Public Service Obligations (PSO) – Überblick zur Umsetzung (Stand 17. September 2009)

Public Service Obligations (PSO) – Überblick zur Umsetzung (Stand 17. September 2009)

Mit 3. Dezember 2009 tritt die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße („Public Service Obligations“ – kurz „PSO“) in Kraft. Das Hauptmotiv der Verordnung ist – abgeleitet von den Hauptzielen des Weißbuchs der Kommission zur europäischen Verkehrspolitik – die Schaffung der EU-rechtlichen Rahmenbedingungen für einen „regulierten Wettbewerb“ zur Gewährleistung sicherer, effizienter und hochwertiger Personenverkehrsdienste. Im Folgenden sollen Themenschwerpunkte, die für Städte und Gemeinden von besonderem Interesse zur praktischen Umsetzung der PSO sind, dargestellt werden.

 

Mit dem kommenden Inkrafttreten der PSO besteht Anpassungsbedarf in der nationalen Gesetzgebung, insbesondere im Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 (ÖPNRV-G), im Kraftfahrliniengesetz (KflG) sowie im Bundesvergabegesetz (BVergG). Dazu wur¬de seitens des BMVIT eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern des BMVIT, der Länder, Verkehrsverbünde, Städte, Sozialpartner sowie der Verkehrsunternehmen eingerichtet. Thema dieser Arbeitsgruppe, die von März bis Juni 2009 fünfmal tagte, waren die materiell–rechtlichen Änderungserfordernisse insbesondere im KflG und ÖPNRV-G. Seitens des BMVIT ist in weiterer Folge die Begutachtung ab Ende Oktober 2009 vorgesehen.

Keine ÖPNRV-Reform
Durch das BMVIT wurde von Beginn an klar gestellt, dass eine generelle Strukturreform des ÖPNV aufgrund des gegebenen kurzen Zeitraumes bis zur Umsetzung kein Thema dieser Arbeitsgruppe sein kann. Objektiv in Hinblick auf den kurzen Diskussionsprozess gesehen ist dies richtig, allerdings zeigte sich auch in diesen Diskussionen, wie schwierig die Ausgangs¬position für die nunmehrige Umsetzung der PSO auf Basis der äußerst komplexen und wenig transparenten Organisations- und Finanzierungsstruktur des ÖV in Österreich ist.

Gemeinden als „Zuständige Behörden“
Der Begriff „Behörde“ lt. PSO deckt sich nicht mit der „Konzessionsbehörde“ laut geltendem KflG mit hoheitlichen Aufgaben. Die „zuständige Behörde“ lt. Art. 2 zielt auf die Befugnis „… zur Intervention im öffentlichen Personenverkehr in einem bestimmten Gebiet …“. Intervention bedeutet dabei die Gewährung von Zahlungen (in Form von Dienstleistungskonzessionen, Dienstleistungsaufträgen oder Zuschussverträgen) und/oder ausschließlicher Rechte für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen. In Österreich entspricht dies sinngemäß eher dem „Aufgabenträger“-Begriff. Als zuständige Behörden sind Bund, Länder und Gemeinden sowie Verkehrsverbundorganisationsgesellschaften (VOG) vorstellbar. Von besonderer Bedeutung für Kommunen als „zuständige örtliche Behörden“ mit einem „internen Betreiber“, also einem eigenen Verkehrsunternehmen, das die vergaberechtlichen Voraussetzungen für eine Inhouse-Vergabe erfüllt, ist die Definition deren Zuständigkeitsgebiete. In Art. 5 Abs. 2 lit. b PSO findet sich ein Hinweis, dass diese Abgrenzung nicht zu eng (etwa Gemeindegrenzen) gefasst werden muss, da „… abgehende Linien oder sonstige Teildienste, die in das Zuständigkeitsgebiet benachbarter zuständiger örtlicher Behörden führen …“ zulässig sind.

Die Vergabe
Die Regelungen, wie gemeinwirtschaftliche „Leistungsbestellungen“ für öffentliche Verkehre durchgeführt werden können, bilden das Herzstück der PSO. Artikel 5 regelt die Vergabe öffentlicher Dienstleistungen, dieser eröffnet gegenüber der bestehenden Rechtslage einen substanziell erweiterten Spielraum für die Vergabe von öffentlichen (Verkehrs-) Dienstleistungen ohne Durchführung von wettbewerblichen Vergabeverfahren.
Zum einen besteht die Möglichkeit der (bereits jetzt unter bestimmten Voraussetzungen) möglichen Inhouse-Vergabe durch die „zuständige örtliche Behörde“ oder – bemerkenswerterweise – auch durch eine Gruppe von Behörden an „interne Betreiber“ lt. Art. 5. Abs. (2), über die zumindest eine Behörde „… eine Kontrolle ausübt, die der Kontrolle über ihre eigene Dienststellen entspricht“. Die Möglichkeit der Inhouse-Vergabe durch eine Gruppe von Behörden bietet künftig offenbar einen breiten Spielraum – nach Ansicht der Rechtsgutachter des BMVIT (Prof. Aicher/Dr. Lessiak) ist für eine derartige Gruppe keine besondere Rechtsform erforderlich, ein Gemeindeverband oder eine Genossenschaft scheint ausreichend. Wichtig im Falle einer Inhouse-Vergabe ist, dass der interne Betreiber im Sinne der Reziprozitätsklausel gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. b PSO nicht an wettbewerblichen Vergabeverfahren („Ausschreibungen“) außerhalb des entsprechenden Zuständigkeitsgebietes „seiner“ zuständigen örtlichen Behörde teilnehmen darf.
Zusätzlich eröffnet nun die PSO als wirklich neue Ausnahme von den sonst vorgeschriebenen wettbewerblichen Vergabeverfahren laut Vergaberichtlinie bzw. BVergG („Ausschreibungen“) besondere Möglichkeiten einer Direktvergabe (siehe Art. 5 Abs. 4 bis 6 PSO): so können die zuständigen Behörden (als Auftraggeber) entscheiden, Leistungen mit einem geschätzten Jahresdurchschnittswert von unter 1,0 Millionen Euro oder Personenverkehrsleistungen unter 300.000 km p. a. direkt zu vergeben. Im Falle einer gewünschten Vergabe an Verkehrsunternehmen, die nicht mehr als 23 Fahrzeuge betreiben, erhöhen sich die o. a. Schwellenwert auf das Doppelte, also 2,0 Millionen Euro Jahresdurchschnittswert oder weniger als 600.000 km p. a. (dies entspricht einer Möglichkeit zur besonderen Förderung von Klein- und Mittelunternehmen, wobei in der PSO auf das Problem der Definition hinsichtlich Unternehmensstrukturen und damit verbundener Fragen zur korrekten Ermittlung der Fahrzeugzahlen nicht weiter eingegangen wird). Zudem besteht die Möglichkeit, eine Direktvergabe in Form einer „Notmaßnahme“ (eingeschränkt auf max. 2 Jahre) durchzuführen.
Diese Möglichkeiten der Direktvergabe haben aber nach derzeitiger bundesgesetzlicher Rechtslage einen „Haken“ in Form des nationalen Untersagungsvorbehaltes gem. Art. 5. Abs. 4 PSO. Da im geltenden BVergG der Schwellenwert für derartige Direktvergaben 40.000 Euro (bzw. aufgrund der Schwellenwerteverordnung 2009 befristet bis 31. Dezember 2010 100.000 Euro) beträgt, kann dieser Spielraum nicht genützt werden, wenn das BVergG nicht entsprechend novelliert wird und diese Bestimmungen der PSO übernimmt. Im Zusammenhang mit der Anwendung des nationalen Vergaberechtes im Lichte der PSO wurde seitens der Europäischen Kommission in einer Stellungnahme vom 25. Juni 2009 zur diesbezüglichen Anfrage des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt nochmals klargestellt, dass die Gesetzgeber der EU entschieden haben, „… zur Wahrung des Prinzips der Subsidiarität den für die Organisation des öffentlichen Verkehrs jeweils national zuständigen regionalen und lokalen Behörden eine zentrale Rolle zukommen zu lassen“. Und weiter: „Dem nationalen Gesetzgeber kommt dabei eine Grundsatzkompetenz zu, ein angemessenes Wettbewerbsniveau zu definieren.“ Somit soll der nationalstaatliche Gesetzgeber bestimmen, welche Bandbreite der mögliche „regulierte Wettbewerb“ künftig in Österreich einnehmen wird.
Der Österreichische Städtebund hat jedenfalls im Konsultationsverfahren zur BVergG-Novelle 2008 bereits am 17. Dezember 2008 darauf hingewiesen und gefordert, dass für Vergaben im ÖPNV nach Inkrafttreten der PSO ausschließlich deren Bestimmungen gelten sollen. Mit Beschluss des Ministerrates vom 8. September 2009 wurde nun der diesbezüglich angepasste Entwurf des BVergG dem Nationalrat zur verfassungsmäßigen Behandlung zugeleitet. Demnach ist vorgesehen, die vereinfachten Regelungen zur Vergabe von Konzessionen und Dienstleistungsaufträgen im öffentlichen Personenverkehr laut PSO in das BVergG zu übernehmen. Bei einer nächstmöglichen Zuweisung durch den Nationalrat könnte die Beschlussfassung durch den Verfassungsausschuss am 15. Oktober 2009, die Beschlussfassung durch das Plenum des Nationalrates frühestens am 22. Oktober 2009 erfolgen.

Transparenz als Erfordernis
Grundsätzlich ist zur Gewährung der Transparenz in Art. 4 PSO der obligatorische Inhalt von Dienstleistungsaufträgen und allgemeiner Vorschriften sowie deren maximal zulässige Laufzeit (Busverkehr 10 Jahre, Eisenbahnverkehr 15 Jahre, Verlängerungsmöglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen um 50% der Laufzeit) festgelegt. Verschärfte Bestimmungen gelten für Direktvergaben (inkl. Inhouse-Vergaben) gemäß Art. 5. Abs. 2, 4, 5 oder 6 PSO sowie für allgemeine Vorschriften, dafür ist lt. Anhang der PSO ein besonderer Nachweis über die Berechnung der Ausgleichsleistung zu erbringen. Grundsätzlich dienen diese Transparenzbestimmungen zur Kontrolle der Einhaltung der vergaberechtlichen Dimension sowie der beihilferechtlichen Dimension – hier insbesondere der nachweislichen Vermeidung der Überkompensation des finanziellen Nettoeffektes durch die Ausgleichsleistung.

Grenzen der Transparenz
Die Ermittlung von angemessenen Ausgleichsleistungen zur Vermeidung von Überkompensationen stößt derzeit aber auf klare Grenzen: eine vollständige, gebündelte und für alle Aufgabenträger zugängliche Information darüber liegt schlicht nicht vor, wobei es in Österreich zwischen den einzelnen Verbünden bzw. Bundesländern und auch Städten im Informationsniveau große Unterschiede gibt. Damit ist es derzeit z. B. einer Stadt ohne internen Betreiber, die als „Besteller“ für einen Verkehrsdienst auftreten möchte, in der Regel unmöglich zu kontrollieren, welche Einnahmen in welcher Höhe (egal ob eigenwirtschaftlich/kommerziell oder durch allfällige Zuschussleistungen Dritter) für das Basisangebot auf einer Linie zur Verfügung stehen. Die Verantwortung für den Nachweis, im Zuge einer Vergabe einer Dienstleistungskonzession keine Überkompensation zu leisten, wird aber nicht zuletzt auch bei der Stadt als örtlich zuständige Behörde liegen.
Somit ist es notwendig, eine Clearingstelle einzurichten, die als „Dienstleister“ für alle zuständigen Behörden/Aufgabenträger des ÖPNV eine entsprechende Anlaufstelle für die erforderlichen vollständigen Informationen bilden. Die gesetzliche Festlegung von Clearingstellen mit entsprechenden Kompetenzen, deren damit verbundenen Aufgaben als Informationsdrehscheiben und „Servicezentren“ für alle Ebenen der „zuständigen Behörden“ sowie deren Verhältnisse zu den Konzessionsbehörden und allen zuständigen Behörden ist dabei ein wesentlicher Schritt zur Umsetzung der PSO.
Derzeit kommen dafür in Österreich wohl am ehesten die Verkehrsorganisationsgesellschaften aufgrund ihrer bereits jetzt breiten Abrechnungsbeziehungen und ihres Know-hows in Betracht, um mit dem geringsten zusätzlichen Aufwand die Transparenz der vorhandenen Zahlungsflüsse vollständig herzustellen. Voraussetzung dafür ist natürlich die rechtliche Gewährleistung der entsprechenden Informationsversorgung durch alle (übrigen) Behörden.

Veröffentlichungspflicht
Die Nachvollziehbarkeit von Vergaben, von gewährten Ausgleichsleistungen sowie ausschließlichen Rechten ist lt. Art. 7 PSO sicherzustellen. So hat jede zuständige Behörde einmal jährlich einen Gesamtbericht über die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes sowie die diesen Betreibern zur Abgeltung gewährten Ausgleichsleistungen und ausschließlicher Rechte zugänglich zu machen. Wo und in welcher Form diese Veröffentlichung zu erfolgen hat, lässt die Verordnung weitgehend offen. In der aktuellen Diskussion wird davon ausgegangen, dass ein Gesamtbericht über das Verkehrsnetz und nicht ein Bericht über einzelne Linien zu erstellen ist. Es wäre jedenfalls sinnvoll, dass eine Clearingstelle (wie auch oben angeführt), die einen Gesamtüberblick über sämtliche gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen hat, auch die Berichterstellung übernimmt. Ein wesentlicher Vorteil für die „Besteller“ würde sich dadurch ergeben, dass nicht nur die notwendige Transparenz für die Vergaben hergestellt wird, sondern gleichzeitig auch Benchmarking und Informationsaustausch zwischen den zuständigen örtlichen Behörden ermöglicht wird.
Weiters hat (für öff. Personenverkehrsleistungen ab 50.000 Jahreskilometer verpflichtend) jede zuständige Behörde spätestens ein Jahr vor Einleitung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens oder ein Jahr vor Direktvergabe die zuständige Behörde, die Art des geplanten Vergabeverfahrens sowie die von der Vergabe möglicherweise betroffenen Dienste und Gebiete zu veröffentlichen. Auch diese Bestimmungen lt. Art. 7 sind sehr vage, Sanktionen für Verstöße – wie etwa die Nichteinhaltung der Fristen – sind nicht angeführt.

Gestaltungsspielraum für die Angebotsplanung/Linienbündelung
Schwierig gestaltet sich die Frage, wie die zuständigen Behörden und Besteller das ÖPNV-Angebot derart effizient gestalten können, dass eine optimale Überlagerung von kommerziellen (eigenwirtschaftlichen) Verkehren und Leistungen in Form von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen (mit Ausgleichsleistungen) ermöglicht wird. Einerseits wird es dazu zwingend erforderlich sein, allein aus volkswirtschaftlicher Sicht gemeinwirtschaftlich finanzierte Verkehre gegenüber kommerziellen Verkehren einem Konkurrenzschutz zu unterziehen. Kommerziell geführte Verkehre sollten dort, wo von den Behörden im Sinne der Gesamtplanung gewünscht, im Sinne der Wirtschaftlichkeit möglichst weitgehend – etwa in Form von Verträgen mit den betroffenen Verkehrsunternehmen – in die öffentlichen Personenverkehrsdienste integriert werden können. Ein wesentliches Element dazu ist auch die Möglichkeit der „Konzessionsbündelung“, also der Harmonisierung der Laufzeit von Konzessionen in einem Planungsbereich mit dem Ziel, mittels Planungen der Behörden ein zwischen eigen- und gemeinwirtschaftlichen Verkehren abgestimmtes Verkehrsangebot erreichen zu können. Diese Option, der die österreichische Judikatur bereits einmal eine Absage erteilt hat (VwGH-Erk. v. 25. 2. 2009 betr. verkürzte Konzessionsdauer in Salzburg), muss ebenfalls im neuen KflG verankert werden.
In der erforderlichen Anpassung von ÖPNRV-G und KflG wird es dazu auch erforderlich sein, das Verhältnis zwischen „Konzessionsbehörde“ sowie den (übrigen) zuständigen Behörden zu regeln, sodass die Vergabe von Kraftfahrlinienkonzessionen (entkoppelt von der Frage der Berufszugangsbestimmungen, die künftig separat geprüft werden sollen) effizient und eng verknüpft mit der Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen abgewickelt werden kann.
Auch wenn die Übergangsregelung gemäß Art. 8 PSO einen relativ großzügigen Spielraum zulässt, bereits laufende Dienstleistungsaufträge weiterlaufen zu lassen: die Umsetzung der Verordnung erfordert umfangreiche Anpassungen im nationalem Recht. Die Erfordernisse für Transparenz, aber auch die steigenden Anforderungen an Planung sowie Vorbereitung und Abwicklung von Vergaben von Verkehrsdiensten sollte als Chance wahrgenommen werden, die Organisations- und Finanzierungsstrukturen des öffentlichen Verkehrs in Österreich zu straffen und damit gleichzeitig die bereits längere Zeit ausstehende Reform des öffentlichen Personenverkehrs in Österreich vorzubereiten.

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