Eine österreichische Geodateninfrastruktur? „INSPIRE“ und die möglichen Folgen*

Eine österreichische Geodateninfrastruktur? „INSPIRE“ und die möglichen Folgen*

Die europäische Rahmenrichtlinie INSPIRE (2007/2/EG; Infrastructure for Spatial Information in the European Community) wurde mit 15. Mai 2007 rechtskräftig und ist von den Mitgliedstaaten bis 15. Mai 2009 national umzusetzen.

 

Ziel dieser Richtlinie („RL“) ist gemäß Artikel 1 Absatz 1: „allgemeine Bestimmungen für die Schaffung der Geodateninfrastruktur in der Eu¬ropäischen Gemeinschaft (nachstehend ,INSPIRE‘ abgekürzt) für die Zwecke der gemeinschaftlichen Umweltpolitik sowie anderer politischer Maßnahmen oder sonstiger Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können, zu erlassen.“
Und dabei ist nach Absatz 2 zu beachten: „INSPIRE stützt sich auf die von den Mitgliedstaaten eingerichteten und verwalteten Geodateninfrastrukturen.“
INSPIRE definiert die „Geodateninfrastruktur“ wie folgt: „Metadaten, Geodatensätze und Geodatendienste, Netzdienste und -technologien, Vereinbarungen über gemeinsame Nutzung, Zugang und Verwendung sowie Koordinierungs- und Überwachungsmechanismen, -prozesse und
-verfahren, die im Einklang mit dieser Richtlinie geschaffen, angewandt oder zur Verfügung gestellt werden“ (Artikel 3 (1)).
Betrachten wir die Forderung des Artikels 1 (2) bezüglich der Verwendung nationaler Geodateninfrastrukturen (abgekürzt GDIs), dann können wir feststellen, dass in Österreich natürlich „Metadaten, Geodatensätze und Geodatendienste, Netzdienste und -technologien, Vereinbarungen“ existieren – und zwar Daten zum Teil in hervorragender Qualität, doch bei unterschiedlichsten Stellen und leider nicht für das Staatsgebiet abgestimmt und koordiniert.
Ein Ansatz zu dieser Koordinierung war die Initiative zur „Österreichischen Geodatenpolitik“, welche zum Ziel hatte, nach der Einigung der öffentlichen Geodatenhalter und -nutzer über die Vereinheitlichung in Zuständigkeiten, Qualitäten etc. diese Daten einer umfassenden gemeinsamen Nutzung und einer solchen durch die Wirtschaft zuzuführen.
Diese Initiative ist dann ruhend gestellt worden, sodass heute das schmerzende Fehlen vereinheitlichter Vorgehensweisen, aber auch einer gemeinsamen politischen Strategie bezüglich Datenhaltung, Kosten, Preise und Nutzungsbedingungen zu beklagen ist.
Etwas spät wurde dem Lebensministerium die Koordinierungsaufgabe für die österreichische Umsetzung von INSPIRE überantwortet. Dort wurde eine zielgerichtete Struktur eingerichtet, unter Einbeziehung der anderen Ministerien und der Länder, Städte und Gemeinden. Österreich wird es nun wohl – mit einigem Aufwand und dem Mitspielen aller gesetzgebenden Stellen – gelingen, ein Bundesgesetz und 9 Landesgesetze (so dies der Rahmen der Umsetzung sein soll) fristgemäß kundzumachen. Doch damit ist es bei weitem noch nicht getan.
Andere europäische Nationen haben vollberuflich mit INSPIRE beschäftigte Experten abgestellt. In Österreich bleibt die Umsetzung das „Hobby“ einiger im Umfeld von Geodaten Beschäftigter – neben ihren eigentlichen Aufgaben.

Wer ist betroffen?
In erster Linie richtet sich INSPIRE an die öffentlichen Stellen – „Behörden“ wie es im RL-Text heißt, doch mit einer etwas anderen Definition als im österreichischen Rechtsgebrauch. INSPIRE sieht keinen Zwang zur Erhebung von Geodaten vor, doch die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, ihre bereits gesammelten und eventuell zukünftig erhobenen Geodaten nach den Vorgaben von INSPIRE zu gestalten und vorzuhalten. Vor allem aber sind allen anderen öffentlichen Stellen (insbesondere jenen des eigenen Staates) und vor allem den Europäischen Institutionen Informationen über und der Zugang zu den Geodaten zu geben. Manche der Informationen (vor allem die Metadaten) sollen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Nach Meinung des Autors regelt INSPIRE nicht die Nutzung der Daten durch die Wirtschaft – diese wird in der PSI-RL (2003/98/EG, Public Sector Information) behandelt. Kritisch zu sehen ist jedenfalls, dass durch die Nichtverpflichtung zur Sammlung von Geodaten die EU die Vereinheitlichung der Datenbasis nicht erreichen wird, obwohl gerade dies ein Ziel von INSPIRE wäre. Dafür aber könnten durch das Fehlen der Definition eines „European Level of Detail“ die „kleineren“ Organisationseinheiten wie Städte und Gemeinden finanziell überproportional belastet werden. Hier gilt es darauf zu achten, dass in der Interpretation der EU-Anforderungen eine faire Lösung gefunden wird, da Städte und Gemeinden den geringsten unmittelbaren Nutzen aus INSPIRE ziehen dürften, wiewohl ihnen Umwelt und Sicherheit natürlich am Herzen liegen.
Um diese faire Lösung zu erreichen, müssen die Städte und Gemeinden in allen Gremien und auf allen Ebenen immer wieder auf diese Problematik hinweisen und auf die Notwendigkeit einer finanziellen Unterstützung dringen.

Durchführungsbestimmungen
INSPIRE ist eine Rahmenrichtlinie und wird mit Durchführungsbestimmungen, die die Umsetzung detailliert vorgeben sollen, begleitet. Diese Durchführungsbestimmungen werden zwischen 2008 und 2012 erlassen und müssen zwischen 2010 und 2019 umgesetzt sein.
Ursprünglich hat die Meinung vorgeherrscht, diese Durchführungsbestimmungen („DFB“) würden in Form von EU-Verordnungen erlassen, doch vor kurzem wurde kolportiert, dass die DFB auch als Richtlinie beschlossen werden könnten, die Auswirkungen einer solchen formalen Änderung werden erst abzuschätzen sein. Für die nationale Umsetzung haben jedenfalls die DFB bedeutende Auswirkungen.

Worauf ist zu achten?
Unabhängig von der Verpflichtung zur nationalen Umsetzung der Richtlinie (bis 15. Mai 2009) müssen die betroffenen öffentlichen Stellen auch die Datenerfassung und -führung anpassen, auf denen die Umsetzung der RL aufbaut. Leider werden die Vorstellungen der EU zum Zeitpunkt der rechtlichen Umsetzung der RL größtenteils noch nicht existieren. Sie werden in DFB gegossen und gestaffelt nach den in den Anhängen der RL angeführten Datenthemen zwischen 2008 und 2012 vorliegen, wobei nachfolgende DFB vorangehende in ihren Auswirkungen verändern könnten. Die Folgen solcher Einflüsse für die datenführenden Stellen sind nachvollziehbar. Wenn nachfolgende Durchführungsbestimmungen in einzelnen Punkten die vorangegangenen „overrulen“ könnten, muss damit gerechnet werden, dass dann die Anwendungen der Datenhalter neuerlich verändert werden müssen. Und das wird sich wiederum kostspielig auf die eingesetzte Software, die Daten, die Arbeitsabläufe etc. auswirken!
Zudem ist eine finanzielle Benachteiligung jener Stellen anzumerken, die bereits Daten besitzen, sie bearbeiten und fortführen. Für sie könnte es notwendig sein, bis in die Arbeitsabläufe einzugreifen, die Datenhaltung umzuorganisieren und damit auch andere Anwendungen dieser Stellen, die in völlig anderen Bereichen als Umwelt oder INSPIRE angesiedelt sind, zu verändern. Für diese kostspieligen Eingriffe bedarf es einer gezielten Unterstützung dieser Stellen. In Gesprächen mit Vertretern der Europäischen Kommission während der Phase der Entstehung von INSPIRE haben sich diese den angeführten Argumenten verschlossen gezeigt. Nun wird es am Bund liegen, Ländern, Städten und Gemeinden Hilfestellung zu geben bzw. in der Umsetzung auf diese Umstände Rücksicht zu nehmen. Leider lassen sich kaum Kostenabschätzungen zur Umsetzung vornehmen, da die Vorgaben für eine derartige Abschätzung zu ungenau sind.
Erste Papiere der „Drafting Teams“, die die Grundlagen für die Festlegung der Durchführungsbestimmungen durch die EU ausarbeiten, zeigen, wie detailliert man sich in der EU zur Zeit mit diesen Fragestellungen beschäftigt und wie umfangreich die Anforderungen ausfallen könnten. Zu dieser Thematik öffentlich zugängliche Informationen finden sich unter inspire.jrc.it/whatsnew.cfm im Internet. Dort wurden für jene Dienste, die alle Mitgliedstaaten anzubieten haben und die allen öffentlichen Stellen Zugriff auf alle relevanten Daten geben sollen, mögliche Vorgaben zur Verfügbarkeit der Dienste, Antwortverhalten etc. veröffentlicht. Diese können derzeit in Österreich von den öffentlichen Stellen nicht erfüllt werden. Man darf gespannt sein, ob diese Anforderungen wieder der gelebten Realität angepasst werden bzw. detaillierte Erklärungen die Lage entschärfen. Es wird ja auch die kleinste Gemeinde von Anforderungen dieser Natur betroffen sein und müsste sich dann zumindest einen Partner suchen, der (gegen Entgelt) diese Aufgaben wahrnimmt, sofern die Gemeinde die Aufgaben nicht selbst erfüllen kann (zur Struktur der Dienste siehe Abb. 2).
Daher sind – bei allem Wohlwollen für das gemeinsame Ziel von INSPIRE – alle österreichischen Stellen aufgerufen, die Umsetzung schrittweise, mit Augenmaß und unter möglichst geringer Ressourcenbelastung durchzuführen und sich professioneller Hilfe zu bedienen, wenn diese fundiert angeboten und benötigt wird. Nach dieser Erstumsetzung könnten dann (unter Beachtung der sich laufend verändernden Vorgaben) über das verpflichtende Ausmaß hinaus gewünschte komfortable Lösungen realisiert werden.
Die Personen, die den Österreichischen Städtebund bzw. den Österreichischen Gemeindebund in den Gremien der nationalen Umsetzung vertreten, weisen laufend auf die oben angeführten Themen hin, die einer österreichweiten Lösung bedürfen. Ohne diese wird INSPIRE in der Praxis nicht mit Leben und Nutzen für die lokale Ebene zu füllen sein.
Es muss das Verständnis der politischen Entscheidungsträger für diese Situation geweckt werden und ihr Wille, „Geld in die Hand zu nehmen“, um die lokale Ebene in der Umsetzung zu unterstützen. Alle Gemeinden und Städte sind daher aufgerufen, für dieses Verständnis zu werben und ihre Ansprechpartner in der Politik auf diese Themen aufmerksam zu machen.

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