Mehr Interaktion zwischen Städten und EU wäre sehr sinnvoll …

Mehr Interaktion zwischen Städten und EU wäre sehr sinnvoll …

Seit 1996 beschäftigt sich das Europaforum in Wien mit europäischen Fragestellungen. Außerhalb der Verwaltung stehend, erarbeitet das Europaforum Wien auch konstant Expertisen für die kommunale Praxis. Im Gespräch mit der ÖGZ vermisst der Geschäftsführer des Europaforum Wien, Eugen Antalovsky, eine adäquate Einbindung europäischer Städte innerhalb der Europäischen Union.

 

ÖGZ: Verkauft sich Europa gut in Österreich?
Eugen Antalovsky: Europa ist zwar präsent, leider aber oftmals durch negative Schlagzeilen. Ein Grund dafür liegt auch bei der Anlassbezogenheit der Thematiken. Europa ist nicht dauerhaft ein Thema. Ich würde auch noch unterscheiden zwischen „Europa“ und der „EU“, wobei letztere oft negativ wahrgenommen wird. Man sieht meist nur die Ausflüsse dessen, wo es Schwierigkeiten gibt. Dies hängt auch mit den Medien zusammen.
ÖGZ: Ein Beispiel?
Antalovsky: Erinnern Sie sich während der Beitrittsphase Österreichs an die „Krümmung der Gurke“ oder später an die „Konfitüre statt Marmelade“-Diskussion: Die Kommission hat solche Vorschriften zwischenzeitlich bei 26 Gemüse- und Obstarten abgeschafft, darüber finden Sie aber kaum eine Notiz in den Medien. Kurzum: Die Botschaft, dass auch die Europäische Union dazulernt, wird zu wenig transportiert.
ÖGZ: Die Negativwerte der EU sind also nur ein Produkt schlechter medialer Berichterstattung?
Antalovsky: Ich denke, die Negativsituation basiert auf zwei Ebenen. Inhaltlich werden in der EU Themen verhandelt und beschlossen, die nun einmal einen hohen Abstraktionsgrad besitzen und nüchtern bzw. bürokratisch wirken. Nicht zuletzt deswegen, weil die Inhalte zwischen 27 Staaten beschlossen und auf einen Punkt gebracht werden müssen. Das ist oft mühevoll und nicht sehr sexy, aber es ist auch nicht Aufgabe der EU, letzteres zu sein. Die zweite Ebene weist auf die Lücke in der Beziehung der EU zu den Städten hin. Es ist schlichtweg so, dass die Kommunen und Städte im europäischen Gestaltungsprozess einfach zu wenig eingebunden sind. Das meiste spielt sich zwischen den Nationalstaaten und der EU ab, die Bundesländer und die Städte kommen – je nach nationalstaatlichem Interesse – mehr oder weniger stark vor.
ÖGZ: Wie beurteilen Sie da die Situation für Österreich?
Antalovsky: „Ausbaufähig“ würde ich sagen. In Österreich fehlt da noch einiges, da müsste es zu einer wesentlich intensiveren Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Städten kommen.
ÖGZ: Könnten aber auch die Städte für sich selbst mehr rausholen? Stichwort: Rat der Gemeinden und Regionen.
Antalovsky: Darüber hinaus gibt es noch das Städte-Netzwerk „Eurocities“, wo Wien zum Beispiel sehr offensiv unterwegs ist. Was aber dennoch fehlt, ist so etwas wie ein klares Bündnis zwischen der Europäischen Union und den Städten. Erstere müsste erkennen, dass die Mehrheit der Europäer im städtischen Umfeld zu Hause sind, die Städte sich also als natürliche Partner für die EU in Sachen Kommunikation vieler europäischer Thematiken anbieten. Umgekehrt könnte man sich auch vorstellen, dass sich die Städte, wenn sie die europäische Dimension als politische Aufgabe übernehmen, als Botschafter der EU begreifen.
ÖGZ: Mir fällt da spontan das EURO-Motto „Botschafter der Leidenschaft“ ein.
Antalovsky: Dann aber nur in dessen doppelter Bedeutung! Aber jetzt im Ernst: Wenn die Gemeinden und Städte aktiver im politischen Gestaltungsprozess eingebunden wären, würden sie auch eine viel unmittelbarere Rolle in der Kommunikation einnehmen. Bislang ist die Situation doch eher reaktiv geprägt: Die EU beschließt etwas in Sachen Trinkwasserversorgung und – zack! – die Städte melden sich zu Wort. Detto bei der Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen. Und das sind nur zwei Beispiele von vielen. Ziel müsste es jedoch sein, untereinander ein interaktives Verhältnis zu etablieren. Und hier spielt dann die Position jeder einzelnen Stadt schon eine Rolle: Mische ich mich ein? Informiere ich „meine“ Bevölkerung bewusst und offensiv über Europa?
ÖGZ: In Wien wäre da für die jüngere Vergangenheit die Sanierung des Gürtels im Rahmen des URBAN-Projektes zu nennen. Bedarf es solcher konkreter Projekte, um die EU, aber auch Europa fassbarer zu machen? Wie etwa gegenwärtig der Twin City Liner, der für viele Menschen auch „etwas“ mit dem neuen veränderten Europa zu tun hat.
Antalovsky: An sich ist das ein sehr guter Anlass, um das Thema zu befördern, nur würde ich hier unterscheiden zwischen Thema und Finanzierung. Bei „Urban“ hatte eine Gebietskörperschaft, nämlich Wien, das Projekt inne gehabt. Was zur Folge hatte, dass Wien in seinem eigenen Bereich aktiv werden konnte. Grenzüberschreitende Projekte, z. B. das Twin-City-Projekt zwischen Wien und Bratislava oder die Schaffung von CENTROPE in der Vierländerregion Tschechien, Slowakei, Ungarn und Österreich, halte ich für absolut sinnvoll und notwendig, nur sind sie, was die Administration betrifft, komplizierter. Deswegen ist die Übertragung des „URBAN“-Effektes auf das „Twin City“-Projekt oder CENTROPE auch schwieriger, weil man bei letzterem so viele Partner hat. Bei der Gürtelsanierung hatte man am Ende das Produkt „Gürtellokal“, bei Twin City habe ich zwar den Twin City Liner, nur ist der rein privatwirtschaftlich entstanden und hat mit der Administration des EU-Projektes eigentlich nichts zu tun.
ÖGZ: Man geht wohl nicht falsch in der Annahme, wenn man sagt, dass Europa eher den mobileren Teilen der Gesellschaft entgegenkommt. Überspitzt gefragt: Verhindert die legendäre „österreichische bzw. Wiener Gemütlichkeit“ nicht auch etwas von den europäischen Freiheiten?
Antalovsky: Da ist schon was dran, nur würde ich da auf jeden Fall zwischen den Generationen, aber auch nach der beruflichen Stellung unterscheiden. Wenn ich das akademische Segment heranziehe, habe ich automatisch mehr Mobilität. Ob wissenschaftliche oder kommerzielle Karriereleiter: Ohne Mobilität und internationaler Erfahrung bleiben die Erfolge entsprechend gering. Bei anderen Jobs, jetzt sag ich mal VerkäuferIn, ist die internationale Erfahrung weit weniger ein Thema. Daher gibt es auch weniger Mobilitätsdruck. Das ist die eine Seite. Die andere: Die jüngere Bevölkerung ist wesentlich mobiler und internationaler aufgestellt. Auch die kulturelle Zusammensetzung unter den Jungen befördert sicherlich den europäischen Gedanken. Das fällt einem ja auch in Wien auf: Durch die Migration, durch die zweite Generation, durch die zunehmende Vielfalt in Wien ist die Stadt deutlich vitaler geworden. Bei der mittleren und älteren Generation in Wien, die nicht im Topsegment der Verdienstpyramide zu finden ist, gibt es weniger Mobilität, aber auch dort ist, wenn man sich den Wandel der Urlaubsziele in den letzten 20 Jahren ansieht, eine Veränderung passiert.
ÖGZ: Dieser gesellschaftliche Wandel hat ja viele Aspekte …
Antalovsky: Ja. Denken Sie nur an den EDV-Bereich im Privathaushalt, an das Essensangebot, an die Mode, an das Bücherangebot. Diese Veränderungen haben die Eigenschaft, dass man sich an sie gewöhnt, ohne dass der damit einhergegangene Wandel reflektiert wird. Wenn man sich unsere Lebensgewohnheiten oder unsere Kommunikationsgewohnheiten ansieht, dann sind sie wirklich zumindest europäischer Natur. Ich bin mir auch sicher, dass der Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft viele Potenziale freilegen und befördern wird. So gesehen hat sich eine Europäisierung bereits stark durchgesetzt. Aber zugegeben: Eine gewisse public awareness gegenüber diesen Veränderungen, die ja nicht nur immer positiv erlebt werden, wäre durchwegs zu begrüßen. Aber europaweit gilt doch eher der Eindruck, dass man sich nicht so gerne mit den problembezogenen Dingen auseinandersetzt. Das betrifft sicherlich nicht nur Österreich.
ÖGZ: Danke für das Gespräch.

(Das Interview führte Hans-Chistian Heintschel, Stadt Wien, MA 53.)

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