Aktuelle verkehrspolitische Themen auf EU-Ebene

Aktuelle verkehrspolitische Themen auf EU-Ebene

Die Kommission beschäftigt sich derzeit an mehreren Stellen mit dem Thema Mobilität: in Form des Grünbuchs „Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt“, auf das demnächst ein Aktionsplan folgen soll, in Form der Mitteilung zur Zukunft des Verkehrs (als Vorbereitung für ein neues Weißbuch 2011) oder in Form von konkreten Richtlinien, die sich teilweise noch in Ausarbeitung befinden oder bereits beschlossen wurden. Tendenziell kann dabei verstärkt ein Konnex verkehrspolitischer Themen zur Umweltgesetzgebung der Kommission festgestellt werden.

Im September 2007 gab die Europäische Kommission ein Grünbuch mit dem Titel „Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt“ heraus und eröffnete dazu eine Konsultation, die im März 2008 abgeschlossen wurde.
Mit diesem Grünbuch anerkannte die Europäische Kommission den Beitrag eines effizienten Stadtverkehrs zu Erreichbarkeit, Lebensqualität und Wirtschaftskraft der europäischen Städte und somit der europäischen Union als Ganzes. Ziel des Grünbuches war es, Probleme aufzuzeigen, die eine erfolgreiche städtische Mobilität verhindern, und praktikable Lösungen mit allen Beteiligten zu entwickeln. Das Grünbuch legt demzufolge fünf politische Prioritäten fest (flüssiger Verkehr in Städten, „grünere“ Städte, „intelligenter“ – zugänglicher – sicherer Nahverkehr), wollte eine neue städtische „Mobilitätskultur“ initiieren und befasste sich ausgiebig mit dem schwierigen Thema der Finanzierung des ÖPNV. Die Vielfalt an Finanzierungsmöglichkeiten, die die Kommission dazu aufgelistet hat, ist beachtlich. Einziger Wermutstropfen: das Fehlen eines Bekenntnisses zum „modal shift“, also zur Verlagerung des Verkehrs hin zu umweltfreundlichen Mobilitätsformen wie öffentlicher Verkehr, Zufußgehen und Radfahren.
Geplant war, dass bereits im Herbst 2008 auf Grundlage der eingelangten Stellungnahmen (auch der ÖStB brachte eine eigene Stellungnahme ein) ein Aktionsplan vorgelegt werden könnte. Dieser sollte über eine reine Best-practice-Sammlung hinausgehen und eine Reihe konkreter Maßnahmen und Initiativen für eine bessere und nachhaltige Mobilität in der Stadt enthalten. Weiters war vorgesehen, die jeweilige Maßnahme mit einem zeitlichen Umsetzungsrahmen zu versehen und auch Zuständigkeiten für die Umsetzung zu definieren.
Mittlerweile wurde die Europäische Kommission in ihrem Schwung deutlich ausgebremst. Der Aktionsplan lässt – ein Jahr nach dem vorgesehenen Zeitpunkt seiner Veröffentlichung – noch immer auf sich warten und die Kommission prüft. Die Prüfung beschäftigt sich angeblich in erster Linie mit der Subsidiaritätskontrolle.
So hat vor allem Deutschland Bedenken geäußert, der Aktionsplan würde das Subsidiaritätsprinzip teilweise aushebeln, was für die Kommunen bedeuten könnte, eigene Belange nicht mehr selbst regeln zu können.
Im April 2009 hat das Europäische Parlament als Aufforderung in Richtung Kommission, in dieser Sache weiter aktiv zu werden, im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr einen Initiativbericht „über einen Aktionsplan zur Mobilität in der Stadt“ eingebracht, welcher mit 324 zu 11 Stimmen angenommen wurde.1
Der Berichterstatter, Gilles Savary von den französischen Sozialdemokraten, leitet die EU-Kompetenz zum (eigentlich lokalen) Thema urbane Mobilität folgendermaßen ab: Der städtische Nahverkehr leiste einen wertvollen Beitrag zur Verwirklichung der Umwelt- und Klimaziele der EU. Wenn die EU Ziele vorgibt, so muss sie auch Vorschläge für das Erreichen dieser Ziele beeinflussen können („finale Determinierung“).
Unter anderem wird im Bericht des Parlaments als möglicher Inhalt eines künftigen Aktionsplans vorgeschlagen, dass Städte über 10.000 Einwohner städtische Nahverkehrspläne vorlegen sollen, wenn sie in den Genuss von Strukturfondsmittel gelangen wollen. Ein weiterer Vorschlag des Initiativberichts betrifft einen europaweit einheitlichen Sticker zur Einfahrt in Grünzonen. Die Kritik des Deutschen Städtetags dazu lautet wie folgt: Eine einheitliche Plakette zur Einfahrt in Grünzonen war nicht einmal in Deutschland durchzusetzen, da jede Stadt ihre eigenen Schwerpunkte setzen wollten. Es kann angenommen werden, dass eine EU-weite Umsetzung umso unwahrscheinlicher sein wird. Nach heutigem Informationsstand (Stand: 17. 9. 2009) soll der Aktionsplan zur urbanen Mobilität noch Ende September veröffentlicht werden. Das lange Warten darauf hat die konkreten Inhalte des Aktionsplans jedenfalls umso spannender gemacht.

Was hat die EK seit Veröffentlichung des Grünbuchs bereits zum Thema urbane Mobilität getan?
Hier ein kleiner Überblick:
• Eine Website betreffend „clean urban transport“ wurde eingerichtet:
http://ec.europa.eu/transport/themes/urban/index_en.htm.
• Die CIVITAS-Initiative, welche Städte beim Aufbau eines umweltfreundlichen städtischen Nahverkehrssystems unterstützt, soll weiter geführt werden.2
• Ein Call für Projekte zur Verwirklichung der Ziele des Grünbuchs wurde heraus-gegeben (Deadline: Ende März 2009) und
• 2 Studien wurden beauftragt:
– Studie zur besseren Integration unterschiedlicher Verkehrsmittel
– Studie zum Thema Grünzonen.

Wie wird es mit dem Aktionsplan zur Mobilität in der Stadt weitergehen?
Da Deutschland massive Bedenken geäußert hat und starke Proponenten eines Aktionsplans für nachhaltige Mobilität dem Europäischen Parlament nicht mehr angehören3, war einige Zeit unklar, ob die neue Kommission den Aktionsplan weiter bearbeiten wird oder einfach „sanft entschlummern“ lässt. Nun ist die Veröffentlichung des Aktionsplans für Ende September 2009 geplant.
RGRE und Österreichischer Städtebund treten jedenfalls für ein stärkeres Engagement der EU zum Thema „urbane Mobilität“ ein und wollen mit Ideen und Argumenten gut gewappnet sein, sollte es weitere Initiativen der Europäischen Kommission in diesem Bereich geben.

Richtlinie „über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge“
Im September 2007 gab die Europäische Kommission einen revidierten Vorschlag für eine Richtlinie heraus, welche die Markteinführung sauberer und energieeffizienter Fahrzeuge forcieren sollte. Im Zuge öffentlicher Ausschreibungen sollten künftig nicht die Anschaffungs-, sondern die Lebenszykluskosten (unter Einbeziehung des Energieverbrauchs über die gesamte Lebensdauer) der Fahrzeuge als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Die Europäische Kommission erwartete sich davon einen Wettbewerbsvorteil für Fahrzeuge, die in der Anschaffung zwar teurer, über die gesamte Lebensdauer hinweg gerechnet jedoch günstiger sind. Weiters wurden in der Argumentation auch bewusstseinsbildende Effekte angeführt (Vorbildcharakter der öffentlichen Hand).
Der ursprüngliche Richtlinienentwurf wäre für die Kommunen mit enormen finanziellen Belastungen verbunden gewesen. So wurde eine erzwungene, einseitige Konzentration auf Umweltkriterien bei der Vergabe von Lieferaufträgen für Fahrzeuge befürchtet.
Andere, aus praktischer und finanzieller Sicht wesentliche Vergabekriterien (wie z. B. die Wartungskosten der Fahrzeuge) hätten nicht verpflichtend zur Anwendung kommen sollen. Auch war nicht einzusehen, weshalb allein der öffentliche Sektor bzw. (private) Betreiber öffentlicher Stre¬cken zu entsprechenden Fahrzeuganschaffungen verpflichtet werden sollten, wo die Marktanteile der öffentlichen Fahrzeugbeschaffung zwischen 1% (bei Pkw) und 6% (bei leichten und schweren Nutzfahrzeugen) betragen. Von einer „Marktmacht“ des öffentlichen Sektors konnte somit nur bedingt die Rede sein. Insbesondere bei den ebenfalls vom Richtlinienentwurf umfassten Spezialfahrzeugen war aufgrund der spezifischen Einsatzkriterien (welche lokal oftmals stark differieren) kein ausreichendes Potenzial zur Schaffung einer „kritischen Nachfragemasse“ erkennbar. Weiters wurde bezweifelt, ob die Hersteller Skaleneffekte als Preissenkungen an die öffentlichen Nachfrager überhaupt weitergeben würden. Andernfalls hätte der Steuerzahler das Nachsehen (bzw. bei Anschaffungen im ÖV-Bereich der Fahrgast – da davon ausgegangen wird, dass ÖV-Betreiber gesteigerte Kosten über erhöhte Ticketpreise finanzieren würden).
ÖStB und RGRE setzten sich vehement für eine Adaptierung der Richtlinie ein. Für die Kontaktaufnahme mit den Abgeordneten zum Europäischen Parlament (Umweltausschuss) wurde ein RGRE-Positionspapier erstellt, welches auf folgenden Forderungen fußt:
• Anwendungsbereich einschränken
• Ablehnung einer Quotenregelung
• Auswahlkriterien reduzieren
• Methodik zur Berechnung der Lebenszykluskosten freistellen
• Einberechnung finanzieller und administrativer Auswirkungen
Der EU-Ministerrat für Verkehr, Telekommunikation und Energie hat am 30. März 2009 den Richtlinienvorschlag zur Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge verabschiedet.
Der schlussendliche Richtlinien-Kompromiss hat, wie so oft, gute und schlechte Seiten: Der Zeitraum, bis zu diesem die Richtlinie in Kraft treten soll, wurde verkürzt (bereits Dezember 2010) und jegliche finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand bei der Umsetzung der Richtlinie abgelehnt. Allerdings konnte der RGRE wesentliche Anliegen erfolgreich durchsetzen, wodurch das Lobbying als durchaus positiv und erfolgreich zu werten ist:
• Der Anwendungsbereich der Richtlinie wurde eingeschränkt.
Künftig sind nur Fahrzeuge im Eigentum der Kommune von der Richtlinie betroffen. Wenn Städte und Gemeinden Fahrzeuge leasen, so sind diese nicht den neuen Ausschreibungskriterien unterworfen. Auch Spezialfahrzeuge sind von der Richtlinie ausgenommen.4
• Die Kommunen erhalten die Möglichkeit, alternative Methoden zur Berechnung der Lebenszykluskosten anzuwenden.
Besonders dieser zweite Punkt ist für die Kommunen von wesentlicher Bedeutung, erlaubt er den Städten und Gemeinden doch, deren eigene Methode weiterzuführen, sofern eine solche bereits entwickelt wurde.

Was bedeutet die Richtlinie konkret für Städte und Gemeinden?
Im Falle einer öffentlichen Ausschreibung müssen ab Dezember 2010 Behörden sowie gewisse Unternehmen bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen nicht nur den Beschaffungspreis, sondern auch deren über die gesamte Lebensdauer anfallenden Energiekosten und Umweltauswirkungen (CO2, NOx, NHMC und Partikelemissionen) berücksichtigen.
Die Richtlinie gilt für den Ankauf neuer Fahrzeuge durch Auftraggeber, die den Vergabeverfahren der Vergaberichtlinien (2004/17/EG und 2004/18/EG) unterliegen, sowie durch Betreiber, die öffentliche Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags erbringen. Bei Letzteren sind Dienstleis¬tungsaufträge im Sinne der Verordnung (Nr. 1370/2007) über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße gemeint, wenn diese oberhalb der in den Vergaberichtlinien festgelegten Schwellenwerte liegen. Folglich ist die Richtlinie unterhalb dieser Schwellenwerte nicht anwendbar. De facto wird damit eine Lex specialis für den Bereich der Fahrzeugbeschaffung parallel zu den EU-Vergaberichtlinien (2004/17/EG und 2004/18/EG) geschaffen.
Als Herzstück der Richtlinie regelt Artikel 5 die praktische Berücksichtigung der Energie- und Umweltauswirkungen und lässt den Kommunen im Gegensatz zum ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission einen Gestaltungsspielraum: Neben einer von der EU-Kommission in Artikel 6 sowie dem Anhang der Richtlinie geregelten europaweit einheitlichen Berechnungsmethode können auch technische Spezifikationen in den Verkaufsunterlagen die geforderte Berücksichtigung erfüllen.
Im Erwägungsgrund 19 zu der Richtlinie wird eindeutig klargestellt, dass „[…] die Auftraggeber und Betreiber, die bereits auf die lokalen Bedingungen und Bedürfnisse abgestimmte Methoden entwickelt haben, diese auch weiterhin anwenden […]“.
Die Berechnung der Lebenszykluskosten kann demnach auf zweierlei Arten erfolgen:
1. Technische Anforderungen zu Energieverbrauch und Umweltbelastung werden in die Ausschreibung aufgenommen
oder
2. die Ausschreibung schreibt bestimmte höchstzulässige Energie- und Umweltauswirkungen der Fahrzeuge vor.
Ad 2. Soll sich die Ausschreibung nicht an technischen Anforderungen, sondern an den Energie- und Umweltauswirkungen der anzuschaffenden Fahrzeuge orientieren, so kann dies auf zwei Arten erfolgen:
a) Die Berücksichtigung der Kriterien (Umweltauswirkung, Energieverbrauch) muss dokumentiert werden, wobei deren Gewichtung (gegenüber anderen Kriterien) freigestellt wird.
b) In Fällen, wo Energie- und Umweltauswirkungen monetarisiert in die Entscheidung einfließen, muss die in der Richtlinie angegebene Berechnungsmethode verwendet werden.
Der Kommission gibt Art. 8 der Richtlinie die Aufgabe, den Austausch von Informationen und vorbildlichen Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern und zu strukturieren. Die EU hat dazu für Städte und Gemeinden eine eigene Website eingerichtet, um die Umsetzung der Richtlinie zu erleichtern. Dort gibt es u. a. auch einen eigenen Rechner zur Ermittlung der Lebenszykluskosten.5
Ferner hat die EU alle zwei Jahre über die Anwendung der Richtlinie sowie den in den EU-Ländern ergriffenen Maßnahmen zu berichten. Hierbei soll auch die Notwendigkeit zu weiteren Maßnahmen beurteilt werden. Auch soll geklärt werden, inwieweit sich die Berücksichtigung der Energie- und Umweltauswirkungen auf den Markt ausgewirkt haben.
Leistet die Richtlinie nicht den von ihr erwarteten Beitrag zu den Umwelt- und Klimaschutzzielen der EU (Steigerung der Energieeffizienz um 20%, Hebung des Anteils erneuerbarer Energiequellen auf 20% sowie Steigerung des Marktanteils von Biokraftstoffen auf bis zu 10% bis 2020), so behält sich die Europäische Kommission eine Änderung der Richtlinie vor.

Greening transport package/ Eurovignette
Die Europäische Kommission hat bereits im Juli 2008 mit ihrem „greening transport package“ den Anstoß dazu gegeben, den Verkehrssektor in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken. Dieses Paket setzt sich aus mehreren Teilen zusammen, wobei die Revision der Wegekostenrichtlinie im Zentrum steht („Richtlinie über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge“ – neu: „Eurovignetten-Richtlinie“). Ein weiterer Bestandteil des Pakets ist die Mitteilung zur Minderung von Eisenbahnlärm.

„Eurovignetten-Richtlinie“
Die „Eurovignetten-Richtlinie“ sieht eine Internalisierung der externen Kosten durch Mautgebühren für schwere Nutzfahrzeuge vor. Dabei sollen von der EU nicht Mautgebühren in bestimmter Höhe vorgeschrieben werden. Vielmehr will man sich auf einen Rahmen bzw. ein gemeinsames Berechnungsverfahren einigen, mit dessen Hilfe die Mitgliedstaaten Mautgebühren je nach verkehrsbedingter Luft- und Lärmbelastung und Verkehrsaufkommen (elektronisch) berechnen und variieren können. Als erster Schritt dazu wurde im Jänner 2008 von der Europäischen Kommission ein Handbuch zur Berechnung der externen Kosten sämtlicher Transportarten herausgegeben, ohne aber eine Empfehlung für eine bestimmte Berechnungsart abzugeben.
Nun sollen im Rahmen der „Eurovignetten-Richtlinie“ Mindestkriterien sowie eine einheitliche Methode zur Berechnung der nationalen Maut vorgegeben werden. Basierend darauf sollen die Mitgliedstaaten selbst entscheiden, ob als Grundlage für die Berechnung der Mautgebühr die externen Kosten des Straßenverkehrs herangezogen werden (Luftverschmutzung, Lärm, Stau, Beitrag zum Klimawandel) oder lediglich die Kosten für Bau und Erhaltung der Straßeninfrastruktur. Auch eine Bepreisung beider Elemente wäre möglich. Bislang nicht vorgesehen ist eine Berücksichtigung der CO2-Emissionen und Unfallkosten. Die Einnahmen aus der Bemautung sollen jedenfalls zweckgebunden zur Reduktion der negativen externen Effekte aus dem Straßenverkehr verwendet werden („Earmarking“).
Die Maut soll künftig je nach Fahrzeugtyp, Straßenart und Zeit gestaffelt sein und sich bereits nach 2012 über die TEN-Netze hinaus flächendeckend auf alle Transportfahrzeuge beziehen. Auch Lkw mit 3,5–12 t sollen von der Richtlinie umfasst werden. Derzeit ist dies nämlich nicht der Fall, weswegen die Industrie Lkw knapp unter 12 t anschafft, um die Lkw-Maut in Deutschland zu umgehen.
Eine Bemautung von Stadtstraßen ist (nach wie vor) möglich. Daraus lukrierte Einnahmen sollen allerdings auch zur Reduktion der negativen externen Kosten des Straßenverkehrs verwendet werden.

Aktueller Stand
Die Richtlinie wird gerade von den europäischen Institutionen diskutiert. Das EP hat am 11. März 2009 dazu im Plenum eine „legislative Resolution“ gefasst, der Verkehrsministerrat konnte sich aber beim letzten Treffen am 30. März 2009 nicht zu einem Beschluss durchringen, da man in der Krise die Wirtschaft nicht noch stärker zur Kasse bitten möchte. Vor allem die Einbeziehung von Staukosten und die Zweckbindung von Einnahmen zur Reduktion von externen Kosten gelten als besonders kontrovers.
Man darf gespannt sein, ob sich die Verkehrsminister beim nächsten verkehrspolitischen Gipfel im Oktober unter schwedischer Präsidentschaft einigen können. Als Gegner des derzeitigen Entwurfs gelten Deutschland, Spanien, Niederlande, Portugal, Tschechien, Griechenland und Irland. Dafür haben sich die Länder Schweden, Malta, Ungarn, Belgien und Frankreich ausgesprochen. Österreich ist sogar dafür eingetreten, die CO2-Kosten in die Mautgebühr einzuberechnen.
Eine Einigung in dieser Sache ist deswegen besonders wichtig, da damit endlich die Grundlage gegeben wäre für mehr Kohärenz der EU-Politik im Umwelt- und Gesundheitsbereich einerseits und Binnenmarkt- sowie Verkehrsbereich andererseits – selbst wenn die Entscheidung über die Einberechnung externer Kosten weiterhin von den Mitgliedstaaten selbst getroffen werden kann.
Ursprünglich war geplant, dass das Paket noch vor 2011 in Kraft treten soll.

Verkehr und Klimawandel: Biokraftstoffe im Rahmen der Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien
Die Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien wurde als Teil des Klimawandel- und Energie-Pakets im Jänner 2008 herausgegeben. Europäisches Parlament und Rat haben sie bereits beschlossen, die Veröffentlichung steht unmittelbar bevor.
Die Richtlinie sieht vor, dass bis zum Jahr 2020 20% des Gesamtenergieverbrauchs aus erneuerbaren Quelle stammen sollen (im Vergleich zum Jahr 2005). Im Bereich Straßenverkehr sollen die Mitgliedsstaaten dafür Sorge tragen, dass 10% der Antriebsenergie im Jahr 2020 aus erneuerbaren Quellen stammen.
Da gerade Biokraftstoffe und deren Beitrag zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit ins Kreuzfeuer der Kritik geraten sind, wurden seitens der Europäischen Kommission Nachhaltigkeitskriterien definiert, die darüber entscheiden sollen, ob die Energie aus Biokraftstoffen aus erneuerbaren Quellen stammt und somit dem 10%-Ziel zugerechnet werden kann oder nicht:
So darf Biomasse zur Produktion von Biotreibstoff nicht aus Gebieten mit hoher Biodiversität gewonnen werden bzw. aus Bereichen, die als CO2-Senken fungieren (Regenwälder, Torfmoore, …). Weiters müssen die THG-Einsparungen aus der Verwendung von Biokraftstoffen bis zum Jahr 2017 mindestens 35% betragen, ab diesem Zeitpunkt mindestens 50%. Dazu wird eine Methode zur Berechnung der THG-Emissionen von Biomasse und Biokraftstoffen angeboten.
Die Richtlinie sieht ein Korrektiv vor, sollten die negativen Auswirkungen der Verwendung von Biokraftstoffen überhand nehmen: Die Europäische Kommission muss alle zwei Jahre über folgende Wirkungen der Verwendung von Biokraftstoffen Bericht erstatten:
• soziale Auswirkungen der Nachfrage von Biokraftstoffen
• Auswirkungen auf die weltweite Verfügbarkeit und die Preise von Grundnahrungsmittel
• Auswirkung auf die Bodennutzungsrechte.

Mitteilung der Kommission „Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr – Wege zu einem integrierten und nutzerfreundlichen System“
Da das aktuelle Weißbuch zur europäischen Verkehrspolitik vom Jahr 2001 sich per 2010 dem Ende seiner Laufzeit nähert, sollen durch die über den Sommer veröffentlichte Mitteilung „Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr – Wege zu einem integrierten und nutzerfreundlichen System“ erste Überlegungen zur künftigen Ausrichtung der Verkehrspolitik Europas angestellt werden.
Im Zuge der öffentlichen Konsultation betont der Österreichische Städtebund seine Anliegen: in einem künftigen Weißbuch zur Zukunft der europäischen Verkehrspolitik müsste vermehrt auf die Mobilität in der Stadt eingegangen werden. Eine Thematisierung von Bedeutung, Kosten und Finanzierung öffentlicher Regional- und Nahverkehrsnetze gilt es in einem Weißbuch jedenfalls nachzuschärfen.
In seiner Stellungnahme teilt der Österreichische Städtebund die Einschätzung der Kommission, dass in Bezug auf die Luftqualität (und hier speziell für die Einhaltung der Stickstoffgrenzwerte ab 2015) noch erhebliche gemeinsame Anstrengungen von Kommission und Nationalstaaten nötig sein werden. Ähnliches gilt für die Steigerung der Energieeffizienz und für die Reduktion der Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich – in beiden Fällen ist dringender Handlungsbedarf geboten.
Umso mehr verwundert es, dass das Ziel, das Verkehrsvolumen insgesamt zu reduzieren, sich nicht dezidiert in der Auflistung der „politischen Ziele für einen nachhaltigen Verkehr“ (Kapitel 4) wiederfindet. In seiner Stellungnahme regt der Österreichische Städtebund an, die Reduktion des Gesamtverkehrsvolumens als eigenes Ziel in ein neues Weißbuch zur europäischen Verkehrspolitik aufzunehmen. Andernfalls ist nicht davon auszugehen, dass die Europäische Union gedenkt, ihre Umwelt- und Klimaschutzziele im Rahmen einer kohärenten Verkehrs-, Wirtschafts- und Umweltpolitik ernsthaft zu verfolgen, wodurch sie gegenüber ihren Mitgliedstaaten an Glaubwürdigkeit einbüßen würde.
Auch der Schiene als umweltfreundlichen Verkehrsträger Nummer eins wird in der Mitteilung nur unzureichend Rechnung getragen. So fehlen Ziele und konkrete Vorschläge, wie der Verkehrsanteil der Schiene künftig gesteigert werden könnte. Aussagen hierzu vermisst man umso mehr, da die Liberalisierung des Schienenpersonenverkehrs unmittelbar bevorsteht. Werden heute Einnahmen aus ertragreichen Verbindungen (z. B. Wien–Salzburg) verwendet, um ein dichtmaschiges Schienenverkehrsnetz aufrechtzuhalten, das auch entlegene Regionen versorgt und somit am Leben erhält, so wird eine Marktöffnung zu sinkenden Preisen auf attraktiven Linien führen und Gegenfinanzierung dieser Art werden nicht mehr möglich sein. Auswirkungen eines redimensionierten Schienennetzes auf die räumliche Entwicklung Europas – insbesondere in Hinblick auf das Kohäsionsziel – fehlen gänzlich in der Mitteilung.
Dem Phänomen der Verstädterung wird in der Mitteilung Rechnung getragen. Der Anteil der in Städten wohnenden EU-Bevölkerung soll von 72% im Jahr 2007 auf 84% im Jahr 2050 ansteigen. In der Mitteilung wird allerdings nicht eigens ausgeführt, dass dieser Prozess einhergehen wird mit einer – in Teilbereichen dramatischen – Entvölkerung des ländlichen Raumes. In seiner Stellungnahme macht der Österreichische Städtebund darauf aufmerksam, dass dieser Prozess nicht nur Fragen der künftigen Versorgung des ländlichen Raumes mit öffentlichen Verkehrsdienstleistungen zu leistbaren Preisen aufwirft. Da Dienstleistungen der Daseinsvorsorge aus Kostengründen künftig wohl auch eher zentralisiert als dezentralisiert angeboten werden, wird die Mobilitätsfrage einer zunehmend alternden Gesellschaft (die sich in zersiedelten, vom Kfz abhängigen Strukturen angesiedelt hat) vielmehr zur Schlüsselfrage der Erhaltung ländlicher räumlicher Strukturen aufgewertet werden. In seiner Stellungnahme verweist der Österreichische Städtebund dabei auf die Autoren des aktuellen Weltbankberichts (World Development Report 2009 „Reshaping Economic Geographie“): nach deren Ansicht fördert Konzentration die Wohlstandsentwicklung. Einzig hohe Mobilität kann Entwicklungsunterschiede ausgleichen. Die Frage der Erreichbarkeit (insbesondere in Hinblick auf die Transportkosten) wird also künftig im direkten Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Europäischen Union stehen. In einem Weißbuch zur europäischen Verkehrspolitik sollte dieser Problematik nach Ansicht des Städtebundes unbedingt Rechnung getragen werden.



1 Link zum Bericht (DE):
www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?
pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A6-2009-0199+0+DOC+PDF+V0//DE)
2 In Österreich hat bislang nur die Stadt Graz von 2002–2006 daran teilgenommen.
3 Z. B. der französische, sozialdemokratische Bericht¬erstatter Gilles Savary, oder der Österreicher Reinhard Rack.
4 Hierbei handelt es sich um Fahrzeuge, die hauptsächlich für den Einsatz auf Baustellen, in Steinbrüchen, in Häfen oder auf Flughäfen konstruiert und gebaut sind; Fahrzeuge, die für den Einsatz durch die Streitkräfte, den Katastrophenschutz, die Feuerwehr und die Ordnungskräfte konstruiert sind, sowie selbst fahrende Arbeitsmaschinen.
5 ec.europa.eu/transport/urban/vehicles/clean_energy_efficient_vehicles_en.htm
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