgstaller sowie von Seiten der ÖVP Dr. Franz Fiedler, Dr. Andreas Kohl und Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber, wobei sich die Landeshauptleute grundsätzlich von Univ. Prof. Dr. Wiederin und Bundesrat Jürgen Weiss vertreten lassen. Der Vorsitz dieser Expertengruppe wird von Univ. Prof. Georg Lienbacher vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes geführt.
Eine Aufnahme des Städtebundes und des Gemeindebundes in diese Expertengruppe ist nicht erfolgt. Es wurde jedoch zugesichert, dass der Österreichische Städtebund die Möglichkeit erhalten wird, sich zu Fragen von kommunalem Interesse zu äußeren.
Parallel zu dieser Expertenrunde wurde im Finanzministerium eine Arbeitsgruppe der Finanzausgleichspartner eingerichtet. Diese Arbeitsgruppe soll einen Textvorschlag zur Neufassung der Finanzverfassung erarbeiten. Weiters hat diese Arbeitsgruppe die von der Expertengruppe des Bundeskanzleramtes vorgelegten Entwürfe auf ihre finanziellen Auswirkungen zu begutachten.
Zur 20. Sitzung der Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform, die am 19. Oktober 2007 im Bundeskanzleramt abgehalten wurde, wurden die kommunalen Interessensvertretungen zu einem Meinungsaustausch betreffend Fragen der territorialen Selbstverwaltung eingeladen. Seitens des Österreichischen Städtebundes haben der Grazer Magistratsdirektor Mag. Martin Haidvogl sowie Dr. Johannes Schmid vom Sekretariat des Österreichischen Städtebundes an der Erörterung teilgenommen.
Grundlage für die Besprechung waren insbesondere die vorläufigen Ergebnisse des Österreichkonvents, das neunte Hauptstück des Verfassungsentwurfs von Rechnungshofpräsidenten aD Dr. Franz Fiedler, das Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode, der Entwurf der Expertenkommission für eine B-VG-Novelle vom 23.7.2007 sowie die dazu ergangenen Stellungnahmen der kommunalen Interessensvertretungen. Seitens der Österreichischen Gemeindebundes nahmen Präsident Bürgermeister Helmut Mödlhammer und Generalsekretär Dr. Robert Hink an dem Meinungsaustausch teil.
In der mehrstündigen Diskussion mit der Expertenkommission konnten im Wesentlichen folgende Überlegungen eingebracht werden:

II. Positionierung des Österreichischen Städtebundes:

Vorweg wurde klargestellt, dass sich der ÖStB grundsätzlich zu einer maßvollen Weiterentwicklung der Gemeindeverfassung bekennt. Dabei stehen folgende Zielsetzungen im Vordergrund:
• Stärkung der Gemeindeautonomie, zB durch Ausbau des ortspolizeilichen Verordnungsrechts,
• Ausbau der Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit und
• Abbau von überbordender Aufsicht.

Die Reformvorschläge des Österreichischen Städtebunde im Einzelnen:

1. Städte mit eigenem Statut (Art. 116 Abs. 3 B-VG)
Das geltende Regierungsprogramm sieht vor, dass ein Stadtstatut nur an Gemeinden über 20.000 Einwohner verliehen werden soll, wenn laut Landtagsbeschluss Landesinteressen nicht verletzt werden sowie wenn die betroffene Bevölkerung dafür stimmt.
Der beabsichtigte Entfall des Zustimmungserfordernisses der Bundesregierung zur Verleihung eines Stadtstatuts wird seitens des ÖStB ausdrücklich begrüßt. Da ein Stadtstatut ohnehin nur durch Landesgesetz erlassen werden kann, sollte darüber hinaus auch die Wendung in Art 116 Abs 3 B-VG „wenn Landesinteressen hiedurch nicht gefährdet werden“ entfallen.
Weiters sollte die Möglichkeit der Einräumung eines Statuts auch für Gemeinden ab 10.000 Einwohnern gegeben sein. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass in Österreich bereits 72 Städte über 10.000 Einwohner existieren und für eine künftige Weiterentwicklung bestehender Strukturen keine zu engen verfassungsrechtlichen Schranken gezogen werden sollten.
Die Einräumung eines Stadtstatuts nur unter der Voraussetzung einer Volksabstimmung wurde als zu einschränkend abgelehnt.

2. Bestandsgarantie für Gemeinden
Gemäß dem geltenden Regierungsprogramm soll über die gegebene, „institutionelle“ Bestandsgarantie für Gemeinden hinaus, eine Änderung in der Gemeindestruktur nur möglich sein, wenn die betroffene Bevölkerung zustimmt. Die Notwendigkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung eines solchen Zustimmungserfordernisses wird angesichts bestehender landesgesetzlicher Kompetenzen seitens des Österreichischen Städtebundes in Zweifel gezogen. Dies umso mehr als nach dem Entwurf der Expertenkommission selbst Gebietsänderungen der Länder künftig keiner verfassungsgesetzlichen Grundlage mehr bedürfen.

3. Interkommunale Zusammenarbeit und Instrumente der flexiblen Aufgabenwahrnehmung
Der Österreichische Städtebund begrüßt eine Vielfalt von Instrumenten der interkommunalen Zusammenarbeit, um Gemeindezusammenlegungen möglichst nicht notwendig zu machen. Gemeindeverbände und -kooperationen sind ein geeignetes Instrument zur effizienten Aufgabenerfüllung . Gemeindeverbände sollten daher für alle Angelegenheiten, die die Gemeinden zu besorgen haben, auch über Bezirks- und Ländergrenzen hinweg und auch für ein Bündel an Aufgaben gegründet werden können.
Darüber hinaus wurde – insbesondere unter dem Aspekt der mehrfach geforderten „flexiblen Einheitsgemeinde“ - der Vorschlag der Expertengruppe auf Einräumung eines (weitgehend unbeschränkten) Verfassungsrechts der Kommunen zum Abschluss von Art 15a-Vereinbarungen befürwortet. Damit sollen rechtlich abgesicherte Kooperationen zwischen allen Gebietskörperschaften im hoheitlichen und nichthoheitlichen Bereich ermöglicht werden.

a. Gemeindeverbände (Art. 116a B-VG)
Derzeit ist die Einrichtung von Gemeindeverbänden auf die „Besorgung einzelner Aufgaben des eigenen oder übertragenen WB“ beschränkt. Dies wird seitens der kommunalen Verantwortlichen schon seit jeher als zu eng betrachtet. Daher wurde ein neuer Textentwurf eingebracht, wonach “Angelegenheiten gleichartiger Aufgabengebiete“ , allenfalls „einzelne Aufgaben oder Angelegenheiten des eigenen oder übertragenen WB“ seitens der Gemeindeverbände besorgt werden können. Diese sollten jedenfalls auch über Bezirks- und Landesgrenzen hinweg eingerichtet werden können. Auch sollte eine zwingende Anhörung von Städte- und Gemeindebund vor Bildung von Gemeindeverbänden durch Gesetz stattfinden.
Die Tatsache, dass in der Verbandsversammlung nicht alle in den beteiligten Gemeinden vertretenen Parteien repräsentiert sind wurde oftmals als demokratiepolitischesDefizit kritisiert. In der Diskussion wurde dennoch mit dem Österreichischen Gemeindebund festgehalten, dass diesbezügliche Ausführungsregelungen dem Landesgesetzgeber vorbehalten bleiben sollten.

c. Verwaltungsgemeinschaften
Verwaltungsgemeinschaften sind schon bisher in diversen Gemeindeordnungen (außer in Tirol) vorgesehen, z.B. für die Führung gemeinsamer Gemeindeämter. Diese haben - sofern sie nicht als Verein ausgebildet sind - keine eigene Rechtspersönlichkeit (). Die Aufgabenbesorgung erfolgt hierbei jeweils für die Mitgliedsgemeinden. Verfassungsrechtlich sind Verwaltungsgemeinschaften bislang nicht verankert. Im Interesse der Rechtssicherheit tritt der Österreichische Städtebund daher für eine Verankerung von Verwaltungsgemeinschaften im B-VG ein, wobei insbesondere auch die Einrichtung über Landesgrenzen hinweg ermöglicht werden soll.

d. Abschluss von Art. 15a-Vereinbarungen
Wie schon erwähnt, wird seitens der Expertenkommission überdies erwogen, dem Vorschlag des Österreichischen Städtebundes nachzukommen, eine Ermächtigung der Gemeinden zum Abschluss von „verwaltungsrechtlichen Verträgen “ bzw. Vereinbarungen gemäß Art. 15a B-VG vorzusehen, und zwar sowohl zwischen Gebietskörperschaften gleicher als auch zwischen solchen unterschiedlicher Ebenen. Dies insbesondere auch in Fragen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeiten in Vollziehung der Gesetze.Auf die konkrete Ausgestaltung dieses Instrumentariums darf man gespannt sein. Es könnte jedenfalls einen bislang nicht dagewesenen Spielraum für Gemeinden, schaffen, durch rechtlich abgesicherte Kooperationen zwischen allen Gebietskörperschaften im Interesse der Verwaltungseffizienz örtliche und sachliche Zuständigkeitsgrenzen zu überwinden.

4. Örtliche Baupolizei (Art. 118 Abs 3 Z 9)
Eine eventuelle Zuständigkeit der örtlichen Baupolizei auch für bundeseigene Gebäude – wie von der Expertenkommission angedacht - wurde befürwortet. Angesichts der bereits erfolgten Ausgliederung ist die praktische Relevanz einer solchen Änderung ohnehin gering.

5. Daseinsvorsorge
Der Österreichische Städtebund forderte bereits mehrfach, dass die Daseinsvorsorge als Staatszielbestimmung und Aufgabe des Gesamtstaates in der Verfassung verankert werden soll. Der Vorschlag, diese in Art. 118 Abs 3 B-VG als Aufgabe des eigenen Wirkungsbereichs zu verankern, wurde abgelehnt. Einerseits erfolgt in Art. 118 Abs 3 derzeit nur eine Aufzählung „behördlicher Aufgaben“, andererseits wäre auch eine Zuordnung der Daseinsvorsorge nur zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde klar zu kurz gegriffen.

6. Ortspolizeiliche Verordnungen (Art. 118 Abs 6 B-VG)
Der exakte Anwendungsbereich von ortspolizeilichen Verordnungen ist umstritten und wird gerade in jüngster Zeit von Aufsichtsbehörden wieder sehr einschränkend interpretiert. Seitens des ÖStB wurde daher eine Ausdehnung der Regelungskompetenz über den engen Missstandsbegriff hinaus dringendst eingefordert.
Überdies sollten folgende (allenfalls: landesgesetzlichen) Ermächtigungen vorgesehen werden :
1. Möglichkeit der Festlegung der Strafhöhe innerhalb eines festgelegten Strafrahmens im Einzelfall;
2. Möglichkeit der Anordnung von Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt und der Normierung von Bewilligungspflichten
3. Möglichkeit der Ermächtigung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der öffentlichen Aufsicht zur Mitwirkung an der Vollziehung
Angesichts der offenkundigen Schwierigkeiten einer eindeutigen legistischen Umsetzung der Forderungen des Österreichschen Städtebundes wurde in der weiteren Diskussion auch die Idee formuliert, die Gemeinde künftig generell zu gesetzesergänzenden Verordnungen im eigenen Wirkungsbereich zu ermächtigen. Dies würde eine radikale Ausweitung des ortspolizeilichen Verordnungsrechts zur Folge haben, die mit dem neuen Gestaltungsspielraum auch neue Verantwortung für die Gemeinde bringt, im Interesse der Stärkung des Selbstverwaltungsrechts aber klar befürwortet wurde.

7. Übertragung der Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches auf staatliche Behörden (Art. 118 Abs. 7 B-VG)
Da Städte mit eigenem Statut allenfalls auch in der Lage sind, Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches für Umlandgemeinden zu erledigen, sollte eine solche Übertragungsmöglichkeit (die auch eine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit bedingen würde) ausdrücklich vorgesehen werden. Der Übertragung müsste der Gemeinderat der Stadt zustimmen. Eine Übertragungsverordnung sollte jedenfalls auch dann aufgehoben werden, wenn die Gemeinde dies beantragt.
Diese Forderung des Österreichischen Städtebundes ist selbstverständlich nicht losgelöst von den Überlegungen zur Art. 15a-Vereinbarung zu sehen und ist daher von der Neugestaltung dieses Instrumentariums abhängig.

8. Übertragener Wirkungsbereich (Art. 119 B-VG)
Im Sinne einer effizienten Vollziehung sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass in Statutarstädten, die auch Sitz einer weiteren Bezirksverwaltungsbehörde sind, einzelne Aufgaben der Bezirksverwaltung nicht von beiden Behörden, sondern nur von einer von diesen angeboten werden. Auch hier gilt das oben (unter 7.) zur Art. 15a-Vereinbarung Gesagte.

9. Maßnahmen der kommunalen Aufsicht (Art. 119 a B-VG)

a. Gebarungsprüfung durch Land / Landeskontrolleinrichtungen
Um Doppel- bis sogar Vierfach-Prüfungen (Aufsichtsbehörde der Länder, Rechnungshof, Rechnungshöfe der Länder, kommunale Kontrollinstanzen) zu vermeiden, sollte die Gebarungsprüfung durch das Land für jene Gemeinden entfallen, die der RH-Kontrolle nach 127a B-VG unterliegen oder durch Landesgesetz eingerichtete unabhängige Kontrolleinrichtungen haben.
Der Grundsatz, dass Mehrfachkontrollen zu vermeiden sind, gilt auch für Landeskontrolleinrichtungen, denen nach dem Entwurf der Expertenkommission vom 23.7.2007 auch die Überprüfung der Gebarung der Gemeinden übertragen werden kann. Dabei ist – bei Gemeinden, die nicht der RH-Kontrolle unterliegen - der Gebarungskontrolle durch die Aufsichtsbehörde der Vorzug zu geben, nicht zuletzt da diese die Aufgabenstellungen der Gemeinden aufgrund ihrer Beratungsfunktion wesentlich besser kennt, als eine unabhängige Kontrolleinrichtung.
Auf jeden Fall sollten Gebarungskontrollen auch mit den Kontrolleinrichtungen der Gemeinden abgestimmt werden.

b. Vorstellung an die Aufsichtsbehörde
Einem Entfall des Aufsichtsmittels der „Vorstellung“, wie von der Expertenkommission vorgeschlagen, wurde zugestimmt. Dies könnte auch dann stattfinden, wenn Landesverwaltungsgerichte nicht eingeführt werden. Jedenfalls sollte die Vorstellung für Statutarstädte entfallen.

c. Mitteilung von Verordnungen im eigenen Wirkungsbereich; Aufhebung von Verordnungen durch die Aufsichtsbehörde
Im Interesse der Stärkung der Gemeindeautonomie sollten diese Aufsichtsmittel zur Gänze entfallen. Im Besonderen führt die uneingeschränkte Mitteilungspflicht von Verordnungen in der Praxis – zB angesichts der Vielzahl von StVO-Verordnungen - derzeit zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand für die Kommunen, welcher nicht als gerechtfertigt zu betrachten ist (allenfalls könnte eine Mitteilungspflicht auf Verordnungen des Gemeinderats eingeschränkt werden).

d. Auflösung des Gemeinderates, Ersatzvornahme - Schonungsprinzip
Auch das Aufsichtsmittel der Auflösung des Gemeinderates sollte – wie schon im geltenden Regierungsprogramm vorgesehen – entfallen. Das in Art. 119a Abs 7 B-VG ebenfalls normierte Schonungsprinzip für alle Aufsichtsmittel sollte selbstverständlich beibehalten werden.

e. Bescheidbeschwerde gegen Aufsichtsbehörde
Künftig soll nach dem Entwurf der Expertenkommission gegen Bescheide der Aufsichtsbehörde nur mehr der Weg zum (Landes-) Verwaltungsgericht zulässig sein. Abgesehen von der Problematik der Verwaltungsgerichte ist das Beschwerderecht an den VfGH essentiell, um unmittelbar die Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts durch Bescheide der Aufsichtsbehörde geltend zu machen. Dies gilt beispielsweise bei Versagung der Genehmigung der Einrichtung eines Gemeindeverbandes (s. Neuhofer, Gemeinderecht, 2. Aufl., S 564), bei Aufhebung eines Bescheides nach § 68 Abs 3 und 4 AVG oder bei Bestellung eines Regierungskommissärs.

10. Art 120 B-VG (Gebietsgemeinden) soll bestehen bleiben
Das Regierungsprogramm 2007-2010 sieht eine Aufhebung des Art. 120 B-VG vor. Die Forderung des Österreichischen Städtebundes, diese Bestimmung im Hinblick auf eine allfällige, leichtere Gebietsreform beizubehalten, bleibt aufrecht.

11. Landesverwaltungsgerichte
Der für die Praxis der Rechtsanwendung wohl bedeutendste Reformvorschlag im Entwurf der Expertenkommission vom 23.7.2007 betrifft die Einrichtung von Verwaltungsgerichten der Länder. Dies gilt im Besonderen für den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden, da nach dem vorliegenden Entwurf auch der zweigliedrige Instanzenzug innerhalb der Gemeinde grundsätzlich (der Materiengesetzgeber kann Ausnahmen vorsehen) entfallen soll und der Grundsatz des Ausschlusses des administrativen Instanzenzuges an Organe außerhalb der Gemeinde de facto (de lege wäre es ja eine an ein Gericht gerichtete Beschwerde) aufgehoben wird. Damit wird aber ein zentraler Punkt der kommunalen Selbstverwaltung in Frage gestellt, der bereits ein Kernthema der Gemeindeverfassungsnovelle 1962 war. Nicht zuletzt unter diesem Aspekt wird die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten – speziell für den Bereich des eigenen Wirkungsbereiches – seitens des ÖStB grundsätzlich kritisiert. Gleichsam „in eventu“ wird für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs eine Umkehr des vorgesehenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses insofern vorgeschlagen, dass der administrative Instanzenzug innerhalb der Gemeinde grundsätzlich aufrecht bleibt, der Materiengesetzgeber davon aber auch Ausnahmen vorsehen kann.
Jedenfalls sollte in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs die Möglichkeit einer Amtsbeschwerde durch die Gemeinde gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes verfassungsrechtlich vorgesehen werden.

III. Zusammenfassung

Die derzeit im Bundeskanzleramt diskutierten Reformvorschläge bieten für Gemeinden durchaus die Chance, künftig mit einem besseren Instrumentarium ausgestattet zu sein, um die kommunalen Aufgaben in der von den Bürgerinnen und Bürgern eingeforderten hohen Qualität zu erfüllen. Dies gilt insbesondere, wenn die Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Verwaltungsträgern ausgebaut und überbordende Aufsicht abgebaut wird. Auch eine Novellierung des ortspolizeilichen Verordnungsrechts könnte für die Gemeinden einen zusätzlichen Gestaltungsspielraum bringen.
Zugleich darf aber nicht übersehen werden, dass genau gegenteilige Entwicklungen mit der Einrichtung von Verwaltungsgerichten der Länder und Landeskontrolleinrichtungen verbunden sein können. Um eine Aushöhlung des Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinden durch diese Bestrebungen zu verhindern, wird es daher weiterhin einer starken Stimme des Österreichischen Städtebundes im Prozess der österreichischen Staats- und Verwaltungsreform bedürfen.

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