Förderung sozialer Kompetenz in der Ausbildung kommunaler Lehrlinge

Förderung sozialer Kompetenz in der Ausbildung kommunaler Lehrlinge

In der Lehrlingsausbildung steht häufig die Vermittlung von fachlichen Inhalten im Vordergrund. Ist dies ausreichend, damit Jugendliche in der veränderten Arbeitswelt erfolgreich sein können? Müsste die Förderung sozialer Kompetenz nicht auch einen zentralen Teil der Ausbildung einnehmen? Anhand eines Praxisbeispiels wird gezeigt, wie soziale Kompetenz gefördert werden kann.

 

Einleitung
„Die Problematik der Lehrlingsausbildung liegt darin, dass diese auf den ‚Lebensberuf‘ ausgerichtet ist und sich inhaltlich in der Regel auf die ‚Vermittlung von eng begrenzten Fachqualifikationen‘ beschränkt“ (vgl. Gruber 2004, 32, zit. nach Klemenjak 2006, 66). „Diese Ausrichtung steht jedoch diametral zu den Anforderungen, die heute bzw. in Zukunft notwendig sind, um am Erwerbsarbeitsmarkt zu bestehen“ (Klemenjak 2006, 66).
Die Berufsbildungswissenschafterin Elke Gruber (2001, 203) weist darauf hin, dass Qualifikationen erforderlich sind, die konträr zum traditionellen Berufekonstrukt stehen. Dabei handelt es sich um „eine hohe Qualifikation auf möglichst allgemeiner Basis“, „eine breite Qualifikation (…), die unterschiedliche berufliche Dimensionen miteinander verknüpft“, „eine Eignung zur raschen Aufnahme von speziellen Qualifikationen“ und „eine Verinnerlichung moderner Arbeitstugenden wie Flexibilität, Mobilität, Kreativität“.
Nun stellt sich folgende Frage: Wie können die Jugendlichen die soeben skizzierten Qualifikationen erwerben? Ich vertrete die These, dass bei der Förderung der sozialen Kompetenz angesetzt werden muss, damit die Jugendlichen diese Qualifikationen erwerben können.

Was ist soziale Kompetenz?
Dazu die Trainerin Helga Scheicher (2008, 331): „Ein Mensch ist sozial kompetent, wenn er sein Wissen, seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten situationsbezogen einsetzen kann und seine individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten mit den Anforderungen der zwischenmenschlichen Situation zusammentreffen.“ Unter anderem führt Scheicher folgende Einzelaspekte an: Kontaktfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Fähigkeit zur Reflexion und Selbstreflexion, Kritikfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Flexibilität, Teamfähigkeit, situationsbezogene Handlungsfähigkeit (vgl. Hof 2002, zit. nach Scheicher 2008, 331).

Förderung sozialer Kompetenz: Aber wie?
Fachliche Inhalte können relativ einfach vermittelt werden. Nach dem klassischen Schema „vormachen, nachmachen und üben“ kann von den AusbilderInnen „abgeprüft“ werden, ob die Lehrlinge die vermittelten fachlichen Inhalte auch beherrschen und in weiterer Folge über fachliche Kompetenz verfügen. Aber wie sieht es mit der sozialen Kompetenz aus? Ich bin der Ansicht, dass diese nicht „abgeprüft“ werden kann. AusbilderInnen können lediglich die Rahmenbedingungen schaffen, damit Jugendliche soziale Kompetenz erwerben können. In weiterer Folge wird gezeigt, wie dies in der Praxis erfolgen kann.

Förderung sozialer Kompetenz: Praktische Umsetzung
Im Sommer 2004 wurde die Kärntner Gemeinde-Lehrlingsinitiative ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt steht der „Interkommunale Ausbildungsverbund Kärnten“ (IKAV Kärnten), ein freiwilliger Ausbildungsverbund für Lehrlinge in Kärntner Stadt- sowie Gemeindeämtern und -betrieben. Unter anderem ist der IKAV Kärnten eine Beratungs- und Serviceeinrichtung in Sachen Lehrlingsausbildung. Darüber hinaus bietet dieser Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrlinge und AusbilderInnen an.
Die Förderung der sozialen Kompetenz der Gemeindelehrlinge nimmt bei den Aktivitäten des IKAV Kärnten einen großen Stellenwert ein. Nachfolgend wird auf ausgewählte Angebote näher eingegangen.

• „Gesellschaftszertifikat“
Die Lehrlinge haben die Möglichkeit, das „Gesellschaftszertifikat für Lebenskultur und moderne Umgangsformen“ zu erweben. Die Tanzwelt Wankmüller in Klagenfurt, die unsere Kooperationspartnerin ist, hat gemeinsam mit dem VTÖ (Verband der Tanzlehrer Österreichs) ein pädagogisch wichtiges Unterrichtsprogramm für Jugendliche entwickelt. Die Inhalte sollen den Schritt ins Gesellschafts- und Berufsleben erleichtern und die Grundlage für gutes Benehmen im Alltag bilden. Zu diesem Zweck werden Workshops zu folgenden Themen durchgeführt: „Menschen miteinander – Spielregeln der modernen Kommunikation“, „Outfit – Wirkung ohne Worte“, „Souverän bei Tisch – Essen, trinken und noch viel mehr“ sowie „Von der kleinen Party zum großen Ball – sicher über alle Hürden“.
Bestandteil dieses Programms ist auch ein „Testessen“, bei dem die Jugendlichen die erworbenen Kenntnisse in die Praxis umsetzen. Darüber hinaus finden zahlreiche Übungen – wie zum Beispiel die richtige Begrüßung oder das Binden einer Krawatte – statt. Nach erfolgreicher Teilnahme erhalten die Lehrlinge das „VTÖ Gesellschaftszertifikat für Lebenskultur und moderne Umgangsformen“.
• Lehrgang „Erfolgreich im Job“
Speziell für Kärntner Gemeindelehrlinge haben wir – in Kooperation mit der Trainerin Helga Scheicher – den Lehrgang „Erfolgreich im Job“ entwickelt. Dieser besteht aus drei Modulen und wird mit dem „Zertifikat für Sozialkompetenz“ abgeschlossen.
• Weitere Angebote
Zusätzlich bieten wir unter anderem Bildungsmaßnahmen für Lehrlinge zu folgenden Themen an: Bewerbungstraining, Umgang mit schwierigen Gesprächssituationen, Suchtprävention, Fit im Kopf, Erfolgreiches Beschwerdemanagement, Das Telefon als Visitenkarte, DISG®-Persönlichkeitstraining oder Mentaltraining. Unsere Kooperationspartnerin ist dabei die Kärntner Verwaltungsakademie.

Aber auch bei Bildungsmaßnahmen, bei welchen fachliche Inhalte vermittelt werden, wird darauf geachtet, dass die Förderung der sozialen Kompetenz der Jugendlichen im Vordergrund steht. In diesem Kontext werden unter anderem Gruppenarbeiten, gruppendynamische Übungen, Rollenspiele oder Pro-Kontra-Debatten durchgeführt.

Resümee
Im vorliegenden Beitrag wurde dargestellt, wie die soziale Kompetenz der kommunalen Lehrlinge gefördert werden kann. Davon ausgehend, dass in der Lehrlingsausbildung fachliche Inhalte im Vordergrund stehen, wurde beschrieben, dass es weiterer Qualifikationen bedarf, damit Jugendliche in der veränderten Arbeitswelt erfolgreich sein können. In diesem Zusammenhang wurde die These aufgestellt, dass bei der Förderung der sozialen Kompetenz angesetzt werden muss. Darauf aufbauend erfolgte ein Definitionsversuch von sozialer Kompetenz. Anhand eines Praxisbeispiels – nämlich der interkommunalen Lehrlingsausbildung in Kärnten – wurde gezeigt, wie soziale Kompetenz gefördert werden kann. Exemplarisch erfolgte die Beschreibung von Bildungsmaßnahmen, wie zum Beispiel des „Gesellschaftszertifikats“ oder des Lehrganges „Erfolgreich im Job“. Die Darstellung weiterer Angebote rundet den vorliegenden Beitrag ab.
Schließen möchte ich mit den Ausführungen der Berufsbildungswissenschafterin Elke Gruber (2004, 34 f.): „Die berufliche Bildung wird in ihrer Ausrichtung auf Fachlichkeit nicht obsolet, sie wird jedoch Inhalte und Methoden grundlegend verändern müssen. Der Erstausbildung wird die Aufgabe der Grundausstattung mit beruflichen Basisqualifikationen zukommen, sie muss aber auch zum Weiterlernen und Umlernen befähigen. Mehrfachqualifikationen und Schlüsselqualifikationen, die quer zu klassischen Ausbildungsfächern liegen, sind verstärkt anzubieten.“

Verwendete Literatur
Gruber, Elke (2001): Beruf und Bildung – (k)ein Widerspruch? Bildung und Weiterbildung in Modernisierungsprozessen. Innsbruck/Wien/München.
Gruber, Elke (2004): Berufsbildung in Österreich. Einblicke in einen bedeutenden Bildungssektor. In: Verzetnitsch, Fritz et al. (Hrsg.): Jugendliche zwischen Karriere und Misere. Die Lehrausbildung in Österreich, Innovationen und Herausforderungen. Wien, 17–38.
Klemenjak, Martin (2006): Die Lehrlingsausbildung (k)ein Zukunftsthema? Das innovative Netzwerk „Interkommunaler Ausbildungsverbund Kärnten“. Klagenfurt.
Scheicher, Helga (2008): Soziale Kompetenz. In: Rimser, Markus (Hrsg.): Train the Trainer Version 2.0. Arbeitshandbuch für Ausbildner, Trainer und Dozenten. Norderstedt.

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