Auswirkungen des FAG 2008 und mögliche Reformansätze

Auswirkungen des FAG 2008 und mögliche Reformansätze

Das Finanzausgleichsgesetz 2008 ist nunmehr bereits ein halbes Jahr alt. Immer noch sind einige Fragen im Zusammenhang mit den ausgabenseitigen Verpflichtungen offen. Zeit, zumindest die finanziellen Auswirkungen der wesentlichen einnahmenseitigen Änderungen anhand der aktuellen Datenlage zu analysieren. Zeit aber auch, einen ersten Blick auf internationale Entwicklungen in Sachen Verteilung der gemeinschaftlichen Finanzmassen sowie der Aufgaben und Ausgaben zu werfen.

Das FAG 2008
Mit dem im Dezember 2007 in Verhandlungen zwischen den Finanzausgleichspartnern verabschiedeten neuen Finanzausgleichsgesetz (FAG), das zu Beginn des Jahres 2008 in Kraft getreten ist, wurde bekanntermaßen das bislang geltende FAG 2005 ein Jahr früher als geplant ersetzt. Anlass für die vorzeitige Neuverhandlung waren dabei zum einen die steigenden Ausgaben der Länder und Kommunen in den Bereichen Soziales, Pflichtschulen und Krankenanstalten, die sich insbesondere aus einer Verschiebung der Altersstruktur der Bevölkerung ergeben und denen durch eine Neuregelung der Finanzmittelverteilung Rechnung getragen werden sollte. Zum anderen war die vorzeitige Verabschiedung eines neuen FAG durch die Notwendigkeit bedingt, zwischen den Gebietskörperschaften eine Einigung über die Finanzierung verschiedener Reformvorhaben des Bundes (ins¬besondere der Mindestsicherung sowie der 24-Stunden-Pflege) herbeizuführen, an der Länder und Gemeinden beteiligt werden sollten. Der neue Finanzausgleich bringt somit eine Reihe von Neuerungen gegenüber den bislang geltenden Regelungen des Finanzausgleichs 2005 mit sich.

Villacher Symposium zum FAG 2008
Dies bot Anlass zur Veranstaltung eines Symposiums zum neuen FAG 2008 im Mai dieses Jahres durch den Studienbereich Wirtschaft der Fachhochschule Kärnten in Villach, zu dessen Schwerpunkten in Lehre und Forschung unter anderem auch Föderalismus- und Finanzausgleichsfragen gehören. Im Rahmen des Symposiums kamen ausgewählte Experten der österreichischen Finanzausgleichssituation zu Wort, die zudem alle¬samt unmittelbar an den politischen Verhandlungen der Finanzausgleichspartner zum neuen Finanzausgleichsgesetz beteiligt waren. Zu den Referenten zählten Dietmar Pilz (Landesgeschäftsführer-Stellvertreter des steirischen Gemeindebundes und Konsulent des Österreichischen Gemeindebundes), Axel Maurer (Stellvertretender Leiter der Abteilung Finanzen des Magistrats der Stadt Salzburg) sowie Egon Mohr (Vorstand der Abteilung Finanzangelegenheiten des Amtes der Vorarlberger Landesregierung). Die mit dem Symposium verbundene Konzentration auf jene Auswirkungen des FAG 2008, die sich für Länder und Kommunen ergeben, hat darüber hinaus entscheidend dazu beigetragen, dass die Ausführungen aller Referenten auf großes Interesse bei der mehr als 70 Personen umfassenden Zuhörerschaft stießen, von denen der weit überwiegende Teil aus Vertretern österreichischer Städte und Gemeinden bestand. Ergänzt wurde dieser Zuhörerkreis neben Vertretern von Ämtern einzelner Landesregierungen ebenso durch Studierende des Diplomstudiengangs Public Management, in dessen Rahmen nicht zuletzt auch die ökonomische und rechtliche Betrachtung der österreichischen Finanzausgleichsbeziehungen einen festen Bestandteil des Ausbildungsprogramms darstellt. Die sich an jeden Vortrag anschließende, ausführliche Diskussion machte deutlich, dass über das Interesse an den fiskalischen Effekten einzelner Neuregelungen des FAG 2008 hinaus die Notwendigkeit zu einer grundlegenden Reform des österreichischen Finanzausgleichsystems ein zentraler Diskussionsgegenstand war.

Zahlenmäßige Auswirkungen des FAG 2008
Zahlreiche Auswirkungen des FAG 2008 lassen sich auch Monate nach Inkrafttreten noch nicht berechnen. Dies betrifft insbesondere die neu hinzukommenden Ausgabenpakete im Bereich Pflege und bedarfsorientierte Mindestsicherung. Sehr wohl approximieren lassen sich die voraussichtlichen einnahmenseitigen Änderungen, auch wenn noch zahlreiche Berechnungsparameter erst in der Zukunft festgelegt werden müssen.

1. Beseitigung Konsolidierungsbeitrag
Finanziell am bedeutsamsten ist die stufenweise Abschaffung des Gemeinde-Konsolidierungsbeitrages gemäß § 9 (3) Z. 2, indem die 106,1 Millionen Euro in zwei Schritten (Halbierung in den Jahren 2008 bis 2010, Beseitigung in den Jahren 2011 bis 2013) eliminiert werden. Gleichzeitig fällt auch der Länder-Konsolidierungsbeitrag in Höhe von 311,75 Millionen Euro gemäß § 9 (3) Z. 1 lit. b. Damit gelang es, einen in fixer Höhe dotierten Abzugspos¬ten aus dem Jahr 1996 – die Abtretung von Mehreinnahmen durch Gemeinden im Rahmen des Bundes-Sparpaketes II aus 1996 zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes – zu eliminieren.
Die Mehreinnahmen der Gemeinden in den Jahren 2008 bis 2010 belaufen sich somit auf 53,05 Millionen Euro. In den Jahren 2011 bis 2013 würden diese Mehreinnahmen auf 106,1 Millionen Euro steigen. Allerdings werden davon 50 Millionen Euro zur Abflachung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels (aBS) verwendet und somit nur 56,1 Millionen Euro nach den allgemeinen Verteilungskriterien verteilt.

2. Abflachung des aBS
Der aBS der untersten Stufe bis 10.000 Einwohner – 11/2 gemäß § 9 (9) FAG 2005 – wird 2011 in Richtung des nächst¬höheren Vervielfachers – 12/3 – angehoben. Die Anhebung wird in jenem Ausmaß erfolgen, dass die restlichen Gemeinden auf Basis der Ertragsanteile 2010 dadurch maximal 100 Millionen Euro verlieren (Schritt 1). Diese Verluste werden den Gemeinden über 10.000 Einwohnern im Ausmaß von 50 Millionen Euro aus dem erwähnten Entfall des Gemeinde-Konsolidierungsbeitrages kompensiert. Die verbleibenden 50 Millionen Euro werden aus dem Topf des ebenfalls fallenden Länder-Konsolidierungsbeitrages geschlossen (Schritt 2).
Tabelle 2 zeigt auf Basis der Daten 2007, in welche Bundesländer die Zugewinne durch die Abflachung des aBS voraussichtlich fließen werden. In der Tabellenzeile „Zugewinn durch Abflachung“ ist Schritt 1, also die Einnahmen-Umverteilung von Gemeinden über 10.000 Einwohner zu jenen bis 10.000 Einwohnern dokumentiert. Die nachfolgende Kompensation der Verluste an Gemeinden >10.000 Einwohner (Schritt 2) ist in der Zeile „aBS-Ausgleich“ abgebildet.

3. Anwendung der Bevölkerungs¬statistik
Während 2008 noch die Daten der Volkszählung 2001 maßgeblich für die Verteilung der Finanzmasse sind, gelangt ab 2009 erstmals eine zeitnahe Registerzählung zur Anwendung. Für die Jahre 2009 und 2010 wird die Bevölkerungsstatistik mit Stichtag 31. Oktober 2008 fixiert, ab 2011 gelangen jeweils die Daten per 31. Oktober des zweitvorangegangenen Jahres zur Anwendung. Eine erste Annäherung der Auswirkungen der vorgezogenen Anpassung an die tatsächliche Bevölkerungsentwicklung bietet der Vergleich zwischen dem Volkszählungsergebnis 2001 und den Daten der Bevölkerungsstatistik 2007. Eine Umverteilung wäre – mit Zeitverzug – allerdings auch bei Nichteinigung auf eine Registerzählung angefallen, voraussichtlich 2011 im Rahmen einer traditionellen Volkszählung.
Mit Stand 2007 wären folgende Änderungen (Tabelle 3) in der Bevölkerungsentwicklung nach Größenklassen und Bundesländern aufgetreten.
Die Bevölkerungszunahme von rund 266.000 Einwohnern ist überwiegend auf die deutliche Zunahme der Bevölkerung in Gemeinden über 20.000 Einwohnern zurückzuführen. Der Großteil entfällt auf die stark positive Entwicklung der Bundeshauptstadt (ca. +114.000). Unter den restlichen Großstädten zählt die Stadt Graz zu den Gewinnern. Der Zugewinn von 51.360 in Niederösterreich ist schlicht dadurch zu erklären, dass die Landeshauptstadt St. Pölten bei der Volkszählung 2001 mit 49.117 Einwohnern noch in die Kategorie „20.001 bis 50.000“ fiel, nach der Bevölkerungsstatistik 2007 mit 51.360 jedoch in die nächsthöhere Klasse fällt. Vor diesem Hintergrund ist sowohl der massive Zugewinn der Kategorie über 50.000 Einwohner als auch der Rückgang bei den Städten von 20.000 bis 50.000 Einwohnern zu relativieren. Neben St. Pölten wechselten noch folgende Gemeinden die Kategorien und führen damit zu statistischen Verzerrungen zwischen den Größenkategorien: Brunn am Gebirge (N) 2001: 9.424 EW, 2007: 10.579 EW, Judenburg (St) 2001: 10.130 EW, 2007: 9.466 EW, Voitsberg (St) 2001: 10.074 EW, 2007: 9.857 EW, Lustenau (V) 2001: 19.707 EW, 2007: 20.606 EW.
Auf Basis der Bevölkerungsdaten 2007 würde sich nach Bundesländern die in Tabelle 4 angeführte Veränderung der Ertragsanteile-Verteilung ergeben (siehe Tabelle 5).

4. 16 Millionen Euro für Gemeinden >10.000 Einwohner
Ab 2011 erhalten Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern (ohne Wien) Finanzzuweisungen in Höhe von 16 Millionen Euro jährlich. Dieser Topf wird allerdings zu 14 Millionen Euro durch Umverteilung innerhalb der Gemeinden aufgebracht (2 Millionen Euro davon von Wien), 2 Millionen Euro fließen zusätzlich aus Bundesmitteln zu.
Werden die Daten der Bevölkerungsstatis¬tik 2007 zugrunde gelegt, ergibt sich eine Aufteilung der 16 Millionen Euro gemäß Tabelle 11. Der Großteil der Mittel entfällt aus heutiger Sicht auf die Steiermark, gefolgt von Oberösterreich, Kärnten und Niederösterreich. Gemäß dem Zweck dieses Sondertopfes entfallen über 80% des Gesamtbetrages auf Gemeinden mit über 50.000 Einwohnern (Tabelle 6).

5. Umwandlung von Transfers in Ertragsanteile
Von der Umwandlung von Transfers in Ertragsanteile sind erfasst:
- Bedarfszuweisung zum Haushaltsausgleich gemäß § 23 (3) FAG 2005 (116,6 Millionen Euro),
- Bedarfszuweisung Ausgliederungen und Schuldenreduzierungen gemäß § 23 (2) FAG 2005 (2,2 Millionen Euro),
- Spielbank-Bedarfszuweisung gemäß § 23a FAG 2005 (3,1 Millionen Euro).
Dadurch wurden aus fixen Transfers dynamische Ertragsanteilskomponenten. Für das Jahr 2008 bedeutet dies somit eine Steigerung der im Gesetz angeführten Fixbeträge um rund 8,02% oder einem nominellen Zuwachs von über 9,5 Millionen Euro. Durch die nunmehrige Einrechnung der bisherigen Transfers in die Ertragsanteile wäre auch die Landesumlage, die sich auf die ungekürzten rechnungsmäßigen Ertragsanteile bezieht, nominell gestiegen. Daher wurde der maximal zulässige Hebesatz von 7,8% auf 7,6% gesenkt.
Somit verbleiben im Bereich des sekundären Finanzausgleichs folgende Transfers (Tabelle 7), welche auf Basis der Steuerschätzung des Bundes Anfang Juni 2008 berechnet wurden.

Grundlegende Reform ¬überfällig
Hinsichtlich der Bewertung des FAG 2008 besteht bei einer nicht geringen Zahl der Finanzausgleichsexperten weitgehend Konsens darüber, dass die Neuregelungen eine längst überfällige Reform insbesondere im Bereich der Aufgaben- und Ausgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, aber auch mit Blick auf die Einnahmenverteilung nach wie vor vermissen lassen. Anstelle einer in Richtung von mehr Effizienz des staatlichen Handelns zielenden Neuordnung der Finanzausgleichsbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden trägt das neue FAG mit seinen hohen Mittelzuweisungen für die kommenden sechs Jahre tendenziell zu einer Besitzstandswahrung bei, die zukünftige Reformen eher schwieriger als leichter machen dürften. Mit einer weitgehenden Konzentration auf die Einnahmenverteilung wurde mit dem FAG 2008 eine grundlegende Klärung der Aufgaben- und Ausgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neuerlich ausgeblendet.

1. Wandel im Finanzausgleichsverständnis erforderlich
Blickt man auf die Finanzausgleichsverhandlungen der vergangenen Jahre zurück, so scheint vorrangig ein Wandel im Grundverständnis des Finanzausgleichssystems in Österreich erforderlich zu sein. Aus ökonomischer Sicht erfordert eine ernst gemeinte Reform hierbei eine Rückbesinnung auf die mit einer föderalen Staatsordnung verbundenen Zielsetzungen. Danach stellt nicht das räumliche Ausgleichsziel zwischen finanzstarken und finanzschwachen Gebietskörperschaften im Sinne einer Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Landesteilen die primäre Funktion eines Finanzausgleichs dar. Vielmehr werden von Föderalismus und Finanzausgleich ein mehr an Effizienz der staatlichen Aufgabenerfüllung erwartet. Nicht die Realisierung von mehr Gleichheit und Uniformität, sondern das zur Geltung bringen vorhandener Unterschiede in Verbindung mit dem Einräumen politischer Entscheidungsbefugnisse auf regionaler und lokaler Ebene entspricht der Grundidee des Föderalismus. Damit hat nicht die Mittelverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, sondern vorrangig die zweckmäßige Aufgabenverteilung im Mittelpunkt einer Reform zu stehen.
Dies führt zu der Einsicht, dass parallel zu einer Reform des Finanzausgleichs im engeren Sinne eine Reform der bundesstaatlichen Ordnung erfolgen muss, d. h. Staats- und Finanzausgleichsreform müssen Hand in Hand gehen. Vor diesem Hintergrund ist einerseits zu begrüßen, dass die von der Bundesregierung eingesetzte Expertengruppe zur Staats- und Verwaltungsreform im März dieses Jahres einen Reformentwurf vorgelegt hat. Andererseits kann allerdings auch festgestellt werden, dass die darin enthaltenen Vorschläge zu den Themenbereichen Kompetenzverteilung, Länderautonomie und territoriale Selbstverwaltung nach erster Einschätzung lediglich in einem sehr bescheidenen Umfang zur Bereinigung des bestehenden Kompetenz- und Aufgabendschungels sowie einer Korrektur der in den vergangenen Jahrzehnten in Österreich praktizierten Zentralisierung von Zuständigkeiten beitragen dürften.

2. Subsidiarität als Leitidee
Als Leitidee für eine Neuverteilung der staatlichen Aufgaben im Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden sollte die Verwirklichung des Subsidiaritätsgrundsatzes gelten, wonach die Bundesebene überhaupt nur dann für die Erfüllung staatlicher Aufgaben zuständig sein sollte, wenn Länder und Gemeinden hierzu grundsätzlich nicht in der Lage sind. Vor einer etwaigen Übernahme von Aufgaben durch den Bund sollte zudem die Pflicht gelten, Länder und Gemeinden bezogen auf Zuständigkeiten, rechtliche Steuerungsinstrumente sowie finanzielle Res¬sourcen in die Lage zu versetzen, von sich aus solche Aufgaben erfüllen zu können. Letzteres steht im Einklang mit der aus ökonomischer Sicht postulierten Kongruenz von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung.
Damit verbunden ist allerdings auch die Erkenntnis, dass die von Ländern und Gemeinden wiederholt vorgetragene Forderung nach einer aufgabengerechten Finanzausstattung sich nicht allein in einer bloßen Ausweitung der Ertragsanteile oder Zuweisungen des Bundes erschöpfen kann, sondern im Sinne einer stärkeren Verantwortung gegenüber dem Bürger vielmehr auch mit einer vermehrten dezentralen Steuerautonomie verbunden sein muss. Dies würde allerdings vor allem mit Blick auf die Länder einen grundlegenden Gesinnungswandel voraussetzen, für die – anders noch als in den 1960er- und 1970er-Jahren – in der jüngeren Vergangenheit im Rahmen von Finanzausgleichsverhandlungen nur noch die Absicherung des Länderanteils an der insgesamt verfügbaren Finanzmasse auf dem Wege einer Zuweisung fixer Ertragsanteile im Vordergrund stand.

3. Widersprüche zwischen Reformen vermeiden
Neben einer notwendigen Verknüpfung von Staats- und Finanzausgleichsreform sollte ebenso darauf geachtet werden, dass eine Reform des Finanzausgleichs nicht in Widerspruch zu gleichzeitig auf den Weg gebrachten, finanzpolitischen Reformvorhaben gerät. Das FAG 2008 trägt dieser Forderung jedoch nur sehr unvollkommen Rechnung, was sich unter anderem an der vorgenommenen Abflachung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels zeigt. So kann festgestellt werden, dass die in erster Linie an räumlichen Umverteilungsmotiven zugunsten von kleineren Gemeinden orientierten neuen Finanzausgleichsregelungen im Konflikt stehen mit beispielsweise den Steuerreformmaßnahmen des Bundes der jüngeren Vergangenheit, die im Kern auf eine Stimulierung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums ausgerichtet waren. Geht man jedoch – wie Vertreter von Wachstums- und Regionalökonomik dies tun – davon aus, dass Wachstum denknotwendig lokal und regional stattfindet und dass hier vor allem Städte und größere Gemeinden aufgrund von wirtschaftlichen Ballungseffekten einen wesentlichen – wenn nicht gar entscheidenden – Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum leisten, sollte ein zur gegenwärtigen Steuerreformpolitik komplementäres Finanzausgleichsgesetz bestehende regionale Wachstumspole fördern, anstatt diese fis¬kalisch zu schwächen. In Anbetracht dessen stellt nicht eine Begünstigung der kleineren Gemeinden, sondern vielmehr eine Erhöhung des „fiskalischen Selbstbehalts“ von Städten und größeren Gemeinden die ökonomisch zweckmäßige Reformmaßnahme dar.
Jenseits dessen sind aber auch die Einzelregelungen innerhalb des FAG 2008 selbst nicht widerspruchsfrei. So stehen beispielsweise die darin enthaltenen Anreize zugunsten von vermehrten interkommunalen Kooperationen in Einklang mit regionalökonomischen Überlegungen: In dem Maße, wie wachstumsrelevante wirtschaftliche Verflechtungsbeziehungen immer häufiger über Ortsgrenzen hinweg bestehen, stellt nicht selten eine mehrere Kommunen umfassende Kooperation im Bereich der Wirtschaftsförderung die einzig sinnvolle Anpassung an die ökonomischen Gegebenheiten dar. Die mit dem FAG 2008 verbundene fiskalische Begünstigung der kleineren Gemeinden setzt vor diesem Hintergrund jedoch in der Tendenz einen negativen Anreiz für die Umsetzung von entsprechenden interkommunalen Kooperationen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass der bereits erwähnte Reformentwurf der Expertengruppe zur Staats- und Verwaltungsreform eine „Bestandsgarantie“ für Gemeinden vorsieht, droht nun sogar die verfassungsrechtliche Festschreibung einer in ökonomischer Sicht wenig vorteilhaften, weil ausgeprägt kleinteiligen Gemeindestruktur, die in der Tendenz die Kosten des staatlichen Verwaltungshandelns erhöht und das wirtschaftliche Wachstum behindert.

Ein Blick in Richtung Schweiz lohnt sich
Dass grundlegende Reformen eines Finanzausgleichssystems in Richtung einer stärkeren Kongruenz von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung keineswegs ausgeschlossen sein müssen, zeigt das Beispiel Schweiz, wo seit Beginn 2008 die größte Föderalismusreform seit Gründung des Bundesstaates in Kraft getreten ist. Der sogenannte „Neue Finanzausgleich“, der mit weitreichenden Änderungen in der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundes- und Kantonsebene einhergeht, könnte auch als Vorbild für eine Reform des österreichischen Finanzausgleichssystems dienen.

1. Reduzierung der Ausgleichs¬mechanismen
Die Neugestaltung des Finanzausgleichs im engeren Sinne ist dabei das Kernelement der Schweizer Reform. Mit ihr wird das Ziel verfolgt, der zunehmenden Zentralisierung Einhalt zu gebieten und die Eigenverantwortlichkeit der Kantone zu fördern. Danach treten an die Stelle der bisherigen rund 40 Ausgleichsfonds nur noch drei Ausgleichsmechanismen. Dabei soll ein sogenannter Ressourcenausgleich, der ausschließlich den finanzschwachen Kantonen zugänglich ist, die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone verringern. Ergänzt wird dieser Mechanismus um einen „geografisch-topografischen Lastenausgleich“, der solche übermäßigen finanziellen Lasten kompensieren soll, welche die Folge von weitgehend unbeeinflussbaren Sonderfaktoren (z. B. überdurchschnittlich hoch gelegene Siedlungsgebiete oder fragmentarische Siedlungsstrukturen aufgrund geringer Bevölkerungsdichte) sind. Der sogenannte soziodemografische Lastenausgleich dient schließlich für einen Ausgleich solcher übermäßigen Belastungen, die den Kantonen (und den in ihnen befindlichen Kommunen) insbesondere aufgrund eines überdurchschnittlich hohen Anteils an in Armut lebenden Menschen, an Hochbetagten, Jugendlichen mit besonderen Ausbildungsbedürfnissen, Arbeitslosen etc. entstehen.

2. Aufgaben- und Finanzierungs¬entflechtung
Hinsichtlich der Aufgaben- und Ausgabenverteilung gilt das in der Schweizer Bundesverfassung neu verankerte Subsidiaritätsprinzip als maßgeblich. Danach soll der Bund nur noch in jenen Bereichen und Fragen materiell und finanziell Einfluss nehmen, die einer einheitlichen Regelung bedürfen. Eine Zuständigkeit der Bundesebene besteht danach nur noch in Bereichen wie der sozialen Sicherheit, der Landesverteidigung oder des Verkehrs. Demgegenüber erfolgt mit Blick auf die weit überwiegende Zahl an staatlichen Aufgaben eine Dezentralisierung in Form einer Zuständigkeitszuordnung an Kantone und Gemeinden. Dem Bund verbleibt hier lediglich die Möglichkeit, in bestimmten kantonalen Aufgabenbereichen über Rahmenregelungen Mindeststandards zu sichern.

3. Vertikale und horizontale Kooperationen
In jenen Bereichen, die nicht entflochten wurden und damit als gemeinschaftliche Aufgaben von Bund und Kantonen bestehen bleiben (vor allem Krankenversicherungen und Umweltschutz), wurden neue Formen der Zusammenarbeit und Finanzierung eingeführt. So treten an die Stelle der bisherigen (Bundes-)Zuweisungen für Einzelobjekte nun Mehrjahresprogramme einschließlich der Festlegung von Globalzuweisungen, deren Höhe von dem zu erzielenden Ergebnis abhängt. Der Bund übernimmt dabei – dem Ansatz des New Public Management folgend – die strategische Führung sowie das Controlling. Den Kantonen fallen demgegenüber die operative Verantwortung und die Entscheidungsbefugnis darüber zu, wie die im Rahmen der Programme definierten Zielsetzungen bestmöglich erreicht werden können. Schließlich soll auch durch eine horizontale Zusammenarbeit der Kantone (z. B. in den Aufgabenbereichen Bildung, Strafvollzug oder auch öffentliche Ver- und Entsorgung) der Kongruenz von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen besser Rechnung getragen werden. Dabei sollen insbesondere solche Kantone eine finanzielle Abgeltung erhalten, die zentralörtliche Leistungen für umliegende Kantone erbringen. Zudem hat der Bund die Möglichkeit, notfalls zwangsweise Kantone über eine Mitwirkungspflicht zu einer Zusammenarbeit zu bewegen.
Auch wenn nicht alle Elemente dieses Reformprogramms auf die Finanzausgleichsituation in Österreich übertragen werden können oder aufgrund der Unterschiedlichkeit des politischen und gesellschaftlichen Systems als nicht sinnvoll erscheinen, zeigt das Schweizer Beispiel dennoch, dass – beim Vorhandensein eines entsprechenden Willens – eine grundlegende Neuordnung der bestehenden Finanzausgleichsbeziehungen in Richtung einer höheren Effizienz des Gesamtsystems prinzipiell möglich ist, ohne dass räumliche Ausgleichsziele dabei vernachlässigt werden müssen.

OEGZ

ÖGZ Download