Der Energieausweis für Gebäude: Erfahrungen und Ausblicke

Der Energieausweis für Gebäude: Erfahrungen und Ausblicke

Energiefresser oder sparsame Immobilie? – Zuverlässige Informationen über den Energieverbrauch eines Gebäudes waren bisher erst mit der ersten Heizkostenabrechnung zu bekommen. Der Energieausweis für Gebäude soll jetzt Abhilfe schaffen. Die EU-Richtlinie 2002/91/EG, die sogenannte „Gebäuderichtlinie“ vom 16. Dezember 2002, verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass bei Vermietung oder Verkauf dem potenziellen Mieter oder Käufer ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes vorgelegt wird. Damit wird es möglich, den Faktor „Energie“ bei der Kauf- bzw. Mietentscheidung zu berücksichtigen.

 

Vom Energieausweis zum Ausweis für nachhaltige Gebäude
Die energetische Qualität eines Gebäudes allein ist noch keine Garantie für ein „nachhaltiges“ Gebäude. Zahlreiche weitere Anforderungen, z. B. die ökologische Qualität, spielen eine wichtige Rolle. Dafür werden von der Europäischen Normungsorganisation CEN Methoden entwickelt, die eine Bilanzierung von Gebäuden nicht nur unter energetischen, sondern auch unter ökologischen Aspekten ermöglichen. Die Bewertung bezieht sich hierbei auf den gesamten Lebenszyklus der Immobilie. In Österreich existieren bereits mehrere solcher Bewertungssysteme, die sich durch die angesprochenen Gebäudenutzungsarten und den Grad der Verbindlichkeit unterscheiden, z. B. der klima:aktiv-Gebäudestandard, der IBO-Ökopass und die TQB-Gebäudezertifizierung. Die Bewertung erfolgt derzeit auf freiwilliger Basis. Allen Systemen ist gemeinsam, dass sie den Energieausweis enthalten und darüber hinaus zusätzliche nachhaltigkeitsrelevante Informationen ausweisen.

Energieausweis rechtlich verankert
Die EU-Gebäuderichtlinie wurde in Österreich sowohl auf nationaler als auch auf Bundesländerebene implementiert. Auf nationaler Ebene regelt das sogenannte Energieausweisvorlagegesetz (EAVG) die Pflicht des Verkäufers oder Vermieters, beim Verkauf, der Vermietung oder Verpachtung von Gebäuden dem Käufer oder Mieter einen Energieausweis vorzulegen.1 Die Berechnungsgrundlagen für den Energieausweis und die Qualifikationen der Personen, die den Energieausweis ausstellen dürfen, werden auf Bundesländerebene geregelt. Die Anforderungen dafür wurden in die entsprechenden Bauordnungen der Länder implementiert. Der Energieausweis darf bei Vorlage höchstens 10 Jahre alt sein. Wird das Gebäude während dieser Zeit modernisiert, empfiehlt sich die Neuausstellung des Energieausweises. So können Eigentümer die bessere Gebäudequalität dokumentieren. Bessere Gebäudequalitäten sind vorhanden, wenn die wärmeübertragenden Umfassungsflächen, also z. B. Außenwände, Dach, Fenster und Kellerdecke, gute wärmedämmende Eigenschaften, also einen niedrigen U-Wert, haben. Die Heizungsanlage sollte einen möglichst hohen Wirkungsgrad ausweisen.

Wer braucht einen Energieausweis
Der Energieausweis muss potenziellen Käufern oder Mietern beim Verkauf oder der Vermietung von Wohnungen oder Häusern – spätestens bei Vertragsabschluss – vorgelegt werden. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch für Nichtwohngebäude (z. B. öffentliche Gebäude, Krankenhäuser, Bürogebäude, Hotels und Gaststätten). Gebäude mit über 1.000 m2 Gesamtnutzfläche, die für eine große Anzahl von Menschen öffentliche Dienstleistungen erbringen und daher häufig aufgesucht werden, müssen den Energieausweis sogar an einer gut sichtbaren Stelle im Gebäude anbringen.2
Die Vorlage eines Energieausweises gilt für Neubauten bereits seit Jänner 2008. Für bestehende Gebäude, die vor dem 1. Jänner 2006 errichtet wurden, wird der Energieausweis ab Jänner 2009 Pflicht. Der Energieausweis kann sowohl für das gesamte Gebäude als auch für einzelne Wohnungen oder andere Nutzungseinheiten erstellt werden.

Wer darf den Energieausweis ausstellen
Die Regelungen, wer Energieausweise ausstellen darf, erfolgt auf Bundesländerebene. In den meisten Bundesländern sind dies die hierzu befugten Personen, z. B. Architekten, Ziviltechniker und Gewerbetreibende aus der Bau- und Heizungsbranche. In einigen Bundesländern werden von der Wirtschaftskammer Listen von befugten Energieberatern erstellt. Die Kosten für die Erstellung des Energieausweises sind vom Eigentümer zu tragen. Ein Verzeichnis von Ausstellern steht unter www.energieausweise.net zur Verfügung.

Energieeffizienzlabel ist Kernstück des Energieausweises
Der Energieausweis muss den inhaltlichen Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie entsprechen. Er muss unter anderem Referenzwerte wie gültige Rechtsnormen und Vergleichswerte, aber auch Empfehlungen für die Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz enthalten.3 Die Energieeffizienz bildet bei Nichtwohngebäuden die Qualität der Gebäudehülle, der Heizungsanlage, der Lüftung, der Beleuchtung und der Warmwasserbereitung ab. Bei Wohngebäuden wird auf die Darstellung der Energieeffizienz von Lüftung und Beleuchtung verzichtet.
Die Darstellung der Energieeffizienz erfolgt durch Zuordnung zur jeweiligen Energieeffizienzklasse. Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes Treppenlabel, das, wie auch bei Kühlschränken und anderen Elektrogeräten, die möglichen Energieeffizienzklassen des Gebäudes farbig und in kWh/m2a darstellt. Durch die farbige Einteilung der Klassen A++ bis G in kWh/m2a ist auch für Laien sofort erkennbar, ob sich der zu erwartende Energiebedarf des Gebäudes im „grünen“ oder bereits im „roten“ Bereich des Labels befindet. Diese Form der Darstellung ist gegenüber einer Kostenaufstellung eine enor¬me Vereinfachung für den Nutzer der Immobilie.

Was kostet der Energieausweis
Nach bisherigen Erfahrungen liegen die Kosten für die Ausstellung eines Energieausweises für ein Einfamilienhaus zwischen 300 und 600 Euro. Die Kosten liegen also bei ca. 1 Euro/m2 Wohnfläche. Die Preise richten sich nach dem Umfang der Datenaufnahme vor Ort, nach der Größe und Komplexität des Gebäudes. Ebenfalls ausschlaggebend ist der Umfang der Daten, die zur Erstellung des Energieausweises erhoben werden müssen.
So kann eine Außenwand z. B. anhand ihres Baujahres mit einem pauschalen U-Wert angenommen werden, andererseits kann der U-Wert aber auch aus den einzelnen Schichten der Fassade (Innenputz, Mauerwerk, Außenputz) rechnerisch ermittelt werden. Der U-Wert gibt die Wärmedämmqualität der Fassade wieder. An ihm misst sich auch die Qualität der an¬deren wärmeübertragenden Umfassungsflächen, z. B. Dach, Kellerdecke und Fenster. Die Kosten für die Erstellung des Energieausweises sind vom Eigentümer zu tragen.

Qualitätssicherung zum Energieausweis
Um die Qualität des Energieausweises sicherzustellen, gibt es derzeit Überlegungen einer Zertifizierung der Softwareprogramme, mit denen der Energieausweis berechnet werden kann. Auch eine Qualitätssicherung der Energieausweis-Aussteller ist geplant. Die Befähigung zur Ausstellung des Energieausweises wird von den jeweiligen Berufsverbänden erteilt.

Erwartungen an den Energieausweis
Eines der Hauptziele des Energieausweises ist die Steigerung der Energieeffizienz zur Erhöhung der Energieversorgungssicherheit und zur Erreichung der gemäß Kyoto-Protokoll vereinbarten CO2-Reduktionsziele.4 Der Energieausweis soll das Bewusstsein der KonsumentInnen für den Energieverbrauch und somit für den Wert ihrer Immobilie wecken. Es wird damit gerechnet, dass sich hohe Betriebskosten der Immobilie negativ auf den Kaufpreis auswirken. Somit sind jene Hausbesitzer im Vorteil, die für ihre Immobilie geringe Energiekosten und damit niedrige Bewirtschaftungskosten nachweisen können.

Erwartungen aus Sicht der ImmobilienbewerterInnen
Die Bewirtschaftungskosten für eine Immobilie, also auch die Energiekosten, spielen beim Kauf und bei der Miete bei InteressentInnen eine immer größere Rolle. Bei der Wertermittlung von Immobilien wird bisher das Baujahr für die Bewertung des energetischen Zustands berücksichtigt. Das bedeutet, dass einem Gebäude derjenige energetische Zustand zugeordnet wird, dem es gemäß seines Baujahres entspricht. Bei älteren Gebäuden, die nicht dem heutigen, hochwertigen energetischen Zustand entsprechen, kommt es dadurch zu einer Verkürzung der Restnutzungsdauer, also der Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes. Das verringert den monetären Wert der Immobilie. Bereits durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen werden bei der Wertermittlung jedoch auch berücksichtigt. Durch das Modernisieren des Gebäudes erhöht sich die Restnutzungsdauer, was zu einem höheren monetären Wert der Immobilie führt als eine Bewertung, die als Basis ausschließlich das Ursprungsbaujahr des Gebäudes zugrunde legt. Die energetische Qualität des Gebäudes wurde also auch bisher von den ImmobilienbewerterInnen berücksichtigt.
Durch den Energieausweis wird die Transparenz hinsichtlich der energetischen Qualität des jeweiligen Objekts erhöht. Auch die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz tragen da¬zu bei, dass sich potenzielle Käufer und Mie¬ter eher ein Bild von den zu erwartenden Energiekosten machen können als bisher. Diese Priorisierung der energetischen Qualität wird durch die Tatsache unterstrichen, dass der Energieausweis ein gesetzlich vorgeschriebenes Instrument ist. Nicht zuletzt dadurch wird er bei der Immobilienbewertung zukünftig einen hohen Stellenwert einnehmen.

Erwartungen aus Sicht der Investoren
Auch im Bereich der Nichtwohngebäude wird der Energieausweis ein wichtiges Werkzeug zur Beurteilung der Energieeffizienz von Gebäuden werden. Nicht nur die gesetzliche Verpflichtung, sondern auch das am Markt vorhandene Angebot an Immobilien wird die Energieeffizienzklasse des Gebäudes künftig in den Fokus von Nutzern rücken. Immobilieneigentümer, die ihrer Immobilie durch den Energieausweis eine bessere Energieeffizienzklasse zuweisen können, werden hier wohl einen deutlichen Marktvorteil verspüren. Problematisch ist derzeit noch die Tatsache, dass die Investitionen für eine Modernisierung vom Eigentümer getragen werden müssen, die Vorteile niedrigerer Energiekosten jedoch dem Mieter zugute kommen (Investor-Nutzer-Konflikt). Langfristig hat der Vermieter jedoch den Vorteil einer grundsätzlich besseren Vermietbarkeit seiner Immobilie im Gegensatz zu nicht sanierten Gebäuden, deren Vermietung mit den derzeit steigenden Energiekosten immer schwieriger wird.

Aktuelle Forschungsprojekte zum Thema Energieausweis
Die Österreichische Energieagentur arbeitet derzeit am Forschungsprojekt neue Immo-Standards zur nachhaltigen Immobilienbewertung unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem Energieausweis. Hierzu werden anhand von Pilotprojekten Energieausweise ausgestellt, deren Ergebnis dann in die Wertermittlung des jeweiligen Gebäudes einfließt. Zu den Pilotprojekten zählen sowohl Ein- und Mehrfamilienhäuser als auch Bürogebäude.
Im Forschungsprojekt EPI-Crem (Energy Performance Integration in Corporate Public Real Estate Management) geht es um die Nutzung der Energiekennzahlen aus dem Energieausweis zur Implementierung in ein Tool zur nachhaltigen Gebäudebewirtschaftung. Im Projekt Harmonac (Harmonizing Air Conditioning Inspection and Audit Procedures in the Tertiary Building Sector) werden europaweit Strukturen und Informationen über die Inspektionen von Klimaanlagen aufbereitet und analysiert, um sinnvolle Inspektionsintervalle und Analysetiefen zu erarbeiten.
Weitere Informationen zum Energieausweis erhalten Sie bei den Energieberatungsstellen der Länder.

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