Verstehen, vertrauen, verbinden KundInnenfreundliche Sprache in der öffentlichen Verwaltung

Verstehen, vertrauen, verbinden KundInnenfreundliche Sprache in der öffentlichen Verwaltung

Um die Erkenntnisse aus dem mehrjährigen Prozess „Wien spricht anders“ am Leben zu erhalten und zu vertiefen, veranstaltet die Stadt Wien mehrere Workshops für ihre MitarbeiterInnen.

 

Im Rahmen der Seminare an der Verwaltungsakademie wurden die Inhalte des Leitfadens „Wien spricht anders“ wieder aufgefrischt. Daraus abgeleitete, für die MitarbeiterInnen wichtige Themen, wie beispielsweise „Kriterien der Verständlichkeit“, wurden gezielt aufgegriffen und bearbeitet.

Verständlichkeit selbstverständlich?
Rechtliche sowie fachliche Vorgaben wirken oft wie ein zu enges Korsett, das es den AbteilungsmitarbeiterInnen mitunter schwer macht, kundInnenfreundlich zu kommunizieren.
Welche Werkzeuge stehen dabei zur Verfügung, um dieses Korsett aufzuschnüren und auf Verständlichkeit und Übersichtlichkeit in Texten zu achten?
Schriftlich wie auch mündlich kommunizierte Botschaften müssen für die jeweiligen EmpfängerInnen verständlich sein. Nur so kann die Information wirklich ankommen und die gewünschten Reaktionen und Handlungen bewirken.

Verständlich informieren
„Mündig ist, wer sich informieren kann.“
(FRIEDEMANN SCHULZ VON THUN)

Eine Demokratie ist nach dem Kommunikationswissenschaftler Schulz von Thun darauf angewiesen, dass ihre BürgerInnen politische, rechtliche und gesellschaftliche Informationen auf eine verständliche Weise vermittelt bekommen.
Das Funktionieren der Demokratie ist in hohem Maße davon abhängig, dass die BürgerInnen ihre Rechte und Pflichten kennen und verstehen. Die Wahrnehmung der Rechte bzw. die Erfüllung der Pflichten dürfe nicht z. B. durch unverständliche Schriftstücke oder Formulare erschwert werden.
Schwerverständlichkeit kann laut Schulz von Thun auch schwerwiegende gesellschaftliche Folgen nach sich ziehen:
• Informationen bleiben im Besitz sprachlich versierter Gruppen,
• sprachlich benachteiligte Gruppen erfahren ständig Misserfolge, halten sich selbst für zu wenig begabt und verlieren damit die Motivation, sich mit Informationen auseinanderzusetzen.

Was macht Verständlichkeit aus?

„Aus vielen Worten entspringt ebenso viel Gelegenheit zum Missverständnis.“
(WILLIAM JAMES, 1842–1910,
amerikanischer Philosoph)

Neben der Typografie – Einsatz von Farbe, Schriftart, Wortwahl und Satzbau – trägt auch die inhaltliche Strukturierung stark zur Verständlichkeit bei. Hierbei kann die Auseinandersetzung mit folgenden Fragen hilfreich sein: „Was müssen die LeserInnen wissen, damit sie diese Information verstehen? Kann ich dieses Wissen voraussetzen, oder muss ich die Punkte im Text erklären?“ Ein Blick auf die Lesereihenfolge von Informationen kann auch zur besseren Verständlichkeit beitragen. Hierbei lautet die Faustregel: Zuerst die allgemeinen und erst anschließend die speziellen Informationen platzieren.

Hamburger Verständlichkeitskonzept
Sämtliche Werkzeuge und Gestaltungsmittel für Verständlichkeit lassen sich schlussendlich auf vier Dimensionen herunterbrechen und messen. Der bekannteste und in der täglichen Praxis am besten umsetzbare Ansatz zur Analyse und Messung von Verständlichkeit geschriebener Texte ist das „Hamburger Verständlichkeitskonzept der Gestaltung von Texten“.
Dieses Konzept wurde von 1969 bis 1974 unter den PsychologInnen Inghard Langer, Reinhard Tausch und Friedemann Schulz von Thun entwickelt. Es orientiert sich an der obersten Zielsetzung beim Verfassen von Texten – nämlich, dass diese von den EmpfängerInnen richtig und schnell verstanden werden. Mit dem Modell wurden erstmals objektive Kriterien für die Verständlichkeit von Texten definiert. Texte, die nach diesem Konzept gestaltet wurden, hatten z. T. eine Verdoppelung der Verständnis- und Behaltensleistung von LeserInnen (Erwachsene und SchülerInnen) zur Folge.

Die vier Verständlichkeitsdimensionen
Das „Hamburger Verständlichkeitskonzept“ definiert vier zentrale Grundkriterien für Verständlichkeit.
Von folgenden „Verständlichkeitsmachern“ hängt es ab, ob die platzierte Information von möglichst vielen EmpfängerInnen verstanden wird:
1. Einfachheit
2. Gliederung/Ordnung
3. Kürze/Prägnanz
4. Zusätzliche Anregung
Diese vier Verständlichkeitskriterien sind bei jedem Text in unterschiedlicher Ausprägung enthalten und anwendbar.
Die ersten beiden Punkte Einfachheit und Gliederung/Ordnung haben sich als die wichtigsten Gestaltungshebel erwiesen. Deren durchgängige Beachtung wird empfohlen. Zu beachten ist, dass der Punkt Kürze/Prägnanz bei einem übermäßigen Einsatz unhöflich wirken kann. Die Verwendung von zusätzlichen Anregungen sollte gezielt mit Fokus auf die EmpfängerInnen-Gruppe erfolgen. Zusätzliche Anregungen lenken leicht vom Wesentlichen ab und setzen daher eine gute Gliederung/ Ordnung voraus. Bei Amtsschreiben wirken zusätzliche Anregungen unpassend.
Die vier Verständlichkeitskriterien des „Hamburger Verständlichkeitskonzept“ er¬heben weder einen Anspruch auf Vollständigkeit, noch müssen diese in vollem Umfang angewendet werden, um Texte hinsichtlich ihrer Verständlichkeit zu analysieren.
Sie stellen jedoch einige wichtige und für die tägliche Arbeit leicht anwendbare Werkzeuge dar, die eine derartige Überprüfung von Texten erleichtern und effizienter machen.
In der Praxis spielt sich Textverständlichkeit zwischen drei Polen ab. Das erreichbare Maß an Verständlichkeit wird sich meistens nach den Bedürfnissen des Autors richten, d. h. nach seiner Zeit, seinen Medien usw. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Thema des Textes – komplizierte Sachverhalte sind nicht unbegrenzt einfach darstellbar.
Schließlich entsteht die Verständlichkeit eines Textes erst im Zusammenspiel mit den Voraussetzungen der LeserInnen. Die Textverständlichkeit muss also genau auf die Text-Zielgruppe abgestimmt werden. Sprachlich weniger Geübte benötigen andere verständlichkeitsfördernde Mittel als z. B. VielleserInnen. Bei LeserInnen mit hohen Wissensvoraussetzungen kann die Darstellung komplexer sein als bei Laien.
Im einzelnen Schreibprozess gilt es, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Polen der Autorenangemessenheit, der Sachangemessenheit und der LeserInnenangemessenheit zu finden.

Verständlichkeit schafft Vertrauen
Einander verstehen ist im zwischenmenschlichen Umgang eine große Herausforderung. Eine verständliche Sprache bedingt die Auseinandersetzung mit dem Gegenüber und drückt Wertschätzung und Aufmerksamkeit aus. Klarheit schafft Vertrauen. Durch verständliche Sprache können Erwartungen leichter erfüllt und Missverständnisse reduziert werden.

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