Praxisplaner „Mittelfristige Leistungs- und Finanzplanung im Kinderbetreuungsbereich“

Praxisplaner „Mittelfristige Leistungs- und Finanzplanung im Kinderbetreuungsbereich“

Das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung hat im Auftrag der Bank Austria und des Österreichischen Städtebundes einen Praxisplaner für den Kinderbetreuungsbereich entwickelt, der den Gemeinden die Möglichkeit gibt, auf Basis eigener Leistungs- und Finanzdaten – bei Bedarf unter Einbeziehung kommunaler Vergleichskennzahlen – künftige oder mögliche Entwicklungen im Kinderbetreuungsbereich zu simulieren und entsprechende Konsequenzen abzuleiten.

 

Der Kinderbetreuungsbereich ist besonders stark von demografischen und sozio-ökonomischen Faktoren beeinflusst. So kommt es vor allem in Ballungszentren zu Geburtensteigerungen, welche zu einem Großteil auf internationale Wanderungsbewegungen zurückgeführt werden können. Hingegen kommt es abseits der Ballungszentren zu Geburtenrückgängen – besonders stark ausgeprägt in der Obersteiermark, in großen Teilen Kärntens und dem Waldviertel. Neben der demografischen Variable erhöht sich – nicht zuletzt basierend auf den veränderten Familienstrukturen – der Betreuungsbedarf sowie die Anforderungen der Eltern an das Betreuungsangebot. Auch politische Entscheidungen oder gesetzliche Änderungen zur Verbesserung des Betreuungsangebotes (z. B. Gruppengröße, verpflichtendes Vorschuljahr) bilden besondere Herausforderungen.

Praxisplaner im Kinderbetreuungsbereich
Vor diesem Hintergrund wurde ein Praxisplaner zur mittelfristigen Leistungs- und Finanzplanung im Kinderbetreuungsbereich erstellt. Primäres Ziel bei dessen Entwicklung war es, ein anwenderorientiertes, möglichst einfach zu bedienendes Instrument für die Gemeinden zu schaffen, welches ermöglicht, verschiedene künftige Entwicklungen zu simulieren und die Auswirkungen von Entscheidungen im Bereich der Kinderbetreuung auf die Gemeindefinanzen abzuschätzen. Darüber hinaus kann getestet werden, mit welchen Maßnahmen die Ausgaben am geringsten gehalten werden können (beispielsweise Änderungen an der Betreuungsquote). Somit kann der Praxisplaner als wesentliche Entscheidungshilfe dienen, um unerwünschten Entwicklungen steuernd entgegenzuwirken. Darüber hinaus kann er trotz der unterschiedlichen Regelungen in allen Bundesländern eingesetzt werden.

Aufbau der Praxisplaner
Da die Angebote je nach Altersgruppe sehr unterschiedlich sind, wurde für jede der nachfolgenden Betreuungsformen ein eigener Praxisplaner erstellt, wobei diese den gleichen Aufbau aufweisen, aber mit unterschiedlichen Referenzwerten und Modell-Parametern arbeiten:
- Kinderkrippe
- Kindergarten
- Nachmittagsbetreuung in Horten
- Nachmittagsbetreuung in Volksschulen
- Nachmittagsbetreuung in Hauptschulen
Der Praxisplaner setzt sich aus 2 Teilen zusammen, die jeweils verschiedene Tabellenblätter umfassen.
In Teil A (Abbildung 1) erfolgt die Erfassung des „Status quo“ über die Eingabe ausgewählter Leistungs- und Finanzdaten der Betreuungseinrichtungen in der jeweiligen Gemeinde. Zusätzlich werden in den einzelnen Praxisplanern auch Finanzdaten aus aktuellen interkommunalen Vergleichen zur Verfügung gestellt. Ergebnis des ersten Teiles „Status quo“ bildet eine Übersicht unterschiedlicher Kennzahlen für den jeweiligen Betreuungsbereich, welche für den Vergleich mit anderen Gemeinden genutzt werden kann.
Teil B (Abbildung 2) umfasst die Planungsrechnung. Dieser Teil dient der Simulation möglicher Entwicklungen. In einem Formular können unterschiedliche Planungsparameter für insgesamt sechs Planungsjahre beliebig gesetzt und verändert werden. Als Ergebnis werden in einem eigenen Formular die hochgerechneten Einnahmen und Ausgaben ausgewiesen.

Planung im Kinderbetreuungsbereich
Die Planung im Kinderbetreuungsbereich gestaltet sich nicht immer einfach. So stellen die unterschiedlichen Planungszeiträume bei der Verschränkung von Leistungs- und Finanzdaten ein Problem dar (Kindergartenjahr startet mit September, Finanzjahr mit Jänner). Das entgeltfreie Angebot sowie individuelle Präferenzen der Eltern bedingen überhöhte Anmeldezahlen und starke Schwankungen in der Inanspruchnahme, auf die kurzfristig reagiert werden muss.
Vor allem Gesetzesnovellen – z. B. zum „Gratiskindergarten“ in Kärnten und der Steiermark – machen die mittelfristige Planung schwierig.
Jedenfalls macht das Planen im Kinderbetreuungsbereich Sinn, da die finanziellen Auswirkungen von Anpassungen im Leistungsangebot aufgezeigt werden können. Mit dem vom KDZ entwickelten Praxisplaner zur Kinderbetreuung kann in nur wenigen Schritten berechnet werden, wie sich beispielsweise die Erhöhung der Betreuungsquote auf den Nettofinanzierungsbedarf der Gemeinde auswirkt.

Praxisbeispiel
Im Nachfolgenden wird die Anwendung des Praxisplaners am Beispiel einer steirischen Stadt im Kindergartenbereich dargestellt. Hierzu werden in einem ersten Schritt die Leistungs- und Finanzdaten zum Kindergarten in die Excel-Maske eingegeben. Leistungsdaten sind insbesondere die Anzahl der Kinder und Gruppen sowie das eingesetzte Personal. Bei den Finanzdaten werden die Ausgaben nach Postenklassen eingetragen.
Danach erfolgt die automatische Berechnung von vordefinierten, steuerungsrelevanten Kennzahlen. Diese umfassen beispielsweise:
- Insgesamt kann eine Betreuungsquote von etwa 79% erzielt werden, wovon rund 76% auf die Gemeinde selbst zurückzuführen sind.
- Die mittlere Gruppengröße liegt infolge der altersgemischten Gruppen bei rund 21 Kindern je Gruppe.
- Pro Gruppe werden 2,2 VZÄ (Vollzeitäquivalente) eingesetzt (Betreuungsschlüssel).
- Für gemeindeeigene Einrichtungen betragen die laufenden Betriebskosten 5.817 Euro je Kind bzw. 4,31 Euro je betreuter Kinderstunde und Jahr.
- Die laufenden Betriebskosten für eine Gruppe belaufen sich dabei auf 120.000 Euro pro Jahr, je betreuter Gruppenstunde sind es 85 Euro.
- Die Gesamteinnahmen je Kind belaufen sich auf knapp 2.500 Euro, wovon rund die Hälfte auf Elternbeiträge zurückzuführen ist.
Basierend auf dem so berechneten Status quo zeigt die nachfolgende Abbildung 3 beispielhaft die Planung der Stadt, wobei folgende Annahmen getroffen wurden:
- Die Anzahl der Kinder in der Altersgruppe sinkt stetig (ca. –6% bis 2013)
- Durch den Gratiskindergarten fallen für 2009 zwar einerseits die Elternbeiträge aus, andererseits kommt es zu einer Erhöhung der Transferzahlungen vom Land. Gleichzeitig wird in dieser Planung auch berücksichtigt, dass sich die Betreuungsquote durch das Gratisangebot erhöht.
- Für das Jahr 2010 wird ein Ausbau des Leistungsangebotes vorgesehen. Dieser erfolgt vor allem durch eine Erweiterung der Öffnungszeiten (Erhöhung der Öffnungswochen im Jahr) und eine Herabsetzung der Gruppengröße. Zusätzlich wird ein höherer Anteil an Kindern in Ganztags- und in erweiterter Ganztagsbetreuung versorgt. Daraus ergeben sich die Einrichtung einer weiteren Halbtagsgruppe und ein höherer Bedarf an Betreuungspersonal.

Änderungen im Leistungsangebot bedingen einen höheren Nettofinanzierungsbedarf
Basierend auf den Änderungen der Planungsparameter ergeben sich für dieses Beispiel folgende finanzielle Auswirkungen (Abbildung 4):
- Obwohl der durch den „Gratiskindergarten“ induzierte leichte Anstieg des Bedarfes (Zunahme der Anzahl der betreuten Kinder) im Jahr 2009 durch das bestehende Angebot abgedeckt werden kann und aufgrund des gleichbleibenden Personals nur geringfügig Mehrkosten entstehen, steigt der Nettofinanzierungsbedarf von rund –619.000 Euro im Jahr 2008 auf rund –765.000 Euro im Jahr 2009. Ausschlaggebend dafür ist der Entfall der Elternbeiträge. Dieses Defizit kann durch die als Ausgleichsmaßnahme konzipierten erhöhten Transferzahlungen des Landes nicht ausreichend kompensiert werden.
- Im Jahr 2010 wird durch den Ausbau des Leistungsangebotes ein weiterer sprunghafter Kostenanstieg erwartet, wodurch der Nettofinanzierungsbedarf auf rund –840.000 Euro steigt. Ausschlaggebend dafür sind in erster Linie die sprungfixen Personalkosten in Abhängigkeit der Gruppenanzahl.
Noch nicht berücksichtigt ist hier der zusätzlich entstehende Investitionsbedarf, der durch die Einrichtung einer weiteren Halbtagsgruppe entsteht, da derzeit keine Räumlichkeiten für eine zusätzliche Gruppe vorhanden sind (Die maximal mögliche Gruppenanzahl in den bestehenden Gebäuden wird im Jahr 2010 – trotz sinkender Kinderzahlen – überschritten!).
Planung ist notwendig und sinnvoll
Der Bereich der Kinderbetreuung wird die Städte auch in den folgenden Jahren vor Herausforderungen stellen. Unter anderem der weitere Ausbau des Leistungsangebotes, die steigende Bedeutung von Kinderbetreuungseinrichtungen im Rahmen der Integrationspolitik oder der Ausbau dieser als Bildungseinrichtungen werden den Nettofinanzierungsbedarf der Gemeinden für die folgenden Jahre bestimmen. Das Planungsinstrument kann hier helfen, sozioökonomische Faktoren und politische Entscheidungen in den Planungsprozess mit einzubeziehen. Dabei ist eine Zusammenarbeit von Finanz- und Fachabteilung notwendig.

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