Mit Energieeffizienz ein Kraftwerk einsparen Mit EU-Projekt „EffCoBuild“ auf Einsparungen und Ökostrom setzen

Mit Energieeffizienz ein Kraftwerk einsparen Mit EU-Projekt „EffCoBuild“ auf Einsparungen und Ökostrom setzen

Das beste Kraftwerk ist kein Kraftwerk. So könnte man die Ergebnisse des in einer Salzburger Gemeinde realisierten EU-Projekts „EffCoBuild“1 am besten zusammenfassen. Mit einem gut geschnürten Maßnahmenpaket mit Einbindung der Bevölkerung werden bis zum Jahr 2017 jährlich mehr als 5.900 MWh eingespart – was der Leistung eines kleinen konventionellen Kraftwerks entspricht.

Binnen 10 Jahren wird die Salzburger e5-Gemeinde2 Thalgau die Energieversorgung zu 100% auf erneuerbare Energieträger umstellen und den CO2-Ausstoß um 657 Tonnen verringern. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung erfolgte Anfang 2008: Thalgau wurde die erste Ökostrombörse-Gemeinde Salzburgs und bezieht damit seinen gesamten Stromverbrauch aus nachgewiesen erneuerbaren Quellen.

Energieleitbild als Startschuss
„Bei der letzten Wahl war schon klar, dass wir im Bereich Energie noch viel zu tun haben“, erzählt Bürgermeister Martin Greisberger, Bürgermeister der 5.200-EinwohnerInnen-Gemeinde über die Hintergründe der Initiative. 2005 beschloss der Gemeinderat, dem e5-Programm (finanziert vom Land Salzburg) beizutreten. Außerdem sollte ein Energieleitbild erstellt werden. Mit dieser Aufgabe wurden die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) und das Salzburger Institut für Raumordnung (SIR) betraut. „Das ging nur gemeinsam mit allen Fraktionen, eine breite Basis der Zusammenarbeit war von Anfang an das Ziel“, weist Greisberger auf ein wesentliches Erfolgskriterium der Zusammenarbeit hin. Eine Ist-Analyse der Anlagen der gemeindeeigenen Gebäude machte erste Ansatzpunkte für Einsparungen sichtbar, beispielsweise eine veraltete Regelungstechnik bei Heizkesseln, die den Verbrauch in die Höhe trieb.
Nach einer umfassenden Analyse des bisherigen Verbrauchs und künftigen Bedarfs wurden folgende Ziele für die Jahre 2005 bis 2015 im Energieleitbild festgelegt:
- Reduktion des Energieeinsatzes um 20%
- Deckung des Energiebedarfs im Bereich Strom- und Wärmeversorgung in der Gemeinde zu 100% durch erneuerbare Energieträger
- Nutzung bestehender Möglichkeiten zur Eigenversorgung mit erneuerbarer Energie

EU-Projekt „EffCoBuild“ mit Partnern in vier Ländern
Im Zuge der Umsetzung des Energieleitbildes entschloss sich die Gemeinde Thalgau 2006 ihr Wissen mit anderen Gemeinden auszutauschen und am Projekt „EffCoBuild“ ,teilzunehmen. Im Rahmen des Programms „Intelligent Energy Europe“ unterstützte die Europäische Kommission (gemeinsam mit dem BMWA) vier Gemeinden aus vier EU-Mitgliedsstaaten bei ihrem Vorhaben, das Einsparpotenzial in der jeweiligen Kommune sichtbar zu machen und energieeffiziente Maßnahmen zu entwickeln. Partnergemeinden des zweieinhalb Jahre dauernden EU-Projekts waren Eggesin in Deutschland, Jesenice in Slowenien, Sal’a in der Slowakei und Thalgau in Österreich. Als beratende Institutionen fungierten die ÖGUT, das SIR, die Berliner Energieagentur (BEA), das Bauinstitut ZRMK (SLO) und die Regionale Energieagentur (SK). Die Ergebnisse dieses Projekts sollen anderen Kommunen bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen dienen.

Von der Energieanalyse zu Best-practice-Beispielen
Am Beginn der Aktivitäten im Rahmen von EffCoBuild stand die Analyse der wirtschaftlichen, rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen, die mögliche Barrieren für Energieeinsparungen aufzeigte. In einem nächsten Schritt erhob das Projektteam die Energiedaten in Gemeindeobjekten, Haushalten und Betrieben und ermittelte daraus die Energiesparpotenziale. In Thalgau zeigte sich ein für eine e5-Gemeinde relativ hoher Verbrauch in der Höhe von 140 kWh/m2a. Eine Reduktion auf rund die Hälfte ist allein durch Sanierungsmaßnahmen möglich. Innerhalb von 10 Jahren sollen deshalb 300 private Gebäude renoviert werden, mit einem Impulsprogramm wird die Bevölkerung dazu motiviert. Zusammen mit der Erneuerung der gemeindeeigenen Gebäude und Anlagen ergibt das ein Einsparpotenzial von 5.925 MWh jährlich. Diese Maßnahmen wirken sich auch positiv auf den CO2-Ausstoß aus: Die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energieträger wird die Emissionen um 657 Tonnen im Jahr 2017 verringern.

Reduktion des gemeindeeigenen Energieverbrauchs
Gemeinsam mit den beratenden Institutionen entwickelten die Gemeinden ein vielfältiges Maßnahmenkonzept. Die Gemeinde führte ein monatliches Energie-Controlling ein, um die Umsetzung der Vorhaben kümmert sich ein eigener Energiebeauftragter. Die ersten Sanierungsmaßnahmen wurden bereits erfolgreich abgeschlossen. So konnte in der Polytechnischen Schule eine Energieeinsparung von 60% (von 161 kWh/m2a auf 65 kWh/m2a) erreicht werden. Derzeit laufen die Sanierungsarbeiten am Sonderpädagogischen Zentrum. „Alles auf einmal geht natürlich nicht, das ist eine Kostenfrage, aber Schritt für Schritt schaffen wir es“, betont Bürgermeister Greisberger zuversichtlich.
Neben Aktivitäten bei gemeindeeigenen Einrichtungen war die Einbeziehung der Bevölkerung ein wichtiges Projektziel. „Was nicht einfach war“, wie Martin Greisberger betont. Die große Beteiligung habe es noch nicht gegeben, aber „es werde mehr zum Thema aufgrund der steigenden Energiepreise“. Die Gemeinde Thalgau bietet privaten Haushalten einmal im Monat eine kostenlose Energieberatung für ihr Eigenheim an. Rund 50 Haushalte haben dieses Angebot genützt, was deutlich über dem Durchschnitt der nachgefragten Energieberatungen liegt, wie das SIR unterstrich, das eine Energiesparkampagne durchführte. Eine weitere Aktion sind Thermografieaufnahmen von Gebäuden, durch die Wärmeverluste im Haus sichtbar gemacht werden. Bei einem Energie-Infoabend erfuhr die Bevölkerung prak¬tische Tipps über Energieeffizienzmaßnahmen.

Energiecontracting in Kombination mit Ökostrom als Pilotprojekt
Im Rahmen von EffCoBuild führte die Gemeinde Thalgau ein europaweit einmaliges Pilotprojekt durch. Ziel war es, über ein Contracting-Projekt die Optimierung der Energieversorgung aller 13 Gemeindegebäude und -anlagen inklusive der Straßenbeleuchtung in Thalgau durchzuführen und gleichzeitig einen Umstieg auf Ökostrom vorzunehmen. Dafür wurde eine Ausschreibung durchgeführt. Mit dem aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht (Ökostromanteil, CO2-Einsparungen) bewerteten Bestbieter sollten Verhandlungen aufgenommen werden. Im Verlauf des Vergabeverfahrens stellte sich jedoch heraus, dass es für die Contractoren schwierig war, ein Angebot zu legen, welches die Komponenten des klassischen Einspar-Contracting gekoppelt mit der Lieferung von Ökostrom beinhaltet. Der Grund: Die Gebäude der Gemeinde Thalgau befanden sich in einem relativ guten energetischen Zustand, weshalb das Einsparpotenzial nicht sehr groß war. Deshalb entschloss sich die Gemeinde, die Effizienzmaßnahmen selbst durchzuführen. Den Zuschlag für die Stromversorgung erhielt der Verein Ökostrombörse Salzburg zusammen mit der Salzburg AG. Hier kam es zu einer besonderen Vereinbarung: Die Gemeinde bezieht den Strom nun von der Salzburg AG und leistet damit einen zusätzlichen Förderbeitrag an die Ökostrombörse. Im Gegenzug unterstützt der Verein die Errichtung von privaten Ökostromanlagen in der Gemeinde. Dadurch erhöht sich die Erzeugung von erneuerbarem Strom im Gemeindegebiet. Im Rahmen der Ökostrombörse-Kooperation wurde beispielsweise auf dem Dach der Hauptschule 2007 eine Solarfläche installiert.
Aufgrund der Erfahrungen in Thalgau schlagen die beratenden Institutionen für künftige Projekte ein abgeändertes Verfahren vor. „Um die vergaberechtliche Situation zu vereinfachen, wurde ein neues Modell – Effizienz-Contracting – angedacht, welches durch einen stufenartigen Aufbau auch zum verbesserten Vertrauensverhältnis zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber führen kann“, erklärt Michael Kolpek, Energieexperte in der ÖGUT. Dabei soll einem Beratungsunternehmen die Aufgabe übertragen werden, in der ersten Phase die Wartung und Überprüfung der Anlagen zu übernehmen. In der zweiten Phase soll dann ein eigener Vertrag über Einspar-Contracting geschlossen werden. „Da der Contractor die Anlagen nach der ersten Phase bereits energieeffizient optimiert hat, kennt er so die Einsparmöglichkeiten am besten“, betont Kolpek die Vorteile dieses neuen Modells.

Umstellung auf erneuerbare Energien
Der Bezug von Ökostrom war ein grundlegender Schritt in Richtung 100% Energieversorgung durch erneuerbare Energie. Die Gemeinde Thalgau besitzt selbst ein hohes Potenzial an erneuerbaren Energieträgern, das bislang mit Ausnahme einzelner Wasserkraftwerke kaum genutzt wurde. Die Nutzung lokaler Energieträger wurde deshalb als Chance für die regionale Wirtschaft und Landwirtschaft erkannt: 2005 wurde ein Nahwärmenetz auf Basis von Biomasse errichtet, das bisher 165 Haushalte in Thalgau versorgt.

Mehr Gemeinden motivieren
„Es ist einfach wichtig, dass man solche Projekte startet und andere Gemeinden dazu bringt, auch was zu tun“, zeigt sich Greisberger entschlossen nach dem offiziellen Abschluss von EffCoBuild im Juni 2008. Eine im Rahmen des Projektes erstellte Broschüre mit zehn Best-practice-Beispielen von Energieeffizienzmaßnahmen soll anderen Gemeinden Mut machen, ebenfalls Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in Angriff zu nehmen. Denn allein die Einsparungen in Thalgau machen die Stromerzeugung eines mittleren Kraftwerks hinfällig. Bei den vier Partnergemeinden mit einer Bevölkerung von mehr als 57.000 Personen ergab sich ein Einsparpotenzial von mehr als 92 GWh/a. Würde man diese Energiemenge hochrechnen auf die Gesamtbevölkerung der am Projekt beteiligten Länder (mehr als 97 Millionen), ergäbe sich eine Energieeinsparung, die nahezu der gesamten Erzeugung aller deutschen Kernkraftwerke (156.000 GWh/a) gleichkommt.
Die Gemeinde Thalgau hat jedenfalls noch viel vor. Wasser, Wind, Sonne und Biomasse sollen intensiv genützt werden, um den Anteil an erneuerbarer Energie bis 2015 auf 100 % zu steigern. Darüber hinaus sollen im Bereich Mobilität und Aktivierung von Gewerbebetrieben zusätzliche Akzente gesetzt werden.


1 Energy Efficiency Communities – Etablierung von Pilot-Gemeinden im Gebäudesektor
2 In einer e5-Gemeinde wird durch die Teilnahme am e5-Programm ein kontinuierlicher Prozess mit dem Ziel des effizienten und sinnvollen Umgangs mit Energie in Gang gesetzt.

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