EU-Dienstleistungsrichtlinie: Eine Herausforderung für die österreichischen Städte

EU-Dienstleistungsrichtlinie: Eine Herausforderung für die österreichischen Städte

Unter österreichischem Vorsitz wurde beim Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ am 29. Mai 2006 die Einigung über die Dienstleistungsrichtlinie erzielt. Diese ist unter der Zahl RL 2006/123/EG im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 376 vom 27. Dezember 2006 veröffentlicht und daraufhin am folgenden Tag in Kraft getreten. Die Richtlinie ist bis Ende 2009 in innerstaatliches Recht umzusetzen.

 

Die Vollendung des Binnenmarktes für Dienstleistungen ist ein wesentlicher Baustein und Beitrag für mehr Wachstum und Beschäftigung in der Europäischen Union. Gegenwärtig hindert noch eine große Anzahl von Beschränkungen Dienstleistungserbringer daran, grenzüberschreitend tätig zu werden. Es hat sich gezeigt, dass diese Beschränkungen nicht allein durch die direkte Anwendung der Art. 43 und 49 des EG-V beseitigt werden können.
Ziel der Dienstleistungsrichtlinie ist es, die Fragmentierung der Dienstleistungsmärkte aufzuheben und den freien Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu verwirklichen. Ungerechtfertigte Barrieren und bürokratische Formalitäten für Dienstleistungserbringer, die in einem anderen Mitgliedstaat Niederlassungen gründen oder grenzüberschreitend tätig werden wollen, sollen eliminiert werden. Die Dienstleistungsrichtlinie soll einen europäischen Markt für Dienstleistungen ermöglichen und dabei gleichzeitig Lohn- und Sozialdumping ausschließen. Rund 70% des Bruttoinlandsproduktes der Gemeinschaft und zwei Drittel der Arbeitsplätze entfallen auf Dienstleistungen. Die Vollendung des europäischen Binnenmarktes in diesem Sektor soll mittelfristig wichtige Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung aufbringen und aufgrund der erhöhten Wettbewerbsdynamik sollen Preissenkungen zu erwarten sein.
Die Richtlinie ist lt. Art. 44 bis Ende 2009 in innerstaatliches Recht umzusetzen.

Bisherige Arbeiten
Die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie ist ein komplexer Prozess, der auf mehreren Ebenen entwickelt werden muss. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) hat bereits im Herbst 2006 mit Sondierungen und Konsultationen zu spezifischen Umsetzungsaspekten begonnen. Es wurde eine interministerielle Plattform bestehend aus Bundesressorts, Landesregierungen und Sozialpartnern eingerichtet und kleinere Arbeitsgruppen zu den Themen Normenprüfung und Einheitlicher Ansprechpartner gebildet. Eine Arbeitsgruppe aus BMWA und BKA-VD beschäftigt sich mit legistischen Umsetzungserfordernissen. Die bisherigen Konsultationen haben Folgendes ergeben:

Gesamtarchitektur der Umsetzung
Die horizontalen Elemente der Richtlinie sollen in einem „Horizontalgesetz“ umgesetzt werden. Dies ist schon deshalb legis¬tisch zweckmäßig, weil überflüssige Wie¬derholungen vermieden werden. Die Al¬ter¬native wäre eine Verankerung der horizontalen Elemente der Richtlinie in allen betroffenen Materiengesetzen auf Bundes- und Länderebene. Horizontale Elemente der Dienstleistungsrichtlinie sind u. a. die Einrichtung Einheitlicher Ansprechpartner gemäß Art. 6 ff. und die Verwaltungszusammenarbeit gemäß Art. 28–36.
Neben den horizontalen Bestimmungen enthält die Dienstleistungsrichtlinie auch Regelungen, deren Umsetzung in Materiengesetzen erfolgen muss.

Einheitlicher Ansprechpartner (EAP)
Gemäß Art. 6 ff. der Dienstleistungsrichtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Dienstleistungserbringern und -empfängern über EAP Informationen leicht zugänglich sind und Dienstleistungserbringer über EAP alle Verfahren und Formalitäten, die die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit betreffen, abwickeln können. Die Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten einen weiten Spielraum, die EAP entsprechend ihrer Rechtsordnung und Behördenstruktur einzurichten und mit Aufgaben zu betrauen. Am 16. März 2007 hat sich die Landesamtsdirektorenkonferenz dafür ausgesprochen, die EAP bei den Ämtern der Landesregierungen einzurichten. Im Zusammenhang mit der Realisierung von EAP ist jedoch aus Sicht des Österreichischen Städtebundes noch eine Reihe bislang offener Rechtsfragen zu klären.
Mit dem EAP wird keine Konkurrenzbehörde zu den in der Sache zuständigen Behörden geschaffen. Daher soll der EAP als erster Ansprechpartner und Vermittler an die sachlich zuständige Behörde fungieren. Eine Ausstattung mit anderen Verfahrenskompetenzen würde eine Konkurrenzsituation zur sachlich entscheidenden Behörde hervorrufen, die mit einem großen verfahrensrechtlichen Regelungsaufwand und damit auch mit vielen verfahrensrechtlichen Komplikationen verbunden wäre.

Elektronische Prozeduren
Gemäß Art. 8 der Dienstleistungsrichtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass alle Verfahren und Formalitäten, die die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit betreffen, elektronisch abgewickelt werden können. Eine gute Ausgangsbasis bildet das in Österreich gut eingeführte Portal help.gv.at des BKA.

Normenprüfung und Berichtspflichten
Der Rechtsbestand in Österreich muss auf seine Vereinbarkeit mit den Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie geprüft werden (Screening). Neben der reinen Prüftätigkeit verpflichtet die Richtlinie gemäß Art. 39 Abs. 1 und 5 die Mitgliedstaaten, zu einzelnen Artikeln der Richtlinie Berichte zu erstatten. Diese Berichte knüpfen an die Artikel 9 Abs. 2 (Genehmigungsregelungen), 15 Abs. 5 (zu prüfende Anforderungen), 16 (Dienstleistungsfreiheit) und 25 Abs. 3 (multidisziplinäre Tätigkeiten) an.

Normenprüfung und Anpassung des Rechtsbestandes
Die einzelnen Bundesministerien haben in ihrem jeweiligen Bereich bis Ende Oktober 2008 eine Prüfung des Normenbestandes auf Vereinbarkeit mit der Richtlinie vorzunehmen und gegebenenfalls erforderliche Änderungen im Rechtsbestand vorzubereiten. Die Landesregierungen wurden seitens des BMWA aufgefordert, parallel vorzugehen. Damit bliebe ausreichend Zeit für die entsprechenden legistischen Umsetzungsmaßnahmen ebenso wie für die Erstattung der entsprechenden Berichte gemäß Art. 39 Abs. 1 und 5.

Normenprüfung und kommunaler Rechtsbestand
Bei der 3. Sitzung der Umsetzungsbeauftragten vom 24. Juni 2008 wurde seitens der Bundesländer mit deutlicher Mehrheit festgehalten, dass die aufgrund der Dienstleistungsrichtlinie erforderliche Prüfung des Gemeinderechts nicht von den Ländern durchgeführt werden kann, sondern den Normsetzenden, somit den Gemeinden und Städten selbst, obliegt. Die Länder betonten, dass kein systematisches Screening der kommunalen Verordnungen durchgeführt werden kann, gleichzeitig wurde aber die Bereitschaft bekundet, die Kommunen bei der Durchführung dieser Aufgabe zu unterstützen (Beratung und Hilfestellung bei Einzelfragen).
In der 5. Sitzung der Umsetzungsbeauftragten im BMWA wurde seitens der Vertreter der Ktn. Landesregierung den anwesenden Kollegen aus den übrigen Ämtern der LReg sowie dem Österreichischen Städtebund und den übrigen Interessenvertretungen das „Kärntner Modell“ des kommunalen Screenings vorgestellt (GEMRIS). Im GEMRIS sind 1.300 kommunale Verordnungen erfasst, diese können einer elektronische „Vorprüfung“ – auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie – unterzogen werden.
In das GEMRIS werden die Hinweise zu verbotenen Anforderungen, den Berichtspflichten sowie ein „Stichwortraster“ mit „Signalwörtern“ (z. B.: Staatsbürgerschaft, Wohnsitz, wohnhaft, GesmbH, Genehmigung Bewilligung, befristet, Befristung bis zum, etc. …) eingegeben.
Über die kommunalen Verordnungen wird sodann dieses Raster an Kennworten angelegt und wenn sich eine laut Dienstleis¬tungsrichtlinie verbotene Verordnung finden sollte, wird die Kommune zur Abänderung aufgefordert.
Dem Kärntner Muster-Leitfaden folgend, sind folgende kommunale Verordnungen besonders zu überprüfen: Friedhofsordnungen/Friedhofsgebührenordnungen (könnten ein Anlassfall sein – Problem „Einheimischentarife“); ebenso Aufbahrungshallen-Ordnungen, Kindergartenordnungen (problematisch, Einheimischentarife), Marktordnungen (problematisch, wenn nicht alle zu gleichen Bestimmungen zugelassen werden), Ortsbildschutzverordnungen (problematisch, wenn gewisse Plakatierunternehmen bevorzugt werden), Reinhalteverordnungen (könnten auch Bevorzugungen enthalten), Veranstaltungsverordnungen, Verbrennungsverordnungen, …
Seitens der Verantwortlichen im BMWA wurde auf Ansuchen des Österreichischen Städtebundes aufgrund der bekannt gegebenen Belastungen der Gemeinden (Durchführung der Nationalratswahl 2008, Budgeterstellung etc. …) eine Verlängerung der Frist für das Screening-Verfahren der kommunalen Rechtsvorschriften – höchstwahrscheinlich bis März 2009 – bekannt gegeben. Eine genauere Terminfestlegung wird noch erfolgen, ebenso, bei welcher Behörde die erforderliche Berichtlegung der Städte stattfinden soll.

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