Öffentlicher Wohnraum – Migration – Quoten

Öffentlicher Wohnraum – Migration – Quoten

In vielen europäischen Städten erhitzt die Frage des Zugangs von MigrantInnen zu öffentlichem Wohnraum die Gemüter. Insbesondere die Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, deren Umsetzung in den Mitgliedstaaten mit 23. Jänner 2006 hätte abgeschlossen sein sollen, war regelmäßig Ausgangspunkt für Diskussionen, da sie u. a. Gleichstellungsverpflichtungen für Drittstaatsangehörige beinhaltet.

 

In Innsbruck wurde im Jahr 2007 von der Wohnungsstadträtin Dr. Marie-Luise Pokorny-Reitter ein Projekt zum Thema Wohnungsvergabe-Wohnen-Zusammenleben im Spannungsfeld zwischen rechtlichen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Anforderungen in Auftrag gegeben, das sich sowohl mit juristischen Problemen der Vergabe von Wohnraum als auch nichtjuristischen Lösungsansätzen des Themas beschäftigte. Das Projekt wurde von Julia Abermann geleitet. In diesem Artikel soll ein Einblick in die grundsätzlichen Fragestellungen des Projekts gegeben werden.1

Was versteht man unter dem Begriff MigrantIn?
In Zusammenhang mit rechtlichen Fragestellungen mit MigrantInnen ist es wichtig zu wissen, dass MigrantInnen im aktuellen österreichischen Recht keine homogene Gruppe bilden. Deshalb werden in aller Kürze die wichtigsten juristisch relevanten Gruppen von MigrantInnen vorgestellt.
Bevor allerdings auf die juristischen Kategorien eingegangen wird, soll der Begriff „Menschen mit Migrationshintergrund“ betrachtet werden. Diese Begrifflichkeit, die keine juristische Kategorie bildet, ist von großer Bedeutung, weil sich in der öffentlichen Diskussion Forderungen nach einer Quote für gerade diese Gruppe regelmäßig wiederfinden. Das Wesentliche an diesem Begriff ist, dass er zwar realpolitisch von Bedeutung ist, eine exakte Definition im Rahmen einer juristischen Kategoriebildung geradezu denkunmöglich ist. Würde man den Migrationshintergrund, wie immer wieder angedacht, vom Nachnamen abhängig machen, könnte dies beispielsweise dazu führen, dass ein Österreicher mit dem Nachnamen Öztürk, dessen Familie bereits seit drei Generationen in Österreich lebt, in die sogenannte „MigrantInnenquote” fällt, eine Schwester desselben Herrn Öztürk, die sich beispielsweise mit einem Herrn Schmitt verheiratet hat, nicht. Abgesehen davon, dass eine Unterscheidung im Lichte des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht als sachlich gerechtfertigt und damit gleichheitskonform angesehen werden kann, sollte der Gedanke, den Zugang zu öffentlichen Gütern wie Wohnraum in großem Ausmaß an die Abstammung bzw. den Namen eines Menschen zu binden, jedenfalls ausgesprochen kritisch hinterfragt werden.
Was nun die juristische Perspektive betrifft, so sind unter Fremden, also Menschen, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, insbesondere EU-/EWR-/Schweizer BürgerInnen auf der einen Seite und Drittstaatsangehörige auf der anderen Seite zu unterscheiden. EU-/EWR-/Schweizer BürgerInnen sind Staatsangehörige einer Vertragspartei des Abkommens über die EU bzw. über den EWR und der Schweiz.
Drittstaatsangehörige sind all jene Menschen, die weder Österreicher noch EU-/ EWR-/Schweizer BürgerInnen sind. Die Gruppe der Drittstaatsangehörigen gliedert sich wiederum in zahlreiche Untergruppen wie z. B. drittstaatsangehörige Familienangehörige, SchülerInnen, StudentInnen, Rotationsarbeitskräfte, SaisonarbeitnehmerInnen, AsylwerberInnen, anerkannte Flüchtlinge etc.
In der Frage betreffend eine Quotenregelung beim Zugang zu öffentlichem Wohnraum nimmt der aus der Richtlinie 2003/ 109/EG stammende Begriff der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen eine Schlüsselposition ein. ISd RL sind das Menschen, die keine EU-BürgerInnen sind und die sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig in einem EU-Mitgliedstaat aufgehalten haben.

Welche rechtlichen Grundlagen sind für ein Quotensystem wichtig und welche Gleichbehandlungsverpflichtungen existieren?
Folgende Rechtsakte sind neben dem verfassungsrechtlich verankerten allgemeinen Gleichheitssatz und dem B-VG betreffend das Verbot rassischer Diskriminierung BGBl. Nr. 390/1973 für die Frage von Gleichbehandlung bei der Vergabe von städtischen Wohnungen an Drittstaatsangehörige bzw. in Hinblick auf ein eventuelles Quotensystem von herausragender Bedeutung:
• Die Antidiskriminierungsgesetze der einzelnen Bundesländer
Das Projekt wurde auf Basis des Tiroler Antidiskriminierungsgesetz 2005 – TADG 2005, 9/2005 LGBl-Tirol, durchgeführt. Die Ergebnisse können allerdings in gleicher Weise für die übrigen Bundesländer mit Ausnahme der Steiermark herangezogen werden, da die einzelnen Landesgesetze mit Ausnahme des Landes-Gleichbehandlungsgesetzes der Steiermark, 66/2004 LGBl-Steiermark, vergleichbare Regelungen beinhalten.
• Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. 11. 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, ABl L 16 vom 23. 1. 2004, S. 44–53.
• Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. 6. 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABl L180 vom 19. 7. 2000, S. 22–26.

Gleichbehandlungspflicht für EU-BürgerInnen und SchweizerInnen
Für EU-/EWR-BürgerInnen bestehen Gleichstellungsverpflichtungen mit eigenen StaatsbürgerInnen aufgrund des Europäischen Rechts. Für SchweizerInnen bestehen Gleichstellungsverpflichtungen aufgrund des Abkommens über die Freizügigkeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten und der Schweizer Eidgenossenschaft.
Die Frage nach einem Quotensystem beim Zugang zu öffentlichem Wohnraum stellt sich daher lediglich für die verschiedenen Gruppen von Drittstaatsangehörigen.

Gleichbehandlungsverpflichtung für Drittstaatsangehörige
Für Drittstaatsangehörige sind in Bezug auf den Zugang zu Wohnraum prinzipiell Gleichbehandlungsverpflichtungen vorgesehen. Je nach Richtlinie ist es allerdings möglich, aus in den Richtlinien bzw. den dazu ergangenen Umsetzungsgesetzen nicht immer gleichen Gründen, Ausnahmen von Gleichstellungsverpflichtungen bzw. Diskriminierungsverboten zu machen.
In der Antirassismusrichtlinie 2000/43/ EG und deren beispielhaft anzuwendendem Umsetzungsgesetz TADG sind Ausnahmen aus Gründen der Staatsangehörigkeit durchaus möglich.
Die Richtlinie 2003/109/EG, die die Rechtsstellung von langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen regelt, sieht keine Möglichkeit für derartige Ausnahmen vor.

Ist ein Quotensystem für MigrantInnen machbar?
Grundsätzlich wird die Frage eines Quotensystems bei der Vergabe von Wohnraum mit weitreichender praktischer Bedeutung nur sehr allgemein diskutiert.
Besonders komplex ist die Frage, da neben der Zersplitterung der MigrantInnen in verschiedene rechtlich unterschiedlich zu behandelnde Gruppen verschiedene europäische und nationale Rechtsakte die Frage nach dem Zugang zur und der Verteilung von Wohnraum regeln und die einschlägigen Rechtsakte gerade die Fragen rund um die Verteilung von Wohnraum unscharf behandeln. Aufgrund unklarer und unterschiedlicher Formulierungen in den einschlägigen Richtlinien, des teilweisen Fehlens konkreter nationaler Umsetzungsakte, noch nicht vorhandener Judikatur und rechtswissenschaftlicher Literatur ist es nur beschränkt möglich, präzise Aussagen zu den einzelnen Fragestellungen zu tätigen und somit eine abschließende Lösung für Probleme zu finden. Dennoch wurde der Versuch unternommen, den rechtlichen Handlungsspielraum der Kommunen zu umreißen, der sich letztlich als recht bescheiden darstellt. Bei genauer Be¬trachtung kommt man zu dem Ergebnis, dass ein Quotensystem beim Zugang zu und der Versorgung mit Wohnraum we¬der für EU-/EWR-/Schweizer BürgerInnen noch für die Gruppe der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen europarechtskonform sein kann. Die Möglichkeit, ein Quotensystem zu etablieren, ist lediglich für die restlichen Gruppen der Drittstaatsangehörigen erhalten.

Ist ein Quotensystem für MigrantInnen sinnvoll?
Unabhängig von dem Ergebnis der juristischen Betrachtung ist es jedenfalls zu hinterfragen, ob Quotensysteme beim Zugang von MigrantInnen zu öffentlichem Wohnraum Antworten auf Fragen rund um ein Zusammenleben einer multi-ethnischen Bevölkerung in sich bergen können. Zu bedenken ist jedenfalls, dass sofern mit Hilfe eines Quotensystems die erwünschte Lösung der „Durchmischungsproblematik” für gemeinnützige Wohnanlagen herbeigeführt werden kann, die Problematik für den privaten Wohnungsmarkt und damit für andere Stadtteile dennoch erhalten bleiben würde. Juristische Gedankenspiele und Jonglieren mit Zahlen sollten daher in Zusammenhang mit einer Quotenpflicht für öffentlichen Wohnraum nicht überbewertet werden, sondern vielmehr mittel- und langfristigen gesellschaftspolitischen Konzepten weichen.


1 Eine genaue Aufarbeitung des juristischen Problems kann nachgelesen werden in: Abermann, Öffentlicher Wohnraum für Migranten?, migraLex 2008, 67 ff.

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