Neue Antikorruptionsbestimmungen für den öffentlichen Dienst

Neue Antikorruptionsbestimmungen für den öffentlichen Dienst

Im Kampf gegen Bestechung und Bestechlichkeit im öffentlichen Sektor wurde Anfang 2008 eine erweiterte Strafbarkeit von Geschenkannahme und Bestechung durch das sogenannte Anfütterungsverbot geschaffen. Thema dieses Beitrages sind die maßgeblichen Korruptionsbestimmungen im öffentlichen Sektor.

 

Die Bekämpfung von Bestechlichkeit und Bestechung im öffentlichen und privaten Bereich ist schon seit geraumer Zeit Anliegen auf europäischer und internationaler Ebene, wie dies die UN-Konvention gegen Korruption, der EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Bereich, Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarates, das OECD-Bestechungsübereinkommen zeigen.
In Österreich traten mit 1. Jänner 2008 wesentliche Teile des Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 (BGBl. I Nr. 109/ 2007) in Kraft. Dabei wurden erstmalig Straftatbestände zur Bekämpfung von Korruption in der Privatwirtschaft eingeführt und die geltenden Antikorruptionsdelikte im öffentlichen Bereich massiv verschärft.
Hiezu zählen etwa die Neuregelung der Geschenkannahme durch Beamte und die Einführung des Begriffes des Amtsträgers1 sowie die Neuaufnahme des Deliktes der Abgeordnetenbestechung.

Auf welchen Personenkreis ¬beziehen sich die einzelnen Tatbestände?
Auf Amtsträger, Schiedsrichter, Mitarbeiter öffentlicher Unternehmen und sachverständige Berater. Der Begriff des Amtsträgers wurde als eine Art Sammelbegriff für die Zwecke der Bestechungsdelikte eingeführt.
Unter einem Amtsträger i. S. d. § 74 Abs. 1 Z 4a wird verstanden, wer „für Österreich, für einen anderen Staat oder für eine internationale Organisation ein Amt in der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz innehat oder sonst mit öffentlichen Aufgaben, einschließlich in öffentlichen Unternehmen, betraut ist mit Ausnahme von Mitgliedern inländischer verfassungsmäßiger Vertretungskörper“.
Darunter fallen sowohl Beamte als auch Vertragsbedienstete als auch jene Personen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen.
Öffentliche Unternehmen sind all jene, welche der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen. Vorstände und Geschäftsführer öffentlicher Unternehmen fallen nur dann unter den Begriff des Amtsträgers, wenn sie mit öffentlichen Aufgaben betraut sind, auch wenn die Einrichtung als solche rein privatrechtlich organisiert ist. Als Beispiel kann hier eine Tätigkeit bei der Bundesbeschaffungs GmbH oder Aus¬tro Control GmbH, aber auch bei den ÖBB (weil die Personenbeförderung gesetzlich vorgeschrieben ist) genannt werden.

Um welche Delikte geht es konkret?
Geschenkannahme durch Amtsträger und Schiedsrichter, § 304 StGB

§ 304 Abs. 1 StGB: „Ein Amtsträger oder ein Schiedsrichter, der für eine Handlung oder Unterlassung im Zusammenhang mit seiner Amtsführung von einem anderen für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.“
§ 304 Abs. 2 StGB: „Ein österreichischer Amtsträger oder Schiedsrichter, ein Amtsträger oder Schiedsrichter eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Uni¬on oder ein Gemeinschaftsbeamter, der außer dem Fall des Abs. 1 im Hinblick auf seine Amtsführung von einem anderen für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.“
§ 304 Abs. 4 StGB: „Wer lediglich einen geringfügigen Vorteil annimmt oder sich versprechen lässt, ist nach Abs. 2 nicht zu bestrafen, es sei denn, dass die Tat gewerbsmäßig begangen wird.“

Passive Bestechung
Bei diesen Tatbeständen geht es um die passive Bestechung, entweder im Zusammenhang mit oder in Hinblick auf die Amtsführung. Bis 2008 bestand eine geringere Strafandrohung, wenn das Geschenk für die pflichtgemäße Vornahme eines Amtsgeschäftes gegeben wurde. Erfolgte das Amtsgeschäft pflichtgemäß und war der empfangene Vorteil geringfügig, entfiel die Strafbarkeit beim Beamten überhaupt (außer bei Gewerbsmäßigkeit). Nunmehr entfällt die Unterscheidung zwischen pflichtwidrigem und pflichtgemäßem Handeln und ist mit gleichem Strafausmaß bedroht. Somit wird jede Geschenkannahme, auch wenn diese für ein im Endergebnis rechtmäßiges Handeln erfolgt, zur Strafbarkeit führen.
Der Zusammenhang wird aber so weit interpretiert, dass er auch noch bei Handlungen außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Amtsträgers angenommen wird, wenn immerhin noch eine Zurechenbarkeit zur betreffenden Behörde möglich ist.
Da es zu der Amtsträgereigenschaft noch keine Rechtsprechung gibt, sollte im Zweifel eher von einer Zuwendung Abstand genommen werden.
Der Maßstab für die Strafbarkeit liegt u. a. darin, ob das Geschenk auch unabhängig von der eigenen dienstlichen Stellung gegeben worden wäre.
Beispiel: Der für die Ausschreibung der Bauarbeiten eines neu zu errichtenden Kindergartens zuständige Sachbearbeiter erhält von einem Baumeister, mit dem er befreundet ist, zum Geburtstag eine Urlaubsreise geschenkt, um diesem damit sein Anbot „schmackhaft“ zu machen. Ein derartiges Geschenk ist bei sonstiger Strafbarkeit abzulehnen.

„Anfüttern“/b>
Der Unterschied zwischen § 304 Abs. 1 und Abs. 2 liegt darin, dass im ersteren Fall ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Fordern, Annehmen, Versprechenlassen eines Vorteils gegeben sein muss, im zweiten Fall diese Handlungen nur in Hinblick auf die Amtsführung erfolgen. Dieser Vorgang wird als das sogenannte „Anfüttern“ bezeichnet. Für die Strafbarkeit reicht daher aus, wenn wiederkehrende Zuwendungen Amtsträger ganz allgemein bzw. sozusagen für alle Fälle gewogen stimmen und ein positives Klima schaffen sollen.
Strafbar wird ein Amtsträger aber nach den Erläuterungen zum Gesetz auch schon dann, wenn dieser vorsichtshalber oder vorsorglich Vorteile erhält, die er ohne seine Amtsträgereigenschaft wohl nicht erhalten hätte.
Beispiel: Der Leiter des Gewerbeamtes wird von einem Unternehmer zur Jagd eingeladen, weil dieser in Zukunft eventuell eine Betriebsanlagengenehmigung benötigen wird.
Unter Vorteilen sind Geld, Gutscheine, sonstige körperliche Sachen, Einladungen, Dienstleistungen etc. zu verstehen.
Damit wurde ein bisheriger Graubereich im Zusammenhang mit der Geschenkannahme durch öffentlich Bedienstete neu geregelt.

„Anfüttern“ – Ausnahmen von der Strafbarkeit
Allerdings bestehen beim Anfüttern Ausnahmen von der Strafbarkeit:
Nicht strafbar wird, wer lediglich einen geringfügigen Vorteil annimmt oder sich versprechen lässt, außer bei Gewerbsmäßigkeit; nach der Judikatur liegt die Geringfügigkeitsgrenze bei 100 Euro.
Auch nur geringfügige Vorteile für generelles Gewogensein zu fordern, macht jedoch wiederum strafbar. Dabei sind grundsätzlich mehrere geringfügige Geschenke oder Vorteile nicht zusammenzurechnen, weil nach herrschender Judikatur der Zusammenrechnungsgrundsatz des § 29 StGB hier nicht gelten soll; durchbrochen wird dieser Grundsatz jedoch, wenn Geber und Empfänger nachweislich eine zumindest stillschweigende Übereinkunft getroffen haben, dass der Amtsträger in zeitlichen Abständen mehrere Geschenke erhält, sozusagen ein Gesamtvorsatz vorliegt. Dann ist die Geringfügigkeitsgrenze irgendwann einmal überschritten und es tritt Strafbarkeit ein.
Beispiel (nach OGH, 5. 8. 2004, 12 Os 45/ 04): Die Beamten und Sachverständigen einer Kfz-Typisierungsstelle einer Landesregierung erhalten von einem Frächter über Jahre hinweg immer wieder Zahlungen, die alle für sich unter 100 Euro liegen, um „in sympathischer Erinnerung zu bleiben“, letztlich aber jedoch im Falle der Typisierung schnell und positiv zu entscheiden. Der OGH nahm hier einen einheitlichen Tatentschluss an, sodass Bestechung vorlag.
Demgegenüber gibt es bei Geschenken in Zusammenhang mit der Amtsträgereigenschaft gem. § 304 Abs 1 StGB keine Geringfügigkeitsgrenze, d. h. ein Amtsträger ist gut beraten, auch diese zurückzuweisen. Weiters ist bei rein freundschaftlichen Beziehungen keine Strafbarkeit anzunehmen, wenn die Geschenke auch ohne Amtsträgereigenschaft erfolgt wären.
Beispiel: Ein Arbeitsinspektor wird von einem Unternehmer in ein teures Restaurant eingeladen,
1. weil beide alte Schulfreunde sind, dann liegt keine Strafbarkeit vor.
2. damit im Betrieb des Unternehmers keine Kontrollen durchgeführt werden, hier ist Strafbarkeit gegeben.

Annahme bloßer „Aufmerksamkeiten“?
Bloße Aufmerksamkeiten ohne wirtschaftlichen Wert, wie Reklameartikel, Kalender, Kugelschreiber etc. mit Firmenlogo, aber auch kleine Aufmerksamkeiten wie Blumen und Schokolade dürfen straflos angenommen werden. Man spricht hier von der sogenannten Sozialadäquanz, wonach als sozialadäquat solche Leistungen angesehen werden können, die der Höflichkeit und Gefälligkeit entsprechen, sozial üblich und allgemein gebilligt werden, dies trifft auch auf branchenübliche Trinkgelder zu (Trinkgelder an Polizisten sind z. B. nicht mehr „branchenüblich“).

Strafrahmen
Bei der Vorteilsannahme gem. § 304 Abs. 1 StGB beträgt der Strafrahmen für den Amtsträger drei Jahre, beim Anfüttern gem. § 304 Abs. 2 StGB bis zu einem Jahr.

Dürfen Amtsträger Essenseinladungen annehmen?
Essenseinladungen in Hinblick auf bloß freundschaftliche Beziehungen, die meist auf der Basis von Gegenseitigkeit stattfinden, sind zulässig. Unzulässig werden sie dann, wenn ein Konnex zu einem konkreten Tun oder Unterlassen des Amtsträgers hergestellt werden kann.
Gehört die Teilnahme an Essenseinladungen jedoch zu den Dienstpflichten des Bediensteten (z. B. Mitarbeiter im Außenministerium nimmt an Banketten teil), so ist die Teilnahme daran jedenfalls zulässig.

Macht die Teilnahme an Veranstaltungen strafbar?
Hier sind folgende Fallkonstellationen zu unterscheiden:
1. Ein Unternehmen stellt der für Kultur zuständigen Abteilung des Amtes der Landesregierung einer Freikarte für eine Jedermann-Vorstellung bei den Salzburger Festspielen zur Verfügung. Ein hochrangiger Beamter dieser Abteilung wird zu Repräsentationszwecken zu dieser Vorstellung geschickt. Da die unentgeltliche Überlassung an die Landesregierung und nicht an den konkreten Beamten erfolgte, liegt keine Amtsträgereigenschaft vor und der Tatbestand des § 304 StGB ist nicht verwirklicht.
2. Ein Unternehmen stellt dem Leiter des Bauamtes oder einem Gemeindemandatar kostenlos eine Freikarte für ein Fußballbundesländerspiel zur Verfügung, um ein gutes Gesprächsklima in der betreffenden Gemeinde zu schaffen.
Hat die Karte einen Geldwert unter 100 Euro, ist zwar der Anfütterungstatbestand des § 304 Abs. 2 verwirklicht, wegen der Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze gehen beide straffrei.
Liegt der Wert der Karte über 100 Euro, ist der Tatbestand der Bestechung verwirklicht und sowohl Unternehmen als auch Beamter/Mandatar sind zu bestrafen.

Bestechung gem. § 307 StGB
§ 307 Abs. 1: Wer einem Amtsträger … für eine Handlung oder Unterlassung im Zusammenhang mit dessen Amtsführung (§ 304 Abs. 1), einem Sachverständigen für die Erstattung eines unrichtigen Befundes oder Gutachtens …, für ihn oder einen Dritten einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
§ 307 Abs. 2: Wer einem österreichischen Amtsträger … außer im Fall des Abs. 1 im Hinblick auf dessen Amtsführung für ihn oder einen dritten einen nicht bloß geringfügigen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
Somit sind Geschenke an Amtsträger keine Kavaliersdelikte mehr.
Der Geschenkgeber macht sich des Deliktes der Bestechung schuldig; als Täter kommen hier Parteien des Verfahrens oder sonstige Personen in Frage, die von einem Amtsträger ein bestimmtes Verhalten erwarten. Hier wurde der Strafrahmen auf drei Jahre hinaufgesetzt. Beim Anfüttern eines Amtsträgers liegt der Strafrahmen bei bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagsätzen (es wird also der Amtsträger grundsätzlich strenger bestraft als der „Bestecher“). Auch hier wird nicht mehr zwischen pflichtgemäßem und pflichtwidrigem Verhalten des Amtsträgers differenziert.

Korruptionsstaatsanwaltschaft
Mit § 20a StPO wurde eine Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsdelikte (sowohl für die Privatwirtschaft als auch für den öffentlichen Sektor) geschaffen, die mit 1. Jänner 2009 ihre Tätigkeit aufnimmt. Mit dieser Einrichtung folgt Österreich internationalen Empfehlungen der Vereinten Nationen, der EU, des Europarates und der OECD, und es soll damit die Effizienz der Strafverfolgung in diesem Bereich gesteigert werden.
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat ihren Sitz in Wien und wird bundesweit tätig mit Außenstellen in Graz, Linz, Innsbruck. In den Zuständigkeitsbereich dieser Sonderinstitution fallen u. a. folgende Delikte: Missbrauch der Amtsgewalt, Geschenkannahme durch Amtsträger oder Schiedsrichter, Geschenkannahme durch Sachverständige, aktive und passive Bestechung im privaten und öffentlichen Sektor, Abgeordnetenbestechung, verbotene Intervention, Verletzung des Amtsgeheimnisses.

Resümee
Ein ressort- und gebietskörperschaftsübergreifender Verhaltenskodex für öffentlich Bedienstete unter der Federführung des Bundeskanzleramtes wurde ausgearbeitet. Er soll der Korruptionsprävention und Bewusstseinsbildung dienen.
Insgesamt ist zu betonen, dass die genannten neuen Antikorruptionsbestimmungen sicher gut gemeint sind, es aber zweifelhaft erscheint, ob diese tatsächlich greifen werden, wenn gewisse Praktiken, wie Essenseinladungen, Geschenke, die bislang Usus waren und nun plötzlich unter Strafe gestellt werden. Zudem gibt es bereits kritische Stimmen, welche einerseits die Bestimmungen als zu mangelhaft bezeichnen, da Nationalratsabgeordnete von der Strafbarkeit ausgenommen sind. Auf der anderen Seite wird befürchtet, dass durch das nunmehrige Unterstrafestellen von Kartenkäufen und deren Weitergabe an Amtsträger für Kultur-Großveranstaltungen mit wirtschaftlichen Nachteilen und Umsatzeinbußen für die Veranstalter zu rechnen sein wird.
Für Amtsträger ergibt sich jedoch in jedem Fall die Situation, dass im Zweifel Berufliches und Privates strikt voneinander zu trennen ist, um bei Geschenkannahmen keine schiefe Optik zu erzeugen.

Anhang: Gerichtlich strafbare Korruptionstatbestände für den öffentlichen Sektor
Missbrauch der Amtsgewalt, § 302 StGB
Geschenkannahme durch Amtsträger oder Schiedsrichter, § 304 StGB
Abgeordnetenbestechung, § 304a StGB
Geschenkannahme durch Sachverständige, § 306 StGB
Geschenkannahme durch Mitarbeiter und sachverständige Berater, § 306a StGB
Bestechung, § 307 StGB
Verbotene Intervention, § 308 StGB
Verletzung des Amtsgeheimnisses, § 310 StGB
Falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt, § 311 StGB
Strafbare Handlungen unter Ausnützung einer Amtsstellung, § 313 StGB

Verwendete Quellen
BKA, Verhaltenskodex zur Korruptionsbekämpfung;
Erlass des BMJ, 318.025/0014-II 1/2008;
Gutachten der WU Wien – Institut für österreichisches und europäisches Wirtschaftsrecht 8/2008.
Jarolim/Gogl, Kampf der Korruption, RFG 208/2.
NR 285 der Beilagen XXIII. GP – Regierungsvorlage.



1 Die Verwendung der männlichen Form ist als geschlechtsneutral aufzufassen.

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