Der Mehrwert von Kunst und Kultur für den städtischen Raum

Der Mehrwert von Kunst und Kultur für den städtischen Raum

Im Auftrag des Österreichischen Städtebundes wurde vom Linzer Institut für qualitative Analysen (LIquA) in Kooperation mit der Österreichischen Kulturdokumentation eine Studie erstellt, die der Frage nachgeht, welche Effekte durch Kunst und Kultur im städtischen Raum ausgelöst werden.

 
Neben grundlegenden Betrachtungen und empirischen Analysen zu 15 ausgewählten österreichischen Städten (Graz, Linz, Innsbruck, Salzburg, Wiener Neustadt, Steyr, St. Pölten, Wels, Klagenfurt, Villach, Eisenstadt, Lienz, Krems, Baden und Bregenz) erfolgte in der Studie auch eine Detailbetrachtung des kulturellen Feldes in den Städten Linz, Graz und Krems. Basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen wurde zudem ein Argumentationsleitfaden entwickelt, der Städten zur besseren Legitimation von Investitionen im weiteren Sinn in den Kunst- und Kulturbereich dienen soll.
Kunst und Kultur haben sich zu einem wichtigen Faktor von städtischer Politik entwickelt. Sie prägen das Außen- und Innenimage von Städten, werden eingesetzt, um Stadtteile und Straßenzüge aufzuwerten, TouristInnen anzuziehen und ein innovationsfreundliches Klima zu schaffen. Kunst und Kultur werden in vielfältiger Weise als Standortfaktoren eingesetzt und mit zahlreichen verschiedenen Aktivitäten gepflegt. Museen sind zu zentralen städtischen Imagefaktoren im Konkurrieren um TouristInnen geworden und öffentliche wie private Bauten erregen mit prestigeträchtiger und auffallender Architektur Aufmerksamkeit. In der Konkurrenz der Städte verhalten sich Regierungen wie Unternehmen, betreiben – unter anderem mit Hilfe von Kunst und Kultur – Standortmarketing und erhoffen sich dadurch Unverwechselbarkeit. In der Europäischen Union bewerben sich Städte für den Titel Kulturhauptstadt Europas (z. B. Graz 2003 oder Linz 2009), wovon sie sich insbesondere erhöhte Aufmerksamkeit und Investitionen in die kulturelle Infrastruktur erhoffen. Auch im Ringen um qualifizierte Arbeitskräfte wird auf die Faktoren Kultur und Lebensqualität gesetzt. Darüber hinaus wurde erkannt, dass Kunst und Kultur und die sie tragenden kreativen Milieus wichtige gesellschaftliche Experimentierfelder darstellen, die darüber hinaus zukunftsfähiges Arbeitsmarktpotenzial aufweisen (Stichwort Kreativwirtschaft).

Ressourcenknappheit beherrscht Diskussion
Das kulturelle Feld einer Stadt hat – so wird ersichtlich – eine strategische Bedeutung für die lokale und regionale Entwicklung und einen wichtigen Platz auf der politischen Agenda der Städte und Regionen. Trotz dieses Stellenwerts ist aber die Diskussion innerhalb der (kommunalen) Kulturpolitik seit einiger Zeit durch Ressourcenknappheit und Budgetsperren, Angebotsreduzierungen und Schließungsdebatten sowie durch die Implementierung von neuen Steuerungsmodellen beherrscht. Diese Diskussionen wurden zum einen durch vielfach problematische Haushaltssituationen der Kommunen ausgelöst. Zum anderen wurde und wird in diesem Zusammenhang argumentiert, dass politische Entscheidungen auf der Grundlage von Beweismitteln an Stelle ideologischer Präferenzen zu fällen seien (= Evidence Based Policy Making). Man darf in diesem Zusammenhang aber nicht vergessen, dass diese Präsentation einer politischen Neutralität selbst eine ideologische Entwicklung darstellt, die eng verknüpft ist mit der stark politisierten New Public Management Agenda der 1980er- und 1990er-Jahre. Ein wesentliches Merkmal dafür war die Anwendung der privatwirtschaftlichen Managementsysteme auf die Organisation der Verwaltung der öffentlichen Dienste und die Fokussierung auf neue Schwerpunkte, wie Wettbewerbsfähigkeit, interne Märkte, Outsourcing, Zielvorgaben, Leistungsindikatoren etc. Dies sei der beste Weg, so wurde begründet, dass die Ressourcen effektiv und effizient eingesetzt werden können (vgl. Bennett 2007, S. 4). Für kommunalpolitische AkteurInnen wird es jedenfalls zunehmend schwieriger, im Verteilungskampf um knapper werdende Budgets eine wirksame Argumentationsgrundlage zu finden, um den Bereich der Kunst und Kultur vor einschneidenden Maßnahmen zu verschonen. Auch ist die Diskussion um den Stellenwert von Kunst und Kultur nicht selten von der Unklarheit geprägt, wie dieser Wert bzw. Mehrwert überhaupt bestimmbar ist. Hiermit sind Fragen nach Parametern zur „Messung“ von künstlerischen und kulturellen Leistungen und die Einordnung und Bewertung von Entwicklungen in diesem Bereich angesprochen. Um nicht einer einseitigen, bloß ökonomischen Charakterisierung von Kunst und Kultur zu unterliegen, bedarf es dabei einer vielschichtigen Betrachtung des kulturellen Feldes.

Die Studie
In der Studie „Der Mehrwert von Kunst und Kultur für den städtischen Raum“ erfolgt diese Betrachtung entlang zentraler Bereiche. In einem sogenannten Basispaket wird dabei zuerst das kulturelle Feld im engeren Sinn untersucht. Umfasst werden damit (1) kulturelle AkteurInnen, Einrichtungen und Organisationen sowie Infrastrukturen, (2) kulturelle Angebote, Leistungen und Produkte/Werke sowie (3) die kulturelle Steuerung (Kulturpolitik, Kulturförderung und -finanzierung). In einem Folgeschritt finden sich einzelne Indikatoren definiert, die für eine Bewertung des kulturellen Feldes relevant sind, wie etwa der differenzierte Personalstand der kulturellen Einrichtungen, die Anzahl der kulturellen Veranstaltungen oder die Mittelaufbringung und Mittelverwendung in den Kultureinrichtungen. Zu den 15 ausgewählten Städten finden sich für das kulturelle Feld einzelne Indikatoren, die auf die kulturelle Infrastruktur (z. B. die Anzahl an Museen und Galerien, Theatern oder Konzertsälen) oder die Ausgaben und Einnahmen für Kunst, Kultur und Kultus abzielen. Außerdem wurde in der Studie das Vorhandensein von kulturellen Planungsinstrumenten (Kulturleitbilder und -entwicklungspläne, Kulturbeiräte, Kulturförderberichte, …) erhoben.
In den folgenden Kapiteln werden die zentralen Bereiche behandelt, in denen kulturelle Effekte im städtischen Raum identifiziert werden können: „Kulturelle Teilhabe“, „Freizeitverhalten und Lebensstile“, „Erwerbs- und Wirtschaftsstruktur“, „Tourismus“, „Demografischer Wandel“ sowie „Bildung und Ausbildung“. Für jeden dieser Bereiche wird beschrieben, wie diese auf Kunst und Kultur wirken und vice versa welche Effekte Kunst und Kultur auf den jeweiligen Bereich ausüben, wobei insbesondere auf den städtischen Raum Bedacht genommen wird. Anhand des Bereichs „Demografischer Wandel“ kann dies verdeutlicht werden. Der demografische Wandel, d. h. die Überalterung der Gesellschaft, die Individualisierung und der wachsende Anteil an MigrantInnen, bewirkt eine Veränderung der Zielgruppen und damit NutzerInnen der kulturellen Angebote. Das unterschiedliche Interesse der Altersgruppen an kulturellen Angeboten erfordert zielgruppenspezifische Angebote für Kinder und Jugendliche, für SeniorInnen und für MigrantInnen. Auf der anderen Seite können durch Kunst und Kultur auch entsprechende Effekte in Bezug auf den demografischen Wandel ausgelöst werden. So weist der US-amerikanische Ökonom Richard Florida Kunst und Kultur im städtischen Wettbewerb um EinwohnerInnen und um die Ansiedlung von Unternehmen einen entscheidenden Anteil zu. Die Entfaltung der Kreativität und der Zuzug der Kreativen – der sogenannten „Creative Class“ – werden ganz wesentlich durch kulturelle Umfeldbedingungen beeinflusst. Florida stellt dabei die These auf, dass Firmenstandorte sich mehr und mehr nach der Ortswahl der Creative Class richten werden. Städte und Regionen, in denen ein offenes, tolerantes Milieu, ein vielfältiges Kulturleben und ein innovatives Klima herrscht, werden einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil haben (vgl. Florida 2002). Mit der Ansiedlung von kulturellen Einrichtungen kann auch die Bevölkerungsstruktur in Städten bzw. Stadtteilen beeinflusst werden. Ein Artikel in der amerikanischen „Business Week“ nennt die besten Standorte in amerikanischen Städten, die durch Korrelation der Anzahl kultureller Einrichtungen mit dem Bevölkerungsanteil der 24- bis 34-Jährigen sowie einer großen ethnischen Vielfalt errechnet wurde (vgl. Roney 2007).

Datenlage für Kulturbereich problematisch
Für alle Bereiche finden sich in der Studie jeweils auf die Städte bezogene Indikatoren, wobei angemerkt werden muss, dass die Aussagekraft einzelner Indikatoren aufgrund der Datenlage teilweise eingeschränkt ist. Grundsätzlich muss konstatiert werden, dass die empirische Datenlage für den Kunst- und Kulturbereich in Österreich eine detailliertere Analyse nur schwer ermöglicht. Die Kulturstatistik der Statistik Austria erfasst bloß rudimentär einige wenige Indikatoren, andere Datenquellen sind nur spärlich vorhanden. Eine differenziertere und umfassendere Datenerhebung von Seiten der Statistik Austria wäre hier anzuraten. In der Studie finden sich demnach auch Empfehlungen, welche Indikatoren für eine weiterführende Analyse auf städtischer Ebene zu erheben wären.
Besondere Bedeutung kommt dem 14-seitigen Argumentationsleitfaden zu, der am Ende der Studie zu finden ist. Er basiert auf den Ausführungen, Erhebungen und Analysen der 200-seitigen Studie und liefert in kompakter Form verschiedene Argumente für kommunalpolitische AkteurInnen, um Investitionen in Kunst und Kultur zu legitimieren. In ihm finden sich dazu auch weiterführende Ergebnisse aus Studien und Befragungen sowie Verweise auf Best Practices.
Die Studie inklusive Argumentationsleitfaden steht unter www.liqua.net und www.kulturdokumentation.org zum Download zur Verfügung.


Literatur:
Bennett, Oliver, Arts and culture: another case of policy-based evidence making? Understanding the relationships between „research“, „effective evaluation“ and „responsible advocacy“, London 2007, abrufbar unter www.ahrc.ac.uk/images
position_paper_oliver_bennett.pdf, Zugriffsdatum: 18. Jänner 2008
Florida, Richard, The rise of the creative class, And how It’s Transforming Work, Leisure, Community and Everyday Life, Basic Books, New York 2002
Roney, Maya, Bohemian Today, High-Rent Tomorrow, 2007, abrufbar unter www.BusinessWeek.com print/bwdaily/dnflash/content/feb2007/db20070226
_149427.htm, Zugriffsdatum: 18. Jänner 2008
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