Festreferat von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer

Festreferat von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer

„Von der Wissenschaft, von der Politik und von der Wirtschaft ist anerkannt, dass Bildung und Wissen die wichtigsten ökonomischen Ressourcen unserer Zeit und vor allem für die Zukunft darstellen“, so Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zu Beginn seines Festreferates zur „Bildung“. Wissen und Fertigkeiten jedes Einzelnen haben nicht nur eine ökonomische, sondern mehr denn je auch eine eminent soziale und gesellschaftspolitische Bedeutung. Der strukturelle Wandel vollziehe sich heute mit einer nie geahnten Geschwindigkeit. Die Innovationszyklen würden immer kürzer werden, der Innovations- und Anpassungsdruck steige täglich. All das führe dazu, dass Bildung allgemein zum Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe werde. „Wer früh den Bildungsanschluss verliert, ist mit Armut, Arbeitslosigkeit und gesellschaftlicher Marginalisierung konfrontiert. Und das gilt in einer Wissensgesellschaft mehr denn je“, so Gusenbauer.

Ökonomische Bedeutung von Bildung
Es sein eine relativ neue Erkenntnis, dass die ökonomischen Wirkungen von Bildungsinvestitionen nicht unabhängig vom jeweiligen technologischen Stand einer Volkswirtschaft zu betrachten seien. Tertiäre Ausbildung, also Ausbildung nach der Matura, werde umso wichtiger, je näher sich ein Land an der Spitze der produktivsten Länder befinde. Diejenigen Länder, die sich dem höchsten technologischen Standard angenähert hätten, könnten ihre Wettbewerbsposition nur halten oder ausbauen, wenn sie in erster Linie in Spitzenforschung und somit auch vorrangig in die Verbesserung der tertiären Ausbildung investieren würden.

In Bildung investieren
Innovationsbasiertes Wachstum benötige daher insgesamt ein höheres Qualifikationsniveau. Daher müsse klar sein, dass die Herausforderung für ein Land wie Österreich vor allem auch darin bestünde, dass man, wenn man an der Spitze der Technologieentwicklung stehen wolle, in Spitzenleistungen und daher in das tertiäre Bildungssystem investieren müsse.

Grundsätzlicher Wandel
Gusenbauer: „Daher geht es in Österreich heute um einen grundsätzlichen Wandel, nämlich um den Wandel von einem Aufhol- hin zu einem Innovationsregime.“ Österreich habe über Jahrzehnte damit bestanden, dass es mit geringeren Lohnkosten ebenso gut oder besser produzieren konnte als jene Länder, in denen die technologischen Innovationen stattgefunden haben. „Mit diesem Weg haben wir es auf Platz vier der Europäischen Union hinsichtlich unserer wirtschaftlichen Reichtumsproduktion gebracht.“
Die Fortsetzung des bisherigen Weges würde jedoch in Zukunft zum Abstieg führen. Wir müssen uns im Klaren sein, dass Österreich nicht mehr nur ein Technologieanwender, sondern ein Technologieentwickler sein müsse. Daher gehe es darum, eine Veränderung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft nach den Prinzipien der Innovation durchzuführen, „denn nur dann werden wir imstande sein, diese relativ gute Position in der internationalen Arbeitsteilung zu halten“.
Es müsse jedem klar sein, dass dieser grundsätzliche Wandel vom Aufhol- hin zu einem Innovationsregime nicht automatisch vor sich gehe. Daher sei es wichtig, in diesem Zusammenhang die Prioritäten richtig zu setzen. Die Förderung der Spitzenforschung sowie der Forschung und Entwicklung im Allgemeinen habe für den Bundeskanzler daher oberste Priorität. Forschungs- und Bildungspolitik müsse aber, wenn sie erfolgreich sein wolle, auch im Sinne von Aufklärung und Demokratie beides berücksichtigen, Spitze und Breite.

Keine Investitionsverweigerung bei Bildung
Bundeskanzler Gusenbauer wies in seiner Rede auf die diversen Maßnahmen der Bundesregierung im Rahmen der Bildungspolitik hin und wies darauf hin, dass Chancengleichheit, die Aufhebung sozialer Barrieren beim Zugang zur Bildung sowie die individuelle Förderung jedes Einzelnen die individuelle Leistungsfähigkeit optimieren und unabdingbar für den wirtschaftlichen Erfolg seien. „Und ich mache an dieser Stelle kein Hehl daraus, dass ich die frühe Selektion und das Verteilen von Kindern auf verschiedene Bildungswege nicht nur für sozial ungerecht, sondern auch für nicht leistungsgerecht und wirtschaftstauglich halte“, so der Kanzler. Er trat für eine stärkere Durchlässigkeit der Schul- und Bildungssysteme durch den Abbau bestehender Barrieren ein. „Wir versuchen, einige Beiträge dazu durch die genannten Reformen zu leisten. Aber es wäre durchaus sinnvoll, wenn die Diskussion um die Staatsreform da und dort auch einen Beitrag leisten würde, bestehende Hindernisse abzubauen.“ Bildung sowie die Art und Weise, wie Bildungsinstitutionen in der Wirtschaft vernetzt sind, spielen als Standortfaktoren eine immer entscheidendere Rolle. Es müsse klar sein, dass Nichtausgaben in der Bildung Investitionsverweigerung sind, und zwar nicht nur mit dramatischen ökonomischen, sondern auch mit dramatischen sozialen Folgen. Jeder Euro, der heute nicht in Bildung investiert werde, werde nicht gespart, sondern müsse in wenigen Jahren als Sozialtransfer bezahlt werden.

Höhere Bildungseinrichtungen für Städte
Österreichs Städte müssen dafür möglichst eine Universität, Hochschule, Fachhochschule oder höhere Bildungseinrichtungen haben. Diese Bildungseinrichtungen würden neben der Ausstattung des primären und sekundären Bildungsbereichs ganz wesentlich die Wettbewerbsfähigkeit jeder einzelnen Stadt und auch des Landes bestimmen. Der Bundeskanzler abschließend: „Wenn Sie heute rund um die Welt schauen und sich die wirklich erfolgreichen Großstädte ansehen, dann werden Sie feststellen, dass das wissensbasierte Städte mit vielen Universitäten und hoher Intelligenz im künstlerischen Bereich und im Medienbereich sind. Diese Städte funktionieren fast nur mehr auf Basis hochqualifizierter Dienstleistungen. Dieser Strukturwandel liegt vor uns, und ich kann daher nur dringend appellieren, dass wir den Weg Österreichs von einem Anwenderland hin zu einem Erfinderland, weg von einem Aufholregime und hin zu einem Innovationsregime, gemeinsam ge¬hen. Diesen Weg müssen die innovativen Städte gemeinsam mit der österreichischen Bundesregierung gehen!“

OEGZ

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