Aktuelles zur städtischen Dimension der EU-Politiken

Aktuelles zur städtischen Dimension der EU-Politiken

Städte sind die Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung Europas. Gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Krise stellt sich die Frage: Was unternimmt die EU, um die Motoren am Laufen zu halten? Der „Europäische Städtetag“, der Anfang Februar in Prag stattfand, bot einen Einblick in die beginnende Debatte zur Zukunft der Kohäsionspolitik und über EU-Instrumente zur Stärkung der städtischen Dimension (Teil 1*).

 

Europäischer Städtetag in Prag
Am 6. Februar 2009 organisierte der Vorsitzende des Tschechischen Städtebundes, der EU-Parlamentarier Oldrich Vlasak, gemeinsam mit einigen tschechischen und internationalen Organisationen, eine Konferenz mit dem Titel: „Europäischer Städtetag“. Die Veranstaltung konnte dem Attribut „europäisch“ leider nicht gerecht werden. Einerseits blieb die Teilnahme – mit Ausnahme einiger VertreterInnen des Europäischen Parlaments sowie der Mitorganisatoren – auf tschechische BürgermeisterInnen beschränkt. Andererseits erscheint es sinnvoll – angesichts ihrer inhaltlichen Qualität –, über viele Beiträge den Mantel des Schweigens zu breiten. Umso mehr hoben sich demgegenüber die Beiträge der EU-Parlamentarier Oldrich Vlasak und Jan Olbrycht sowie jener der EU-Kommissarin für Regionalpolitik Danuta Hübner ab.

Bericht des EU-Parlaments zur städtischen Dimension
Oldrich Vlasak war der Berichterstatter des EU-Parlaments für den „Bericht über die städtische Dimension der Kohäsionspolitik in der neuen Programmperiode“1. Dieser Bericht enthält eine Reihe von anschaulichen Argumenten für die Bedeutung der Städte: 70 bis 80% des Bruttosozialproduktes des EU werden in den Städten geschaffen. Dabei verbrauchen Städte aber weltweit auch 75% der Energie und produzieren 80% des CO2-Ausstoßes. An politischen Forderungen enthält der Bericht selbst wenig Neues. Bemerkenswert ist aber, dass in den Erläuterungen als Mindestniveau der Mittelausstattung für städtische Programme 1.000 Euro pro Einwohner gefordert wird. Bei URBAN II waren es 500 Euro. Damit ist die Debatte über die Kohäsionspolitik nach 2013 wohl endgültig eröffnet.

Kohäsionspolitik für alle
Das zweite bemerkenswerte Referat hielt das polnische Mitglied des Europäischen Parlaments Jan Olbrycht. Er stellte hinsichtlich der Ausrichtung der Kohäsionspolitik nach 2013 fest, dass diese für alle EU-BürgerInnen dazusein habe, weil es sich dabei um eine grundlegende Politik der EU handelt. Das Ziel „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ (RWB = „Ziel 2“) müsse also beibehalten werden. Eine Fokussierung der Kohäsionspolitik nur auf die Ärmsten (Konvergenz = „Ziel 1“) bedeutet ihr sicheres Ende. Wenn die Nettozahler nicht auch in den Genuss von Kohäsionsmitteln kämen, würde der politische Druck zur Reduzierung der Gelder schnell ansteigen. Dann muss damit gerechnet werden, dass die finanziellen Mittel rasch kleiner und kleiner werden würden.
Er wies auch darauf hin, dass die Konjunkturprogramme der EK bereits gravierende Auswirkungen auf die Umsetzung der laufenden operationellen Programme haben und sicher auch auf die Zeit nach 2013 noch haben werden. Wenn die EK nun vorschlägt, dass die OPs flexibler gemacht werden sollten, so wäre dies – angesichts der gerade erst beendeten monatelangen Verhandlungen über die OPs – nicht ohne Ironie. Gleichzeitig böten aber bevorstehende Änderungen der Regulative Chancen, z. B. dass zukünftig bis zu 4% der EFRE-Mittel zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden eingesetzt werden können.

Das Jahrhundert der Städte
Während das 20. Jahrhundert jenes der Regionen war – so Olbrycht, wird das 21. Jahrhundert jenes der Städte sein. Alle wesentlichen Entwicklungen fokussieren sich auf die Städte. Dies kann man mögen oder auch nicht, aber es ist Realität. Aus diesem Grunde werden Städte auch die Priorität der zukünftigen Kohäsionspolitik sein müssen. Deshalb sei auch die Zusammenarbeit von Städten und ihren Regionen wichtig. Letztere seien das Auto, die Städte aber die Motoren. Kein Auto fährt ohne Motor, außer bergab. Um diesen Umstand zu berücksichtigen, müsste die Kohäsionspolitik nach 2013 auf funktionale Regionen („functional urban areas“) ausgerichtet werden und nicht wie bisher auf administrative Einheiten. Deshalb werden in Zukunft auch immer mehr statistische Daten auf den NUTS-3- und -4-Ebenen zu erfassen sein.
Olbrycht sprach auch das – zuletzt die regionalpolitische Debatte – dominierende Thema des „territorialen Zusammenhalts“2 an. Aus seiner Sicht handelt es sich dabei um inhaltlich wenig Neues, lediglich um einen Wechsel der Methode. Unerwähnt ließ er aber Fakten wie, dass sich heute „43% der Wirtschaftsleistung und 75% der Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation […] auf nur 14% des EU-Gebietes, das sogenannte ,Fünfeck‘ zwischen London, Hamburg, München, Mailand und Paris, konzentrieren. In den meisten EU-Mitgliedstaaten hat sich die Wirtschaftstätigkeit zunehmend auf die Hauptstadtregionen fokussiert. So gesehen ist die zunehmende Divergenz innerhalb der EU-Wirtschaften auch ein Ausdruck des starken Wachstums der Metropolen.“3
Die zunehmende Bedeutung der Metropolen wird auch in dem lesenswerten Buch „Marjampole, oder Europas Wiederkehr aus dem Geist der Städte“ eindrucksvoll beschrieben – siehe den nebenstehenden Kasten.
Vor diesem Hintergrund befindet sich die „EU-Regionalpolitik in einem Zielkonflikt zwischen ausgleichsorientierten, wirtschaftlichen und politischen Interessen (Konvergenz) und wachstumsorientierten Motiven“5 der Lissabon-Strategie. Wie angesichts der derzeitigen Wirtschaftskrise dieser Zielkonflikt gelöst wird, wird sicher spannend.

Hübner: Städte entscheidend!
Erstaunlich eindeutig waren die Ausführungen von Hübner. Einleitend stellte sie klar, dass Städte gegenwärtig ausschlaggebend für die Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung sind. Was in den Städten passiert, ist entscheidend auch für ihr Umland, ja für die ganze Region, in der sie liegen. „Städte sind jene Orte, in denen der Kampf gegen den Klimawandel gewonnen oder verloren werden wird“, so Hübner im O-Ton. Gerade in der gegenwärtigen Krise müssten alle Politiken der EU auch die städtische Dimension mitberücksichtigen. Eine kohärente Einbeziehung der Städte sei der beste Weg, um die Potenziale der Städte auch tatsächlich zu nützen. Ein so klares Bekenntnis zur Rolle der Städte war bisher noch den wenigsten RepräsentantInnen der EK über die Lippen gekommen.
Es gehe – so Hübner weiter – einerseits um die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit der Städte, andererseits aber auch um den Kampf gegen soziale Exklusion in den Städten. Deshalb liegt der Schlüssel zum Erfolg in einem „integrierten Ansatz“. Nicht nur der Europäische Regionalfonds (EFRE), sondern auch der Europäische Sozialfonds (ESF) sind wichtig für die Städte. Aussagen wie diese geben zur Hoffnung Anlass, dass sich eine „integrierte“ Sichtweise der städtischen Dimension auch in der EK ausbreitet. Danach referierte Hübner die Ergebnisse der ersten Analyse der städtischen Dimension in den neuen operationellen Programmen für den EFRE.
Insgesamt wurden 10 Milliarden Euro explizit für Maßnahmen in den Städten programmiert. Berücksichtigt man auch die implizit Städten zugute kommenden Maßnahmen anderer Programmachsen, könnten nochmals 20 Milliarden Euro veranschlagt werden.
Textauszüge aus der „Zusammenfassung“ der Analyse der EK bietet der nachstehende Kasten.
Zu hoffen bleibt allerdings, dass die Erkenntnis der entscheidenden Rolle der Städte nicht nur in der Sphäre von Sonntagsreden und Analysen verbleibt, sondern sich in der nächsten Periode auch in der finanziellen Fokussierung der Strukturfonds niederschlägt. Lediglich 3% der Ressourcen auf die entscheidenden Punkte der Schlacht aufzuwenden, kann nur eine Niederlage garantieren!
Über Herausforderungen und Instrumente, mit denen die EU die städtische Dimension zu stärken versucht, informiert der Teil 2 dieses Berichts, der in der nächsten ÖGZ erscheint.


* Teil 2 über EU-Instrumente zur Stärkung der städtischen Dimension erscheint in der kommenden Ausgabe der ÖGZ.
1 European Parliament (2008/2130(INI)) v. 28. 1. 2009.
2 „Grünbuch zum territorialen Zusammenhalt – territoriale Vielfalt als Stärke“ (KOM (2008) 616 endg).
3 „EU-Regionalpolitik im Spagat zwischen Wachstums- und Ausgleichszielen“, Harald Zschiedrich, in: Wirtschaft und Gesellschaft, 34. Jg. (2008), Heft 4, S. 516.
4 Karl Schlögel, „Marjampole, oder Europas Wiederkehr aus dem Geist der Städte“, Fischer Taschenbuch Verlag, 2009, S. 198.
5 „EU-Regionalpolitik …“, S. 509.

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