Politische Bildung in der interkommunalen Lehrlingsausbildung Kärntens

Politische Bildung in der interkommunalen Lehrlingsausbildung Kärntens

In den Medien ist häufig vom mangelnden Politikinteresse der Jugendlichen zu lesen bzw. zu hören. Sind diese tatsächlich nicht interessiert? Könnte Politische Bildung ein Ansatzpunkt sein? Wenn ja, wie sollte eine solche aussehen? Anhand eines Praxisbeispiels wird gezeigt, wie Politische Bildung erfolgen kann.

Einleitung
Der bekannte Politikwissenschafter Peter Filzmaier (2007, 187) vertritt folgende Position: „Euphorie über das Politikinter¬esse der Jugendlichen ist unangebracht. Schreckensszenarien sind jedoch gleichfalls lächerlich. Vor allem unterscheiden sich junge Menschen mit ihren halbherzigen Bezügen zur Politik kaum von den Erwachsenen. Der entscheidende Unterschied ist ihre Bereitschaft, noch etwas zu lernen. (…) Es geht demnach darum, durch Politische Bildung gezielt das Interesse zu fördern. Vor allem bei Lehrlingen, die diesbezüglich abfallen.“
Aber was ist unter Politischer Bildung zu verstehen? Die Rechts- und Politikwissenschafterin Kathrin Hämmerle (2008, 96) verweist darauf, „(…) dass es den meisten an einer Vorstellung über den Inhalt, die Aufgaben und die Ziele der Politischen Bildung mangelt. Selbst ExpertInnen können sich auf keine allgemeingültigen Definitionen von zentralen Begriffen der Politischen Bildung einigen. Noch fehlen Standards, die festlegen, was in Politischer Bildung für wen auf welche Weise vermittelt werden soll.“
Meine These lautet daher: Es ist erforderlich, der Politischen Bildung der Jugendlichen – insbesondere jener der Lehrlinge – einen zentralen Stellenwert zu geben.
Wir müssen weg von der Wissensvermittlung in Form der reinen Institutionenlehre und hin zur aktiven Beteiligung der jungen Menschen. Wie dies erfolgen kann, das soll in weiterer Folge beschrieben werden.

Kompetenzbereiche in der Politischen Bildung
Nachdem Standards fehlen, die festlegen, was die Politische Bildung vermitteln soll, beziehe ich mich auf die Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung. Die GPJE (2004, 13) verweist in diesem Zusammenhang da¬r¬auf, dass Kompetenzentwicklung in drei Bereichen stattfindet. Generell ist anzumerken, dass diese nicht nebeneinander stehen, sondern deren wechselseitigen Zusammenhänge gesehen werden müssen. Es handelt sich dabei um folgende Kompetenzbereiche:
- Politische Urteilsfähigkeit
Hier geht es darum, politische Ereignisse, Probleme und Kontroversen sowie Fragen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung unter Sach- und Wertaspekten analysieren und reflektiert beurteilen zu können.
- Politische Handlungsfähigkeit
Damit ist gemeint, Meinungen, Überzeugungen und Interessen formulieren, vor anderen angemessen vertreten, Aushandlungsprozesse führen und Kompromisse schließen zu können.
- Methodische Fähigkeit
In diesem Zusammenhang geht es darum, sich selbständig zur aktuellen Politik sowie zu wirtschaftlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen orientieren zu können sowie fachliche Themen mit unterschiedlichen Methoden bearbeiten und das eigene politische Weiterlernen organisieren zu können.

Politische Bildung: Aber wie?
Um zu verdeutlichen, wie die gerade skizzierten Kompetenzen vermittelt werden können, soll exemplarisch auf folgende drei Bereiche eingegangen werden:
- Außerschulisches Lernen
Was ist darunter zu verstehen? „Außerschulisches Lernen im hier gemeinten Sinn bezieht sich auf die Überschreitung herkömmlicher Grenzen des Unterrichts, den Gang aus dem Klassenzimmer und Schulgebäude zur Nutzung sogenannter außerschulischer Lernorte.“ Außerdem wird zwischen verschiedenen Typen – nämlich der Besichtigung, der Erkundung und der Sozialstudie – unterschieden (vgl. Goll 2007, 205 ff.).
- Regionales Lernen
„Politische Bildung soll die Bereitschaft von (…) Jugendlichen wecken und fördern, sich politisch zu engagieren. Da¬her eignet sich die regionale Ebene be¬sonders gut, um persönliche Einmischung und Mitgestaltung zu erproben und eigene Handlungsmöglichkeiten real zu erfahren“ (Leimgruber 2007, 162).
- Projektarbeit
„Um Politische Bildung auf regionaler Ebene wirkungsvoll umzusetzen, ist die Arbeitsform der Projektarbeit daher ausgesprochen sinnvoll“ (Leimgruber 2007, 163). Dabei führt eine problemhaltige Sachlage dazu, dass man sich eines bestimmten Problems annimmt, das weitere Vorgehen zur Problemlösung gemeinsam plant und schlussendlich ein Produkt erstellt, mit dem das Ergebnis präsentiert wird (vgl. Reinhardt 2007, 100).

Politische Bildung: Praktische Umsetzung
Im Sommer 2004 wurde vom Gemeindereferenten des Landes Kärnten, Landesrat Reinhart Rohr, und dem St. Veiter Bürgermeister Gerhard Mock eine „Initiative zur Förderung der Lehrlingsausbildung in Kärntner Gemeinden“ ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt steht der „Interkommunale Ausbildungsverbund Kärnten“ (IKAV Kärnten). Dabei handelt es sich um einen freiwilligen Ausbildungsverbund für Lehrlinge in Kärntner Stadt- sowie Gemeindeämtern und -betrieben.
Die Politische Bildung nimmt bei den Aktivitäten des IKAV Kärnten einen großen und wichtigen Stellenwert ein. Sowohl bei den Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen im Bereich der Fachkompetenz als auch beim praxis- und projektorientierten Lernen.
Betrachten wir die einzelnen Aktivitäten systematischer, beginnend mit den Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen im Bereich der Fachkompetenz:
- Beim Einführungsseminar wird ein Schwerpunkt auf das politische System Österreichs gelegt. Neben der Diskussion von Staats- und Regierungsformen wird auf Formen der direkten und indirekten Demokratie und auf politische Parteien näher eingegangen. Insbesondere werden dabei die politischen Ebenen Bund, Länder und Gemeinden hinsichtlich ihrer spezifischen Ausprägungen näher behandelt.
- Eine weitere Veranstaltung trägt den Titel Politik und Wahlen auf Gemeindeebene. In einem ersten Schritt wird auf Wahlen eingegangen. Anschließend werden die Aufgaben und die Organe einer Gemeinde besprochen. Schließlich erfolgt die Simulation einer BürgermeisterIinnen- und Gemeinderatswahl und die Reflexion der gewonnenen Erkenntnisse.
- In der Veranstaltung Gesetze, Verordnungen und Bescheide geht es um den Stufenbau der Rechtsordnung. Im Mit¬telpunkt der Betrachtungen stehen dabei die Baugesetze der Verfassung und – wie der Titel schon sagt – Gesetze, Verordnungen und Bescheide. Viele praktische Beispiele runden dieses Seminar ab.
- Beim Seminar Dienstleistungsmanagement in der öffentlichen Verwaltung stellt der Bereich Kundenorientierung – insbesondere neue Felder des Bürgerservice – einen Schwerpunkt dar. Ein Rollenspiel zum Thema „Bau eines Jugendzentrums: Pro und Kontra“ rundet diese Veranstaltung ab.
Nachfolgend wird auf das praxisorientierte Lernen näher eingegangen. Damit sind vor allem Exkursionen gemeint, wie zum Beispiel der Besuch des Kärntner Landtages. Neben der Teilnahme an der Sitzung stehen auch Gespräche mit LandespolitikerIinnen auf dem Programm. Auch nehmen die Lehrlinge an einer Sitzung des St. Veiter Gemeinderates teil. Aber auch kommunale Verwaltungen und Betriebe werden in diesem Zusammenhang besucht. Die zuständigen MitarbeiterInnen erklären dabei die Arbeitsabläufe.
Nun kommen wir zum projektorientierten Lernen. Zu diesem Zweck finden sogenannte Lehrlingsprojekte statt. Bisher wurden zum Beispiel Gemeindevergleiche – mit selbst gewählten Kriterien – durchgeführt oder Broschüren erarbeitet. An dieser Stelle wird auf das „Lehrlingsprojekt: Was erwarten sich Jugendliche von der Kommunalpolitik?“ näher eingegangen.
Nachfolgend ist die Ausschreibung zu sehen:
Diese fünf Termine – die jeweils einen ganzen Tag dauerten – beinhalteten sowohl theoretische als auch praktische Einheiten, wobei Letztere überwogen.
In den theoretischen Einheiten erhielten die Lehrlinge unter anderem Inputs zu folgenden Themen: Jugendliche und Politik, Grundlagen des Projektmanagements, Basiswissen zur Befragung, insbesondere zur Fragebogengestaltung sowie zur Öffentlichkeitsarbeit.
Im Rahmen der praktischen Einheiten wurden mögliche Themen gesammelt, ein Fragebogen erstellt – sowie ein Pre-Test durchgeführt – und überarbeitet. In weiterer Folge kam es zur Durchführung der Befragung, zur Auswertung und zur Reflexion. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden zusammengefasst und dokumentiert. Darüber hinaus fanden viele gruppendynamische Übungen statt, in denen die Jugendlichen ihre sozialkommunikativen Fähigkeiten trainieren und erweitern konnten.
Abschließend ist anzumerken, dass die Angebote im Bereich der Politischen Bildung sehr vielfältig sind: Angefangen bei der klassischen Wissensvermittlung in Form von Vorträgen und Seminaren, über die Teilnahme an Exkursionen, bis hin zu Lehrlingsprojekten. Ich vertrete die Meinung, dass es in diesem Bereich nicht ein „entweder – oder“ geben kann, sondern dass unterschiedliche Formen zum Einsatz kommen sollten, damit von einer umfassenden Politischen Bildung gesprochen werden kann.
Die gerade beschriebenen Bildungsmaßnahmen des IKAV Kärnten stellen einen Versuch dar, die theoretischen Empfehlungen in die Praxis umzusetzen. Außerdem soll durch deren Darstellung ein Einblick in die Aktivitäten dieses Ausbildungsverbundes ermöglicht werden.

Resümee
Im vorliegenden Beitrag wurde dargestellt, wie Politische Bildung in der Praxis stattfinden könnte. In einem ersten Schritt erfolgte die Beschreibung von Kompetenzen, die vermittelt werden sollten. Danach wurden das außerschulische Lernen, das regionale Lernen und die Projektarbeit beschrieben. Darauf aufbauend konnte anhand eines Praxisbeispiels, nämlich der interkommunalen Lehrlingsausbildung in Kärnten, gezeigt werden, wie Politische Bildung vermittelt werden kann.
Schließen möchte ich mit den Ausführungen des Politikwissenschafters Peter Filzmaier (2007, 189): „Das Klischee einer jungen Generation, die generell politisch verdrossen oder unwissend ist, stimmt so nicht. Zusammenfassend gilt, dass Jugendliche erstens mehr Politische Bildung wollen. In der Schule und überhaupt. Zweitens sind Jugendliche vielfältigen Themen der Politik aufgeschlossen. Antidiskriminierung inklusive. Drittens wollen Jugendliche in der Schule und an den Universitäten Politische Bildung lernen. Diese sind als neutraler Ort für Politikvermittlung anerkannt. Das macht Hoffnung, oder? Mir jedenfalls schon.“


Verwendete Literatur
Filzmaier, Peter (2007): Wie wir politisch ticken … Öffentliche und veröffentlichte Meinung in Österreich. Wien.
Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung GPJE (2004): Anforderungen an Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen. Ein Entwurf. Schwalbach/Ts. Online im Internet:
www.ku-eichstaett.de/Fakultaeten/GGF/fachgebiete/Politikwissenschaften/Politikwissenschaft_III/links/HF_sections/content/Bildungsstandards.
pdf [Zugriff am 9. Mai 2008].
Goll, Thomas (2007): Außerschulisches Lernen. In: Reinhardt, Volker/Lange, Dirk (Hrsg.): Basiswissen Politische Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Band 4: Forschung und Bildungsbedingungen. Baltmannsweiler, 205–214.
Hämmerle, Kathrin (2008): Politische Bildung in Österreich. Eine kritische Bestandsaufnahme. In: Gruber, Bettina/Hämmerle, Kathrin (Hrsg.): Demokratie lernen heute. Politische Bildung am Wendepunkt. Wien/Köln/Weimar, 93–112.
Leimgruber, Yvonne (2007): Regionales Lernen. In: Reinhardt, Volker/Lange, Dirk (Hrsg.): Basiswissen Politische Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Band 3: Inhaltsfelder der Politischen Bildung. Baltmannsweiler, 161–169.
Reinhardt, Volker (2007): Projektarbeit. In: Reinhardt, Volker/Lange, Dirk (Hrsg.): Basiswissen Politische Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Band 6: Methoden Politischer Bildung. Baltmannsweiler, 100–106.
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