Dem sozialen Zusammenhalt verpflichtet

Dem sozialen Zusammenhalt verpflichtet

Bürgermeister Dr. Michael Häupl Präsident des Österreichischen Städtebundes

 

Österreichs Städte sind dem sozialen Zusammenhalt verpflichtet. Jeden Tag. Davon kann man sich in den Städten ein Bild machen. So erbringen Städte und Gemeinden im Pflegebereich umfangreiche Leistungen, ob sachlich, personell oder koordinierend. Wegen der steigenden Lebenserwartung wird sich innerhalb der Europäischen Union der Anteil der Menschen über 80 Jahre bis 2050 verdrei- bis vervierfachen und 12% der Bevölkerung ausmachen. Immer mehr Menschen müssen dann von Angehörigen oder Fachkräften gepflegt werden.
Einer Eurobarometer-Umfrage zufolge glaubt jedoch knapp die Hälfte der Befragten, dass in den Mitgliedsländern der Europäischen Union ältere Menschen, wenn sie Pflege bedürfen, schlecht behandelt oder gar misshandelt werden. Ein alarmierendes Ergebnis, zumal es sich um das subjektive Empfinden von knapp der Hälfte der befragten EU-Bürgerinnen und -Bürger handelt. Der soziale Zusammenhalt ist in Frage gestellt, wenn die Hälfte der Bevölkerung meint, im hohen Alter von den Mitmenschen schlecht behandelt zu werden.

Armut wird zunehmend städtisch
Dass Armut zunehmend städtisch wird, ist eine weltweite Entwicklung. Das hat nicht zuletzt mit der demografischen Entwicklung zu tun, erstmals in der Geschichte der Menschheit leben mehr Menschen in Städten als im ländlichen Raum.
Zum Thema Armut hat die Caritas ernüchternde Zahlen präsentiert. 13% der Bevölkerung, rund eine Million Menschen, gelten laut Caritas armutsgefährdet – in Österreich, wohlgemerkt. Laut Statistik sind in unserem Land 450.000 Österreicherinnen und Österreicher „manifest arm“ – haben also pro Kopf weniger als 893 Euro im Monat zur Verfügung. Arme Menschen leben wesentlich öfter allein und haben nur wenige soziale Kontakte. Mehr als eine halbe Million Österreicherinnen und Österreicher haben weniger als einmal in der Woche Kontakt zu Verwandten oder Freunden. Auch hier geht es wieder um den sozialen Zusammenhalt in unseren Städten, den Gemeinden und in unserem Land. Die Bekämpfung der Armut ist ein Thema, das auf der politischen Themenliste ganz oben stehen muss. Nicht nur in unserem Land. Das europäische Gesellschaftsmodell orientiert sich schließlich nicht nur an Wachstum und Beschäftigung, sondern auch an sozialer Gerechtigkeit.

Lösungen von Kommunen erwartet
Die Städte und Gemeinden sind die erste Gebietskörperschaft im Land. Von dieser Ebene erwarten sich die Bürgerinnen und Bürger konkrete Antworten auf alle Fragen der Daseinsvorsorge, also auch betreffend Pflege im Alter und Armut. Es steht daher außer Frage, dass Österreichs Städte und Gemeinden dafür die notwendigen finanziellen Mittel benötigen. Die Abgaben- und Steuerautonomie der Städte und Gemeinden in unserem Land ist extrem unterentwickelt. Schließlich werden mehr als 90% der gesamtstaatlichen Steuereinnahmen in Form von gemeinschaftlichen Bundesabgaben erhoben, die dann auf der Grundlage von Verteilungsschlüsseln auf Bund, Länder, Städte und Gemeinden verteilt werden.
Wie bereits erwähnt, die finanziellen Mittel für die Städte und Gemeinden müssen vorhanden sein. Es muss aber auch außer Frage stehen, dass ein Land nur dann prosperieren kann, wenn das Ziel der sozialen Gerechtigkeit konsequent von der Politik verfolgt wird. Dazu gehören auch Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der ökonomischen Situation der einzelnen Bürgerin und des einzelnen Bürgers abzielen. Interessant, wenn auch nicht neu, ist eine Feststellung der Europäischen Kommission in diesem Zusammenhang, wonach die Mitgliedsstaaten mit dem geringsten Anteil an armutsgefährdeten Menschen normalerweise auch die gleichmäßigste Einkommensverteilung aufweisen.
Österreichs Städte benötigen als Wirtschaftsmotoren des Landes beides: Eine aufgabenorientierte Gemeindefinanzierung und Städterinnen und Städter, die vom Wohlstand des Staates gleichermaßen profitieren können.

OEGZ

ÖGZ Download