Auswirkungen der Finanzkrise auf die Kommunen

Auswirkungen der Finanzkrise auf die Kommunen

Die Sub-Prime-Krise in den USA, vor mehr als einem Jahr Ursprung gewaltiger finanzieller Turbulenzen, wurde in den letzten Monaten nach und nach zu einer globalen Finanzkrise mit enormen Folgen für das weltweite Finanzsystem und die Realwirtschaft. Im vorliegenden Artikel werden die möglichen Auswirkungen auf die österreichischen Kommunen analysiert, wobei unterschieden wird zwischen aktuellen ersten Konsequenzen und den daraus resultierenden notwendigen Vorsichtsmaßnahmen sowie längerfristigen Auswirkungen aufgrund der zu erwartenden konjunkturellen Abkühlung. Abschließend wird ein Vorschlag zur Unterstützung der Stabilisierung der Situation eingebracht.

 

Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten sind in den letzten Monaten nach und nach zu einer echten Finanzkrise mit inzwischen bereits enormen globalen Auswirkungen auf die Realwirtschaft angewachsen. Waren zunächst vor allem die Banken, Versicherungen und Aktienmärkte betroffen, so wirkte sich die im Bankensektor verknappte Liquidität bald auch negativ auf die Kreditvergabe an Unternehmen und damit die Konjunkturentwicklung aus, aktuell droht der Teufelskreis einer Depression. Die öffentliche Hand inklusive der Gemeinden schien vorerst von diesen Entwicklungen nicht direkt betroffen, für Veranlagung suchendes Kapital stellten öffentliche Kreditnehmer zunächst sogar so etwas wie einen sicheren Hafen in einer Welt unüberschaubarer Risiken dar. Mittlerweile ist aber auch der Staat in die Krise hineingezogen worden: Einerseits müssen in nahezu allen großen Volkswirtschaften öffentliche Mittel oder zumindest Haftungszusagen zur Rettung des Bankenapparates zur Verfügung gestellt werden, was langfristig erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Verschuldung haben könnte, und andererseits droht die Liquiditätskrise im Bankensektor sich auch auf die Finanzierung der österreichischen Gemeinden langsam negativ auszuwirken. Städte und Gemeinden, die ohnehin vielfach in einer schwierigen finanziellen Situation sind, könnten dadurch bald zusätzlich den Gürtel enger schnallen müssen. Zur Vermeidung eines solchen prozyklischen Effekts sollten rasch Maßnahmen ergriffen werden.

Aktuelle Konsequenzen und notwendige Vorsichtsmaßnahmen für die einzelne Kommune
Die derzeitigen Liquiditätsengpässe am Interbankenmarkt wirken sich negativ auf die Darlehensvergaben der Banken aus. Diese haben kein Vertrauen mehr zueinander und parken ihre Gelder daher lieber bei der Zentralbank, als sie untereinander zu verleihen. Eine Folge dieses geringeren Geldangebots ist, dass die Marktpreise für Geld (der Marktzinssatz, z. B. Euribor) steigen. Auf dem Geldmarkt sind in den vergangenen Monaten besonders hohe Differenzen zwischen dem von der europäischen Zentralbank festgelegten Leitzinssatz und dem 3-Monats-Euribor zu sehen, die Zinssenkungen der Zentralbank sind im Euribor-Chart kaum noch nachvollziehbar.
Zusätzlich in die Höhe getrieben werden die Preise für Geld durch die aufgrund der Unsicherheit entstehenden Risikokosten. Diese Tatsache wirkt sich für die Darlehensnehmer in höheren Aufschlägen auf den Zinssatz aus.
Viele Kommunen wollen zum Jahreswechsel die Darlehen für den außerordentlichen Haushalt aufnehmen – wird die geschilderte Situation hier zu bösen Überraschungen führen?
Das österreichische Finanzausgleichsystem wird zwar wegen seiner Komplexität und Veränderungsresistenz vielfach (zu Recht) kritisiert, aber ein entscheidender Vorteil ist in dieser Krise nicht zu leugnen: Die Bonität aller Gebietskörperschaften wird vor allem aufgrund dieses Systems nach wie vor als erstklassig eingeschätzt, eine Zurückhaltung der Banken bei Gemeindefinanzierungen aus Risikogründen ist also nicht anzunehmen. Wohl aber aus Liquiditätsgründen! Eine Reihe von Banken ist derzeit einfach nicht in der Lage, größere Kreditvolumina (egal für welches Risiko) auf die Beine zu stellen, wodurch das Gesamtangebot für die Gemeinden sinkt und folglich die Margen steigen. Hier sind auch Übertreibungen zu erwarten, auf die mit Besonnenheit zu reagieren sein wird. Bei überzogenen Margenforderungen empfiehlt es sich, langfristige Finanzierungen jetzt zu verschieben und kurzfristig auf etwa ein Jahr zwischenzufinanzieren.
Ein weiterer Risikofall, der Kommunen in Liquiditätsprobleme stürzen könnte, ist, dass Banken unter Umständen bereits bestehende Darlehen mit variabler Verzinsung, die sie der Kommune gewährt haben, nun kündigen und fälligstellen könnten, um sich selbst Liquidität zu beschaffen. In der Regel beträgt die Kündigungsfrist zwar ein halbes Jahr und es bleibt genügend Zeit, um eine Neuausschreibung vorzubereiten, aber diese wird dann mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Konditionenverschlechterung einhergehen.
Mit schlechteren Konditionen ist derzeit freilich auch im Bereich von kurzfristigen Finanzierungen zur Überbrückung etwaiger Liquiditätsengpässe zu rechnen. Wenn sich die Krise nach einiger Zeit entschärft, bleiben hier aber wenigstens keine negativen Dauerwirkungen, was bei Langfristfinanzierungen sehr wohl der Fall sein könnte.
Angesichts drohender Bankenzusammenbrüche können sich für Kommunen auch Extremszenarien im Zusammenhang mit Veranlagungen und Derivaten ergeben (ein Derivat ist eine Anlageform, deren Wertbildung von einer frei zu definierenden Bezugsgröße abhängt, im Fall von einem Zinsderivat ist das ein festzulegender Nominalbetrag). Die Gemeinden haben hier ein Ausfallsrisiko übernommen. Wird das schlagend, bedeutet dies, dass Gelder, die der Gemeinde vertraglich eindeutig zustehen würden, von der insolventen Bank nicht mehr ausbezahlt werden können. Im Fall von Veranlagungen müsste die Gemeinde dann letztlich Abschreibungen vornehmen (so wie dies viele, die Aktien- und Fondsveranlagungen gemacht haben, heute bereits tun müssen), obwohl sie der Meinung war, eine „sichere“ Veranlagung eingegangen zu sein. Der Wert der „Mündelsicherheit“ von Veranlagungen wird daher neuerdings wieder viel höher eingeschätzt als noch vor wenigen Monaten, obwohl die jüngst in allen Staaten extrem ausgeweitete Einlagensicherung dieses Problem jetzt einmal wieder weitgehend entschärft haben sollte. Im Fall von Derivaten würde bei Schlagendwerden des Ausfallsrisikos die ursprünglich von der Gemeinde angepeilte Wirkung nicht greifen und sich dadurch die Nettobelastung des Schuldendienstes entsprechend erhöhen.
Wie ist die Budgeterstellung 2009 in dieser Situation zu sehen? Ausgabenseitig besteht derzeit vor allem eine hohe Planungsunsicherheit im Bereich der Zinszahlungen für Darlehen. Generell werden zwar 2009 sinkende Zinsen erwartet, eine Position Zinsreserve sollte aber auf jeden Fall für Extremszenarien eingeplant werden, außer wenn im Gesamtschuldenportfolio nur Darlehen mit fixer Zinsbindung enthalten sind. Zum jetzigen Zeitpunkt (November 2008) erscheint aber ein 100%iges Fixieren der Zinssätze eher nicht angeraten, da Zinsrückgänge zu erwarten sind, die allerdings im Langfristbereich moderater ausfallen dürften als im Kurzfristbereich. Ein zu 50 bis 70% mit Fixzinssatz versehenes Gesamtschuldenportfolio erscheint der Situation angemessen.
Noch nicht wirklich abgeschätzt werden können die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Cross-Border-Leasing-Geschäfte, die in den 90er-Jahren von einigen österreichischen Kommunen abgeschlossen wurden. Problematisch sind in diesen Fällen meist die komplexen Defeasense und Haftungsstrukturen, in denen der Zusammenbruch eines einzigen Elements oft völlig unbeabsichtigte und fatale Konsequenzen für die Gesamttransaktion nach sich ziehen kann.

Längerfristige Auswirkungen
Die Gemeindefinanzen in Österreich werden maßgeblich durch Steuereinnahmen geprägt – einerseits durch die Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben (in den Jahren 2008–2010 11,711%) und andererseits durch die eigenen Abgaben der Gemeinde. Die aufkommenstärksten Steuern sind die Lohn- und Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und die Körperschaftsteuer. Realwirtschaftliche Auswirkungen der Krise, wie zum Beispiel die Zunahme der Arbeitslosen, verringern das Einkommensteueraufkommen, sinkende Konsumnachfrage senkt das Aufkommen der Umsatzsteuer und eine Verschlechterung der Unternehmensergebnisse bzw. Steigerung der Firmenauflassungen wirkt sich negativ auf die Körperschaftssteuer aus.
Gerade in den letzten Jahren wurden die österreichischen Kommunen durch die florierende Wirtschaft und die dadurch laufend steigenden Ertragsanteile verhältnismäßig „verwöhnt“. Für die Haushaltsaufstellung 2009, aber auch für die Mittelfristplanungen muss damit gerechnet werden, dass die Steuern die Kommunen in einem geringeren Ausmaß speisen als in den vergangenen Jahren. Die EU-Kommission hat in der Herbst-Konjunkturprognose das Wachstum für den Euroraum und Österreich im Lichte der Finanzkrise deutlich zurückgenommen. Für 2009 wird in Österreich mit einem Wachstum von 0,6% gerechnet, für das Jahr 2010 werden 1,3% vorhergesagt. Das Wachstum in der Eurozone kommt aufgrund der Finanzkrise fast zum Erliegen – für den Euroraum wird mit einem Wachstum von 0,1% im Jahr 2009 gerechnet. Die von Bundesseite zur Konjunkturankurbelung vorgesehene Steuerreform wird zunächst einen zusätzlich dämpfenden Effekt auf die Ertragsanteile haben.
Die wichtigste eigene Steuer einer Kommune ist die Kommunalsteuer. Durch Kurzarbeit, Mitarbeiterabbau und Firmenauflassungen im Gemeindegebiet muss die Gemeinde in diesem Bereich auch mit sinkenden Einnahmen rechnen. Besonders betroffen ist aktuell schon die Autoindustrie, und auch bei der Bauwirtschaft sind erste Eintrübungen bemerkbar.
Aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaftslage und steigenden Arbeitslosigkeit werden auch die Pflichtausgaben im Bereich der Sozialhilfe das Gemeindebudget 2009 stärker belasten.
Eine weitverbreitete Reaktion auf die finanziell angespannte und unsichere Situation wird in vielen Gemeinden das Verschieben von geplanten Investitionen sein, wodurch der Konjunkturmotor noch stärker ins Stottern gerät, da die Kommunen bei weitem die größten öffentlichen Investitionsträger sind.

Vorschlag zur Unterstützung der Stabilisierung
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die durch die Finanzkrise ausgelöste Konjunktureintrübung sich durch die daraus folgenden schlechten Finanzierungsbedingungen für Gemeinden noch stärker vertiefen und verlängern könnte.
In Zeiten, in denen die privaten Haushalte und Unternehmen weniger für Konsum ausgeben und die Exporte sinken, wäre es notwendig, dass der Staat verstärkt „entspart“ und diesen Nachfrageausfall mit möglichst sinnvollen Projekten kompensiert. Die österreichischen Kommunen hätten zwar eine große Anzahl sinnvoller Investitions- und Konjunkturbelebungsprojekte in der Pipeline, können diese aber in der aktuellen Situation nicht ausreichend finanzieren. Ähnlich der Bankenhilfe müsste der Bund daher auch für die Kommunen einen Sonderinvestitionsfonds schaffen, der den drohenden Teufelskreis unterbricht.

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