Kommunale „Musterwebsite“ – kostenlose Ausgangsbasis für Internetprojekte

Kommunale „Musterwebsite“ – kostenlose Ausgangsbasis für Internetprojekte

Nicht zuletzt durch die Entwicklungen im Bereich E-Government sind die Anforderungen an Internetauftritte der öffentlichen Verwaltung in den letzten Jahren drastisch gestiegen, unter anderem mündeten sie in einer gesetzlichen Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung. Die Leitinitiative „E-Government-Referenzstädte“ des Österreichischen Städtebundes (ÖStB) bietet als Lösungsansatz für den Bereich der Internetplattformen eine kommunale „Musterwebsite“ an, welche alle wesentlichen aktuellen inhaltlichen und technischen Anforderungen bereits von vornherein berücksichtigt. Daher kann eine Gemeinde mit der kommunalen Musterwebsite auch sehr rasch online gehen.

 

Hintergrund – E-Government-Referenzstädte
Die Leitinitiative „E-Government-Referenzstädte“ strebt den Aufbau einer möglichst durchgängigen E-Government-Verfahrensarchitektur in ausgewählten Städten an. Dabei wird der gesamte elektronische Bearbeitungsprozess berücksichtigt.1
Die Umsetzung der Initiative beinhaltet eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen. Zum Einsatz kommen Erhebungen (z. B. zu Postausgangs- und Posteingangsvolumen und -arten), Analysen (z. B. zur Barrierefreiheit von Webangeboten), Umsetzungsleitfäden (z. B. Leitfaden zur Eingangspostdigitalisierung, Leitfaden zur Steigerung der Quote elektronischer Empfänger) und konkrete Implementierungen (z. B. Aufbau eines Amtssignaturmoduls, Schnittstellen für interne und externe Datenintegration etc.). Im Bereich der kommunalen Internetplattform ist neben Un¬terstützungsleistungen im Rahmen der HELP-Content-Syndizierung oder der WAI-Evaluierung von kommunalen Websites auch der Aufbau einer kommunalen Musterwebsite erfolgt.

Vorteile der Lösung
Die Lösung bietet für Kommunen deutliche Vorteile, sowohl auf der Kostenseite als auch inhaltlicher bzw. technischer Natur. Für die Musterwebsite wurde das Open Source Content Management System (CMS) – Joomla! 1.5.122 – eingesetzt, für welches aus diesem Grund nicht nur keine Lizenzierungskosten anfallen, sondern darüberhinaus auch eine offene Erweiterbarkeit möglich ist. Dadurch wird eine Bindung an einen speziellen Anbieter vermieden. Außerdem kann bei offenen Fragen jederzeit auf die Ressourcen der sehr großen Joomla!-Community im Internet zurückgegriffen werden. Das CMS, welches hinsichtlich der Funktionalität, Modularität, vor allem aber durch eine sehr benutzerfreundliche Oberfläche hervorsticht, bietet die Hauptmerkmale
- eines modularen Aufbaus sowie dementsprechende Erweiterbarkeit und
- eines hohen Verbreitungsgrads im deutschsprachigen Raum.
Der modulare Aufbau ermöglicht eine leichte Erweiterbarkeit der Systemfunktionalitäten. Diese können entweder durch Inanspruchnahme von Community-Erweiterungen3 oder durch Eigenprogrammierung erfolgen. Der hohe Verbreitungsgrad im deutschsprachigen Raum gewährleistet nicht nur eine vollständige deutsche Übersetzung aller Systemkomponenten, sondern erleichtert auch Unterstützungsleistungen seitens der Community.
Die Kostenvorteile ergeben sich weiters aus zwei verschiedenen Aspekten. So müssen auf der einen Seite weder für die Verwendung des Systems noch für die einzurichtenden Systembenutzer Lizenzkosten geleistet werden. Ebenso ergeben sich deutliche Kostenvorteile aus dem Einsatz der vorentwickelten Umgebung: So müssen viele Bestandteile des Systems nicht mehr neu adaptiert werden, da diese zentral in der kommunalen Musterlösung vorbereitet wurden. Im Rahmen der Umsetzung wird daher ein Großteil der Entwicklungskosten erspart, es fallen ausschließlich Tätigkeiten an, die für die Individualisierung der Website notwendig sind.
Die kommunale Musterwebsite hält sich hinsichtlich Webstruktur, Inhalte/Funktionen sowie Layout und Grafik an Richtlinien und Vorgaben, die sich sowohl an Kriterien für den öffentlichen Bereich orientieren als auch an grundlegenden Normen im Bereich der Benutzerfreundlichkeit im World Wide Web (WWW).

Webstruktur
Die Webstruktur definiert die Seitenhierarchie eines Webauftritts und ist für den Besucher primär über die Navigationselemente sichtbar. Sie definiert also, welche Inhalte welcher Gruppe bzw. welcher Kategorie zugehören. Neben dem benutzerorientierten Zugang sollen aber auch die zu verarbeitenden Inhalte der Organisation (z. B. Gemeindeverwaltung) beachtet werden. Es ist daher einerseits wichtig, bei Erarbeitung einer Seitenstruktur sowohl Benutzerinteressen, andererseits aber auch Inhalte und verschiedene erwünschte Anwendungen und deren Beziehung zueinander zu berücksichtigen. Hierarchische inhaltliche Strukturen können hinsichtlich deren „Breite“ (Menge der Themenbereiche) und „Tiefe“ (Detaillierungsgrad der Information) kategorisiert werden. Bei Webauftritten mit einem hohen inhaltlichen Umfang bietet eine breitere Darstellung einige Vorteile: Wird nämlich bei einer großen Website nur in wenige Bereiche pro Navigationsebene unterschieden (tiefe Struktur), hat dies für den Benutzer zur Folge, dass er mehrere Ebenen durchwandern muss und deswegen auch mehr Auswahlmöglichkeiten seitens der Seitenstruktur vorgeschlagen bekommt, was erwiesenermaßen verwirrend wirkt bzw. dazu beiträgt, dass sich der Benutzer auf der Website „verirrt“.
Bei kommunalen Websites handelt es sich um Seiten mit einem sehr umfangreichen inhaltlichen Angebot, die Wahl einer breiten Menüführung ist daher vorzuziehen. Strukturell erfolgt bei der kommunalen Musterwebsite eine Trennung der unterschiedlichen Navigationsmechanismen (Trennung von inhaltlicher und unterstützender Menüführung) und die Menüstrukturen orientieren sich an definierten Lebenssituationen bzw. einer Untergliederung nach Verfahrens- und Leistungsbereichen. Damit fließen auch Empfehlungen der Österreichischen E-Government-Strategie in die Umsetzung der kommunalen Musterwebseite mit ein, die somit auch eine idealtypische Struktur für den Aufbau kommunaler Webseiten vorgibt. Die Webstruktur kann jedoch im Falle einer Verwendung frei verändert bzw. an die individuellen Wünsche angepasst werden.

Inhalte und Funktionen der Musterwebsite
Die Musterwebsite ist grundlegend für den hohen inhaltlichen Umfang von kommunalen Internetauftritten vorbereitet. So liegt nicht nur die Struktur als Musterlösung vor, auch sind die Inhalte und Funktionen in einem großen Teil vorbereitet. Es sind dies etwa Inhalte, die im Rahmen der sogenannten „Content Syndizierung“ von HELP.gv.at zur Verfügung gestellt werden. Sie wurden bereits direkt und nativ in die kommunale Musterwebsite syndiziert. Damit stehen den Gemeinden, die sich für die Implementierung der Musterwebsite entscheiden, bereits vollständige Inhalte zu zwölf Lebenssituationen aus dem übertragenen Wirkungsbereich des Bundes (z. B. Gewerbe, Heirat, Geburt etc.) zur Verfügung. Weitere HELP-Services wie das Formular-Basispaket (Online-Formulare aus dem übertragenen Wirkungsbereich des Bundes) ergänzen das Angebot. Zusätzlich ist exemplarisch auch das Formularangebot des kommunalen Formularservices „amtsweg.gv.at“4 in den Webauftritt eingebettet. Dabei handelt es sich um knapp 100 abgestimmte kommunale Formulare, die barrierefrei und nach den Empfehlungen des Formular-Styleguides des Bundes entwickelt wurden. Funktionell sind derzeit auch Dienste implementiert, die den Webredakteur in seiner täglichen Arbeit unterstützen: So erfolgen Funktionen wie die Sitemap oder das Glossar vollkommen automatisch, auch die Darstellung von dynamischen Inhalten wird seitens der Administratoren einmalig definiert und erfolgt anschließend automatisch. Da nicht nur das System einen modulartigen Aufbau besitzt, sondern auch die visuelle Ausgabe auf diesem Konzept beruht, können je Unterseite auch unterschiedliche Bereiche und Inhalte zu- bzw. abgeschaltet werden: So wird es beispielsweise ermöglicht, bestimmte Contentabfragen (z. B. zum Thema passende Beiträge oder Formulare) bei unterschiedlichen Subseiten zu generieren.
Wie die Praxis im kommunalen Internet-bereich zeigt, werden seitens der Kommunen oft Spezialanwendungen für deren funktionalen Umfang des Internetauftritts benötigt. Der Basisumfang der kommunalen Musterwebsite kann deswegen jederzeit – durch Erweiterungen in Form von Drittmodulen – an diese individuellen funktionellen Anforderungen angepasst werden. Ebenso können inhaltliche Erweiterungen problemlos auch im laufenden Betrieb erfolgen.

Layout und Grafik
Im Rahmen des grafischen Konzepts besitzt die kommunale Musterwebsite zumindest fünf Layoutvorlagen (beispielhafte Umsetzung eines Farbbrandings, Ermöglichung individueller Adaptionen) und berücksichtigt weitere Mindestanforderungen. Das Basisdesign lässt sich jederzeit an das Corporate Design der jeweiligen Gemeinde anpassen – eine Zuweisung von verschiedenen Templates auf bestimmte Unterseiten ist auf einfache Weise möglich.
Im Rahmen der Template-Entwicklung fanden selbstverständlich die internationalen Richtlinien zur Webzugänglichkeit (Barrierefreiheit) Beachtung – als Mindestumsetzungsstandard galt dabei die Stufe „WAI-A“ nach WCAG1 bzw. Vorgaben nach der Version 2 der WCAG. In der Umsetzung wurden stellenweise auch Vorgaben höherer WAI-Checkpunkte berück¬sichtigt, sofern sie einen noch höheren Grad der Barrierefreiheit und somit auch erhöhter Benutzerfreundlichkeit nach sich ziehen (z. B. Bereitstellung von XHTML-konformen Quellcode). Die Website entspricht weiter gängigen technischen Internet-Standards (z. B. XHTML, CSS, RSS).
Auch an kleinere Details, die bei Umsetzungsprojekten in der Praxis weniger stark Berücksichtigung finden, wurden implementiert: So besitzt das Template der kommunalen Musterwebsite beispielsweise einen Print-Stylesheet5, eine sogenannte Skip-Navigation6, ein aktives und automatisches Hervorheben von externen Links7 oder die Hervorhebung des Keyboard-Fokus8.

Leistungsfähigkeit des Systems
Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit bietet das System grundlegende Content-Management-Standards: Zeitschaltung für Beiträge, WYSIWYG-Editor9 zur Beitragserstellung, unbeschränkte Anzahl an Benutzern u. v. m. Erweiterungen, die über den Standardumfang hinausgehen, können außerdem entweder aus dem umfangreichen Joomla!-Erweiterungskatalog herangezogen werden oder durch Eigenprogrammierung (PHP/MySQL) erfolgen. Die Erweiterungen betreffen sowohl das Front-End (Internet-User und Redakteur-Ansicht) als auch das Back-End (Administratoren-Oberfläche).
Die Sicherheitsmaßnahmen sollten sich weiter an übliche Standards orientieren: Diese sind im Bereich der Server Hard- und Software, dem System und im inhaltlichen Bereich zu tätigen.
Der Betrieb der kommunalen Musterwebsite erfordert lediglich eine Standard-Webserverumgebung. Zusätzlich sind Betreiber Betriebssystem-seitig an keine Plattformen gebunden: Die Musterwebsite läuft sowohl nativ und selbstverständlich virtuell auf gängigen Webserver-Architekturen10.

Fazit
Mit der kommunalen Musterwebsite bekommen alle Mitgliedsstädte des ÖStB eine kostenschonende, aber trotzdem sehr weit an die Anforderungen der Gemeindeverwaltung angepasste, leistungsfähige Web-Lösung zur Verfügung gestellt. Die Website besitzt alle Vorteile eines modernen CMS, unangenehme Lizenzfragen oder Betreiberabhängigkeiten fallen weg. Im Gegenteil steigt mit einer Nutzung der kommunalen Musterwebsite die Flexibilität und auch Autonomie gegenüber zukünftig benötigten Erweiterungen bei gleichzeitiger Einsparung eines großen Teils des Initialaufwands.
Die Musterwebsite ist außerdem laufenden Adaptierungen unterworfen. Implementiert werden nicht nur Systemupdates, teilweise finden auch Systemerweiterungen statt. Für Ende 2009 ist seitens der Joomla!-Community ein Major Update ge¬plant, welches die zwei wesentlichen noch fehlenden Systemfunktionen mitbringen wird: Die Möglichkeit, eine Versionisierung von Beiträgen durchzuführen, sowie ein noch umfangreicheres und abgestuftes Benutzer- und Rechtemanagement sind Teil davon – auch diese werden Be¬rück¬sichtigung und damit Einzug in die kommunale Musterwebsite finden.

Links
Kommunale Musterwebsite,
kmw.referenzstaedte.at
E-Government-Referenzstädte,
digitale.staedte.gv.at



1 Vgl. Österreichischer Städtebund, E-Government-Re¬ferenzstädte, digitale.staedte.gv.at/initiative (20. 7. 2009).
2 System-Updates auf die jeweilige aktuelle Version werden laufend durchgeführt.
3 Vgl. Open Source Matters, Joomla! Core Team, extensions.joomla.org (20. 7. 2009).
4 Vgl. Amtsweg.gv.at, www.amtsweg.gv.at
(20. 7. 2009).
5 Ein Print-Stylesheet ist eine eigene Web-Formatvorlage, welche es dem Benutzer erlaubt, Web-Inhalte bequem über den Browser auszudrucken. Über diese Formatvorlage werden alle für einen Druck nicht notwendigen Web-Inhalte ausgeblendet (z. B. Menüführung oder Grafiken), die Technik wird vom aktuellen Webrowser standardmäßig unterstützt und ist barrierefrei.
6 Eine Skip-Navigation ist eine für grafische Browser nicht sichtbare Navigation, mit der wichtige Seiteninhalte in einem Textbrowser verknüpft sind.
7 Externe Links werden grafisch mit einem Icon hervorgehoben.
8 Das aktive Tastaturelement wird grafisch hervorgehoben.
9 „What You See Is What You Get“ – ein Word-ähnlicher Editor für das Bearbeiten der Inhalte.
10 Vgl. Joomla! System Requirements,
help.joomla.org/content/view/34/169/
(21. 7. 2009).

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