Städte sind Rückgrat im Kampf gegen Wirtschaftskrise

Städte sind Rückgrat im Kampf gegen Wirtschaftskrise

Städtetag-Pressekonferenz am 27. Mai in Bruck an der Mur

 

„In der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise sind Österreichs Städte und Gemeinden besonders gefordert, ihre Leistungen für jene BürgerInnen, die in sozialer oder wirtschaftlicher Not sind, zu erhöhen“, so Städtebund-Präsident Bürgermeister Michael Häupl anlässlich des Pressegesprächs unmittelbar vor der Eröffnung des 59. Österreichischen Städtetages in Bruck/Leoben/Kapfenberg.
Häupl wies darauf hin, dass 2007 die Nettoausgaben im Bereich Soziale Wohlfahrt bei allen Gemeinden (ohne Wien) 1,155 Milliarden Euro betrugen. Verglichen zu 2006 entspricht das einer Steigerung von +8,3%. Im Vergleich zum Jahr 2000 beträgt die Steigerung sogar mehr als 50%. 2007 ist es zu einer Steigerung der kommunalen Ausgaben für Leistungen der sozialen Wohlfahrt trotz einer guten Wirtschaftsentwicklung gekommen. „Heuer, wo die Wirtschaftskrise in ihrer ganzen Wucht spürbar ist, müssen wir mit stark ansteigenden Aufwendungen der Städte in diesem Bereich rechnen“, so Städtebund-Vizepräsident Bürgermeister Siegfried Nagl. So wird es im Pflegebereich gemäß WIFO-Prognose bei den Sachleistungen – Sozialhilfebereich, Pflegeheime, mobile Dienste – bis 2030 zu einer Verdreifachung kommen. Das entspricht einer jährlichen Steigerung von 12,5% bis 2030. Die Geldleistungen – Pflegegeld – steigen nur um gut 50%. Nagl: „Die Belastung des Bundes, der vor allem die Geldleistungen trägt, wird auch in Zukunft deutlich niedriger sein als die Belastung der Städte und Gemeinden.“ Bei seinem Amtsantritt vor sechs Jahren hatte Graz 107 Millionen Euro für den Sozialbereich ausgegeben, aktuell sind es bereits 157 Millionen Euro.
Angesichts der Tatsache, dass die Einnahmen der Städte und Gemeinden aus den Ertragsanteilen weiter sinken werden, fordert der Österreichische Städtebund eine grundlegende Reform des Sozialbereichs. Städtebund-Präsident Häupl: „Wir müssen neue Finanzierungsmöglichkeiten des Sozialbereichs ernsthaft überlegen, etwa in Form einer Pflegeversicherung oder einer Vermögensbesteuerung. Die Belastungen im Sozialbereich müssen im Rahmen einer aufgabenorientierten Verteilung der Ertragsanteile berücksichtigt werden.“

Effizienz- und Effektivitätssteigerung im Sozialbereich notwendig
Das kommunalwissenschaftliche Institut KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung hat im Vorfeld des Städtetages eine Studie zur Kostenexplosion im Sozialhilfebereich erstellt. Am Städtetag selbst wird sich ein eigener Arbeitskreis mit der Thematik auseinandersetzen. Derzeit bestehen zahlreiche Schnittstellenprobleme und Zuständigkeitslücken, die zu Effizienz und Effektivitätseinbußen führen. Anzuführen sind hier beispielsweise unterschiedliche Zugangsbedingungen zur Sozialhilfe in den einzelnen Bundesländern, das fehlende Mitbestimmungsrecht der Gemeinden trotz Kofinanzierung, mangelhafte Koordination zwischen den Akteuren des Sozialhilfesystems oder Schnittstellenprobleme zum Bildungs- oder Gesundheitsbereich. „Daher fordert der Österreichische Städtebund einheitliche institutionelle und kompetenzrechtliche Regelungen und einheitliche Qualitätsstandards“, so der Bru¬cker Bürgermeister und Vorsitzende der Landesgruppe Steiermark des Österreichischen Städtebundes, Bernd Rosenberger.
Eine klare Definition des Bildungsauftrages von Seiten des Bundes sei notwendig, so Nagl, der den „bildungsmäßigen Graubereich“ kritisierte. Die Kommunen würden nicht nur als Schulerhalter auftreten, sondern darüber hinaus viele Bildungsmaßnahmen aus eigener Tasche finanzieren, die grundsätzlich dem Bund zuzuordnen sind.
In den vergangenen Jahren habe man in der Region zwischen Bruck/Mur, Kapfenberg und Leoben vieles vorangebracht. Die mit Hinterland 250.000 Einwohner starke Hochsteiermark würde seiner Jugend besonders im Bildungsbereich ein breites Angebot anbieten: vom Uni-Standort Leoben über die Fachhochschule in Kapfenberg bis zur einzigen Forstschule Österreichs in Bruck. Der Einnahmenentfall sei „natürlich zu bemerken“, so die drei Bürgermeister der genannten Städte, Brigitte Schwarz (Kapfenberg), Bernd Rosenberger (Bruck/Mur) und Matthias Konrad (Leoben). Abwanderung und Überalterung seien weitere Problemfelder, denen man aber mit Engagement entgegentrete.

Wirtschaftskraft der Städte stärken
Als Wirtschaftsmotoren des Landes müssen Österreichs Städte jetzt Maßnahmen zur Konjunkturbelebung setzen. Es sind vor allem kommunale Infrastrukturinvestitionen im Bereich der Daseinsvorsorge, also der Leistungen im öffentlichen Interesse, die der Konjunktur wieder Schwung verleihen können und die für die Lebenssituation der StädterInnen essenziell sind. Eine Umfrage unter den Mitgliedern des Österreichischen Städtebundes hat ergeben, dass diese in den Jahren 2009 und 2010 Investitionen von mehr als 2 Milliarden Euro tätigen könnten, sofern eine ausreichende und günstige Finanzierung gewährleistet ist. Daher fordert der Österreichische Städtebund ein kommunales Infrastrukturinvestitionspaket (KIIP). So soll der Bund Österreichs Städten und Gemeinden den Zugang zu günstigen Finanzierungsmöglichkeiten, etwa durch die Auflage von Anleihen, ermöglichen. Schwerpunkte der kommunalen Investitionen sollen die Bereich Kindergärten, Schulen und Altenheime sein.
Leistungen im Bereich der Kinderbetreuung sollen die kommende Generation für die bevorstehenden Herausforderungen rüsten, die Eltern entlasten und gleichzeitig den privaten Konsum stützen. „Sie sollen aber nicht in Zeiten wie diesen die Wirtschaftskraft der Kommunen schwächen“, stellt Häupl klar. Die Verhandlungen über das verpflichtende Gratiskindergartenjahr für 5-Jährige zeigen einmal mehr, wie wichtig es ist, alle beteiligten Gebietskörperschaften rechtzeitig in die Gespräche einzubeziehen. Die §-15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern ist ausverhandelt, für die Städte und Gemeinden als Rechtsträger der Kindergärten sind jedoch noch eine Reihe Fragen offen. So müssen die Kapazitäten bereits Anfang September – also gut vier Wochen nach dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes – bereitstehen. Offen ist für viele Städte und Gemeinden, wie das gehen soll. Die vom Bund bereitgestellten Mittel reichen für die nötigen Investitionen bei weitem nicht aus, die nötigen KindergartenpädagogInnen werden am Arbeitsmarkt nur schwer zu rekrutieren sein etc.

Jetzt Qualität der Daseinsvorsorge ausbauen
Eine Mitte Mai vom Österreichischen Städtetag präsentierte Studie zeigt, dass in der momentanen Situation die Zuverlässigkeit, Qualität und Leistbarkeit der Leistungen im öffentlichen Interesse für die BürgerInnen unverzichtbar ist. Den BewohnerInnen von Österreichs Städten ist bewusst, dass die Städte und Gemeinden diese Leistungen garantieren können. Funktionieren die Leistungen der Daseinsvorsorge nicht, leidet die Zufriedenheit mit der Lebenssituation und die soziale Balance in den Städten sehr stark. „Daher ist es für Österreichs Städte umso wichtiger, jetzt in den Erhalt und Ausbau der Daseinsvorsorge zu investieren. Das sichert die soziale Balance in unseren Städten und belebt die Konjunktur“, so Häupl abschließend.

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