Arbeitskreis „Raumordnung und Infrastruktur – die städtische Dimension“

Arbeitskreis „Raumordnung und Infrastruktur – die städtische Dimension“

Österreichischer Städtetag

Das Mobilitätsbedürfnis der BürgerInnen, das sich nicht an administrative Grenzen hält, die zersplitterte Kompetenzlage bei der Zuständigkeit für verschiedene Infrastrukturen und die für die Kommunen wichtigen Infrastrukturinvestitionen im Bereich von Sozial-, Bildungs-, Wissens-, Kommunikations- und Forschungsinfrastrukturen stellen Herausforderungen an die Städte und Gemeinden dar, die von diesen allein nicht mehr zu bewältigen seien, so Heidrun Silhavy, Staatssekretärin für Regionalpolitik und Verwaltungsreform. Die Städte benötigen verstärkte Zusammenarbeit zwischen Städten, ihren Umlandgemeinden und Bundes- und Landesstellen. Derzeit gibt es für die Staatssekretärin drei dringende Verbesserungsmöglichkeiten im Zuständigkeitsbereich des Bundes, um die Kooperation und Koordination im Bereich der Raumordnung zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Infrastruktur zu verbessern: Im Rahmen der Verfassungsreform plädiere sie für eine Übertragung der Materie Raumordnung in die sogenannte dritte Säule, d. h. die geteilte Zuständigkeit von Bund und Land, wobei es keinesfalls um eine Beschneidung der Länderkompetenzen gehe. Zweites Element ist die Erweiterung der Handlungsspielräume für freiwillige Kooperationen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. So müsse eine länderübergreifende Kooperation möglich sein, Bundesstellen oder öffentlichen Stellen der Bundesverwaltung müsse erlaubt sein, mit Städten oder Gemeindeverbänden formelle Kooperationen in Gestalt eigener Rechtsträgerschaften eingehen zu können. Dritter Baustein ist die verstärkte Nutzung der bestehenden Förderinstrumente durch die Städte, vor allem jener Förderinstrumente der EU.

Europaabgeordnete Lichtenberger: Partnerschaften mit Umland eingehen
Stadtentwicklung sei nur dann nachhaltig erfolgreich, wenn sie als Stadt-Umland-Politik verstanden werde. Angesichts der intensiven Wechselbeziehungen und der Material-, Kapital- und Personenströme zwischen Stadt und Region werde deutlich, dass Städte mit ihrem Umland Partnerschaften eingehen müssen. Darüber hinaus ist eine polyzentrische Struktur, d. h. ein ausgewogenes Verhältnis größerer und kleinerer Städte zueinander, eine günstige Raumentwicklungsvoraussetzung, so Eva Lichtenberger, Europaabgeordnete und Vizepräsidentin der Grünen Fraktion im Europäischen Parlament.
Die Antwort auf die Herausforderungen der städtischen und regionalen Entwicklung seien integrierte Handlungskonzepte, d. h. der Einbezug unterschiedlicher Sektoren wie Verkehr/Mobilität, Energie, Klimaschutz sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Aspekte in eine Gesamtstrategie sowie eine horizontale und vertikale Koordination der lokalen, regionalen, nationalen und europäischen Ebenen. Städte und Regionen sollten sich auf Kenngrößen wie maximaler Flächenverbrauch pro Kopf; optimiertes Flächennutzungsverhältnis (Natur- und Landwirtschaftsfläche zu Siedlung- und Infrastrukturfläche); einen attraktiven „Modal Split“ mit einer hohen ÖPNV-Nutzungsrate; eine deutliche Begrenzung der CO2-Emissionen pro Kopf; Dezentralisierungsgrad bei der Energiebereitstellung; Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien; Grünfläche pro Einwohner; Müll pro Einwohner festlegen.

Eisenstadt: erfolgreiche integrierte Stadtentwicklungspolitik
Die „integrierte Stadtentwicklungspolitik“ in der Landeshauptstadt Freistadt Eisenstadt bündelt politische Ziele, Vorhaben wirtschaftlicher Investoren, Interessengruppen, Immobilienmakler und die Erwartungen der Öffentlichkeit zu einer Gesamtstrategie, erklärte Bürgermeisterin Andres Fraunschiel. Die Stadtentwicklung sei geprägt durch Wachstum in allen Bereichen. Das bedeute keine Abwanderung, keinen Verlust an Arbeitsplätzen, keine soziale Ausgrenzung und keinen Verlust an Lebensqualität. Benachteiligte Stadtquartiere seien nicht vorhanden.

Sicherung von Arbeitsplätzen
Die Sicherung von Arbeitsplätzen sei Eisenstadt mehr als gelungen. Die annähernd gleiche Zahl an Bevölkerung und Arbeitsplätzen unterstreiche den politischen Erfolg. Handlungsbedarf sei bei der integrierten Stadtentwicklungspolitik im regionalen Kontext mit dem Bezirk Eisenstadt und den regionalen zentralen Orten gegeben (Wiener Neustadt, Bratislava, Sopron).
Die burgenländische Landeshauptstadt habe politischen Weitblick mit den EU-Projekten „Städtekooperation Eisenstadt–Sop¬ron“ unter Einbeziehung umgebender Gemeinden, dem Projekt „Stadt-Landbus“ und dem Projekt „Parknetzwerk“ (Esterházyscher Schlosspark, Netzwerk mit historischen Parkanlagen in Niederösterreich, Slowakei und Ungarn) gezeigt. Diese städtischen Bemühungen allein können eine Abstimmung zwischen Stadt, Land und den umliegenden Regionen nicht ersetzen. Hier müssten vermehrt Initiativen für die grenzüberschreitende Regionalpolitik gesetzt werden.

Institut für Raumplanung: Städtenetze und netzförmige Stadtregionen
Für Christof Schremmer, Österreichisches Institut für Raumplanung, sind die Bevölkerungsentwicklung, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sowie der Klimaschutz die drei wesentlichen Herausforderungen, vor denen die europäische Stadtentwicklung steht. Der Neubau auf höchs¬tem energetischen Standard verlaufe in Österreich erfolgreich, analog dazu sei jedoch auch die soziale und kulturelle Integration im Neubaubereich und in bestehenden Wohnvierteln notwendig. In Sachen Abstimmung von Verkehrsinfrastruktur und Siedlungsentwicklung sei ein „Neustart“ notwendig. Städtenetze wie in der Schweiz und netzförmige Stadtregionen seien als Leitbilder geeignet. Eine auf den öffentlichen Verkehr ausgerichtete Siedlungsentwicklung erfordere effiziente Arbeits- und Entscheidungsstrukturen im regionalen Kontext.
Professor Arnold Klotz, langjähriger Stadtplanungsdirektor von Wien, jetzt Dekan an der Universität Innsbruck, formulierte die Eckpunkte aktueller Stadtplanung kurz und prägnant. Die Stadtentwicklung hat sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs verändert. Europa und die Internationalität haben an Bedeutung gewonnen. Stadtentwicklung und damit auch Stadtplanung sind heute auch von strategischen Aufgaben gekennzeichnet. Aktive Stadtplanung ist eine vielfältige Tätigkeit, sie bedeutet wissensbasierte Stadtentwicklung.
In der Diskussion wurden vor allem das Thema der Kooperation und die Frage der Kompetenzverteilung besprochen. Als Problem wurde mehrfach das Kirchturmdenken genannt, das bei der Lösung vieler Probleme hinderlich ist.
Arbeitskreis-Berichterstatterin Bürgermeisterin Fraunschiel zusammenfassend: „Planung erfordert interdisziplinäres und strategisches Denken, Befindlichkeiten, die Kooperationen hindern, müssen angesprochen und aus dem Weg geräumt werden. Erst durch Kooperationen kann die kritische Größe erreicht werden, die nachhaltiges Wirtschaftswachstum möglich macht. Kompetenzverteilung muss mitunter hinterfragt werden und darf keine heilige Kuh sein. Außerdem sollten die Städte alle dem Wunsch nach verstärktem Engagement auf europäischer Ebene nachkommen. Wir Städte sollten uns einmischen.“

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