Zusammenleben und Integration in Gemeinden

Zusammenleben und Integration in Gemeinden

Großstädte und großstadtähnliche Ballungszentren standen seit jeher im Fokus der integrationsrelevanten Betrachtungen. Vor dem Hintergrund der sich langsam durchsetzenden Erkenntnis, dass ein nicht unerheblicher Teil der zugewanderten Bevölkerung in kleineren und mittleren Gemeinden lebt und Österreich sich durch eine ausgeprägte kleinräumige, ländliche Siedlungsstruktur auszeichnet, gewinnt die Frage des Zusammenlebens und der kommunalen Integrationsarbeit nun verstärkt an Bedeutung.

 

Unterschiede zwischen Stadt und Land
In einer ersten Annäherung lässt sich aufzeigen, dass sich die integrationsrelevanten Rahmenbedingungen zwischen städtischem und ländlichem Raum zum Teil deutlich unterscheiden. Bei den überwiegend kleinen bis mittelgroßen Gemeinden handelt es sich um vergleichsweise überschaubare, sozial-räumlich homogenere Einheiten, die sich durch eine geringere Anonymität und somit höhere soziale Kontrolle auszeichnen. Die Überschaubarkeit und Sichtbarkeit fördert zugleich die Sensibilität gegenüber einer zunehmenden Vielfalt in sozialer, räumlicher und ethnischer Hinsicht. Fremdheit kann somit vielfach schneller zu Irritation und Ängsten führen als in anonymen Stadtgesellschaften. Zugleich kann der Prozess hin zu Akzeptanz und Einbeziehung als „vollwertige GemeindebürgerInnen“ – auch für österreichische Zugewanderte – deutlich länger dauern. Des Weiteren lässt sich beobachten, dass das Gemeindeleben und die Freizeitgestaltung sich durch ein stark ausgebildetes ehrenamtliches Engagement auszeichnen. Die migrantischen Netzwerke und Selbstorganisationen sind hingegen vielerorts schwach ausgeprägt.

Erkenntnisse aus der oberösterreichischen Gemeindestudie
Obwohl die Frage des Zusammenlebens für die Gemeinden eine wichtige Stellung einnimmt, ließen sich bis vor einigen Jahren kaum gezielte Aktivitäten zur Einbindung von MitbürgerInnen mit Migrationshintergrund finden. Dies scheint sich zu ändern. Die Frage der Förderung von Begegnungen und des sozialen Zusammenhalts gewinnt immer mehr an Bedeutung. Zudem wird auch der Frage der Sprachförderung für Kinder und Erwachsene ein wichtiger Stellenwert eingeräumt (vgl. auch die Ergebnisse der Oö. Gemeindestudie)1. Während in den größeren Städten das Verständnis für die Notwendigkeit struktureller Voraussetzungen für Integration bereits gefestigt ist, verdeutlichen Gespräche mit VertreterInnen kleinerer bis mittelgroßer Gemeinden ein häufig asymmetrisches Integrationsverständnis: Von MigrantInnen werden aktive Beiträge (Spracherwerb, Anpassung, Beteiligung am Gemeindeleben) und von ÖsterreicherInnen eine Haltungsänderung (Offenheit, Abbau von Vorurteilen) gefordert, die Bedeutung von öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen, von gesetzlichen Rahmenbedingungen, von Partizipationsmechanismen und integrationsfördernden Angeboten wird weniger gesehen (vgl. Ergebnisse der oberösterreichischen Gemeindestudie).2

Integrationsrelevante Rahmenbedingungen mitberücksichtigen
Die Suche nach integrationsunterstützenden Maßnahmen von Gemeinden setzt meist bei Unterschieden zwischen verschiedenen Herkunftsgruppen von Zugewanderten an, die von den Verantwortlichen wahrgenommen werden. Am stärksten rücken hier muslimische MitbürgerInnen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei bleibt der Blick auf jene Bedingungen und Kontexte der Gemeinden, die nicht unmittelbar mit der Migrationsbevölkerung in Zusammenhang stehen, wohl aber darauf indirekte Auswirkungen haben, stark unterbelichtet. Denn je nach wirtschaftlicher Lage können sie in Verbund mit weiteren Faktoren einen erheblichen Einfluss auf das soziale und interethnische Klima haben. Zu berücksichtigen sind insbesondere die sozial-infrastrukturelle Ausstattung einer Gemeinde und einer Region, wie z. B. das Angebot an (Erwachsenen-)Bildungseinrichtungen oder Sozialorganisationen, oder auch der Vernetzungsgrad der AkteurInnen aus dem Bildungs-, Sozial-, Arbeits- oder Kulturbereich. Des Weiteren prägen die lo¬kalpolitische Landschaft, die politische Sprach- und Umgangskultur und mitunter auch das allgemeine soziale Klima das Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft entscheidend mit. Hier kommt den politisch Verantwortlichen, allen voran den BürgermeisterInnen, eine wichtige Rolle zu.

Handlungsansätze für Gemeinde
In Strategie- und Beratungsgesprächen von IntegrationsexpertInnen mit GemeindevertreterInnen kann einerseits ein Bewusstsein für die Mehrfachdimensionen von Integration und für ein umfassenderes Integrationsverständnis geschaffen werden und andererseits können Fragen so präzisiert werden, dass sie zu konkreten und alltagstauglichen Handlungsmöglichkeiten führen. Die Projektstelle „okay.zusammenleben“ in Vorarlberg setzt hier daher seit einigen Jahren bereits erfolgreiche Schritte in der notwendigen Unterstützung der Gemeinden. Das Land Oberösterreich hat als ein Ergebnis des oberösterreichischen Integrationsleitbildprozesses eine verstärkte gemeindenahe Integrationsarbeit als einen der Schwerpunkte einer neuen Integrationspolitik festgelegt.
Die Förderung von Begegnung ist meist eine Frage des Zugangs sowie des Vertrauensaufbaus zwischen den Bevölkerungsgruppen. Aus den bisherigen Erfahrungen in vielen Gemeinden lassen sich einige Empfehlungen für dieses Handlungsfeld ableiten:
- Setzen von Willkommensgesten
- Klare, respektvolle, durchgängige Haltung der Verantwortlichen
- Suche nach und Aufbau von Vermittlerpersonen/BrückenbauerInnen
- Mündliche, nicht schriftliche Kontaktaufnahme – persönlicher Kontakt
- Geduld, „langer Atem“ und sachlicher Umgang mit Hürden und Anfangsschwierigkeiten
- Öffnung von „einheimischen“ Vereinen gegenüber neuen Mitgliedern, verstärkte Einbindung eventuell auch als Funktionäre
- Diskussion der Rolle von MigrantInnenvereinen bzw. religiösen Gemeinschaften, ihrer Möglichkeiten zur Integrationsförderung, aber auch ihrer Grenzen und vereinsimmanenten Aufgaben
- In größeren Gemeinden Fokus auf Siedlungen und unmittelbare Nachbarschaft
- „über die Kinder zu den Eltern“ z. B. durch Kindergarten und Schule
- Einbindung von MigrantInnen im Jahresfestkalender – nicht nur multikulturelle Feste


1 Empirische Studie zu den integrationsrelevanten Hand¬lungsfeldern, Aktivitäten und Perspektiven in den Gemeinden Oberösterreichs. Befragung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Inklusive Ergebnisdokumentation der Regionalveranstaltungsreihe in den oberösterreichischen Bezirken. Studienleitung Dipl.-Soz.wiss. Güngör im Auftrag des Landes Oberösterreich (Wien/Basel 2006), S. 23 f. und S. 35 f. Das „Integrationsleitbild Oberösterreich – Einbeziehen statt Einordnen“ und die Gemeindestudie kann bei der Koordinationsstelle für Integration der Sozialabteilung des Landes Oberösterreich (Tel.: 0732/77 20-14971, E-Mail: so.post@ooe.gv.at) angefordert bzw. unter www.ooe.gv.at heruntergeladen werden.
2 Ebd., S. 28 ff.

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