Wie Sprache Kultur prägt – Wording in der öffentlichen Verwaltung

Wie Sprache Kultur prägt – Wording in der öffentlichen Verwaltung

Sprache ist etwas sehr Persönliches, da wir mit ihr einen Teil von uns selbst preisgeben. Ist es möglich, eine einheitliche Unter¬nehmens¬sprache zu entwickeln, und macht dies für die öffentliche Verwaltung Sinn?

 

Der Begriff der „Corporate Identity“ ist in Theorie und Praxis der Kommunikation bereits seit langem präsent. Für die Schaffung eines einheitlichen Unternehmensauftrittes kommen einem vorrangig der Firmenname, das Logo oder die Öffentlichkeitsarbeit in den Sinn.
Die Unternehmenssprache wurde dabei bis Mitte der 90er-Jahre weitgehend vernachlässigt. Neben Bildern bedienen wir uns jedoch in erster Linie unserer Sprache als wichtigstes Kommunikationsinstrument.
Eine gelungene Website, informative Broschüren und aktuelle Newsletter sind nur einige der Möglichkeiten, den einheitlichen Auftritt einer Organisation nach außen zu gestalten. Egal ob wir persönlich miteinander reden, Berichte und E-Mails verfassen oder telefonieren – die ausgedrückte Sprache ist DAS entscheidende Handwerkszeug, um eine wertschätzende und serviceorientierte Arbeitsumgebung zu schaffen. Nicht zuletzt ist sie auch ein Spiegel der in der Organisation vorherrschenden Haltung gegenüber Ihren GesprächspartnerInnen.

Einordnung und Entstehung des Wording
Corporate Communications stellen einen Teilbereich des Corporate-Identity-Mix neben dem Corporate Design und dem Corporate Behaviour dar. Durch das kombinierte und integrierte Wirksamwerden dieser drei Bereiche soll die Identität des Unternehmens intern und extern konsistent vermittelt und damit ein gewünschtes Image im Sinne der Zielsetzungen der Gesamtorganisation aufgebaut und erhalten werden.
Wording als wichtiger Teilbereich der Corporate Communications soll den MitarbeiterInnen einer Organisation als Grundlage für einen einheitlichen sprachlichen Auftritt nach innen und außen dienen. Die grundlegende Idee des „Wording“ ist es, darauf aufmerksam zu machen, dass MitarbeiterInnen in großen Organisationen häufig einen unterschiedlichen Wortschatz und Formulierungsstil verwenden. Sowohl im geschriebenen Wort beim Brief- oder E-Mail-Verkehr als auch im gesprochenen Wort am Telefon oder im persönlichen Gespräch werden so unterschiedliche Profile kommuniziert.

Das bringt Wording
Wording sichert bei konsequenter Anwendung
- Offenheit, Nähe und Dienstleistung der Organisation gegenüber ihren KundInnen,
- Orientierung und Motivation für die MitarbeiterInnen sowie
- Verständlichkeit und dadurch effiziente Kommunikation.
Der Prozess zur Entwicklung und Implementierung einer einheitlichen Unternehmenssprache hat somit einen ganz entscheidenden kulturprägenden Charakter, der die gesamte Organisation betrifft. Dementsprechend müssen die Inhalte auch an konkreten Beispielen gemeinsam mit den MitarbeiterInnen erarbeitet werden.

Wording in der öffentlichen Verwaltung
In der Privatwirtschaft hat sich ja bereits seit langem der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt vollzogen. Unternehmen richten sich dienstleistungsorientiert an ihre Zielgruppen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Die Vermittlung eines einheitlichen kundInnen- und serviceorientierten Bildes wird dabei häufig als wichtiger Faktor für die Kaufentscheidung angegeben.
Wo liegen dabei nun die Parallelen zur öffentlichen Verwaltung? Gemeinden, Städte und Ämter streben in der Regel keine betriebswirtschaftlichen Geschäftserfolge im herkömmlichen Sinne an. Doch auch im öffentlichen Bereich haben sich der Organisationsauftritt und der KundInnenbegriff in den letzten Jahrzehnten deutlich geändert. Mehr denn je wird in der öffentlichen Verwaltung darauf geachtet, die Zufriedenheit der BürgerInnen zu steigern und als moderner und serviceorientierter Dienstleister wahrgenommen zu werden. Vorbei sind die Zeiten, als sich die BürgerInnen beim Ämterweg höchstens als „Bittsteller“ gefühlt haben und vom Dienst am „Kunden“ bzw. der „Kundin“ noch keine Rede war.

Sprache prägt Kultur und Image
Die öffentliche Verwaltung ist für eine Vielzahl an Aufgaben und Dienstleistungen für die BürgerInnen verantwortlich, die zumeist im schriftlichen, telefonischen oder persönlichen Kontakt erbracht und abgewickelt werden. Die Agenden und Palette der Anforderungen seitens der KundInnen ist nahezu unüberschaubar groß und reicht von der Ausstellung eines Passes über Nutzungsgenehmigungen für Flächen bis hin zur Parkraumbewirtschaftung. Obwohl oder gerade weil eine Vielzahl dieser Leistungen eher zwangsweise von den KundInnen „konsumiert“ werden müssen, ist dabei auf eine entsprechende Qualität und Transparenz der Dienstleistungen bzw. Entscheidungen zu achten.
In diesem Zusammenhang nimmt die im KundInnenkontakt verwendete Sprache eine identitäts- und imagestiftende Funktion ein. „Wording ist eine Hilfestellung bei der Kommunikation im täglichen Arbeitsalltag, sowohl intern gegenüber MitarbeiterInnen und KollegInnen als auch extern gegenüber den KundInnen der Organisation. Es ist kein Korsett, das einengt, sondern vielmehr ein Leitfaden, an dem sich sämtliche MitarbeiterInnen orientieren können“, erläutern Susanne Delle Karth und Alexander Raffeiner von SVWP Kommunikations¬management, die unter anderem den Wording-Prozess der Stadt Wien begleitet haben.
Die aktive Auseinandersetzung mit Sprache schärft und steigert das Bewusstsein, sämtlichen Anspruchsgruppen der Organisation Wertschätzung und Serviceorientierung zum Ausdruck zu bringen. In der öffentlichen Verwaltung heißt dies, dass KundInnen bei Fragen und Anliegen entsprechende Auskünfte bei den jeweiligen AnsprechpartnerInnen bekommen bzw. Dokumente und Anträge von vornherein in verständlicher Sprache formuliert und in kundInnenorientiertem Layout gestaltet sind. Letztendlich trägt diese Haltung der MitarbeiterInnen in der öffentlichen Verwaltung entscheidend zur Attraktivität einer Kommune bei und wirkt dadurch stark imagefördernd (Abbildung 2).

Warum verständlich formulieren?
Wording hat somit neben der Funktion zur Förderung des Bewusstseins für einen konsistenten Organisationsauftritt durch eine einheitliche Sprache noch eine zweite zentrale Aufgabe: Die Verbesserung der Verständlichkeit durch das „Entstauben“ des teilweise in der Verwaltungssprache verwendeten „Amtsdeutsch“.
Man könnte sich die Frage stellen, ob die KundInnen und LeserInnen nicht selbst schuld sind, wenn sie einen Text nicht verstehen. Liegt es nicht an ihnen, sich das nötige Fachwissen zu erwerben, ihre Lesegeschwindigkeit zu senken, sich den Text zu markieren und Notizen zu machen? Insbesondere für Amtsschreiben, die zumeist an fachfremde Personen adressiert sind, ist jedoch die Berücksichtigung von deren sprachlichen und fachlichen Voraussetzungen sehr wichtig. Verständliches Schreiben ist besonders dann angebracht, wenn die AdressatInnen bezüglich des Themas ein erhebliches Wissensdefizit aufweisen oder wenn die LeserInnen im sprachlichen Umgang wenig geübt sind.

Wie spricht Wien?
Der mehrjährige Prozess „Wien spricht anders“ verfolgt seit 2003 das Ziel, den sprachlichen Auftritt der Stadt Wien auf seine Serviceorientierung und KundInnenfreundlichkeit hin zu reflektieren und zu überarbeiten.
Das Projekt wurde im Jahr 2005 für den Österreichischen Staatspreis für Public Relations nominiert. In der kommenden Ausgabe der ÖGZ werden der Prozess und die gewählte Vorgehensweise im Detail vorgestellt. Ein ausführlicher Erfahrungsbericht und Stellungnahmen der Beteiligten geben einen Einblick auf dem Weg der Stadt Wien „Vom Amt zum Dienstleister“:
- Was sind die zentralen Zielsetzungen des Projektes?
- Welche Vorgehensweise wurde gewählt und in welcher Form wurden die MitarbeiterInnen eingebunden?
- Was sind die zentralen Herausforderungen und Hürden bei der Implementierung?
- Was sind der Nutzen und die zentralen Ergebnisse?

OEGZ

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