Positiver EU-Reformvertrag: eine neue Ära hat begonnen

Positiver EU-Reformvertrag: eine neue Ära hat begonnen

Bürgermeister Dr. Michael Häupl Präsident des Österreichischen Städtebundes

 

Mit dem irischen „Ja“ bei der erneuten Abstimmung über den EU-Reformvertrag steht Europa kurz vor dem Anbruch einer neuer Ära. Nach der noch erforderlichen Unterschrift des Tschechischen Präsidenten werden die Länder der EU mit einer verstärkten Handlungsfähigkeit ausgestattet sein.
Inhaltlich bestehen die wichtigsten Neuerungen in einer Beseitigung der Säulenstruktur der Union, der Einführung einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit und einer Reform der Institutionen. Die Bürgernähe der Union und ihre demokratische Legitimation werden gestärkt. Eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten wird eingeführt. Den nationalen Parlamenten wird die Funktion eines Wächters des Subsidiaritätsprinzips übertragen. Durch Ausdehnung des Mitentscheidungsrechts wird die Mitwirkung des Europäischen Parlaments an der Rechtssetzung in der EU zum Regelfall. Die BürgerInnen werden künftig die Möglichkeit erhalten, durch ein europaweites Volksbegehren Rechtssetzungsinitiativen anzuregen. Durch die Stärkung der Befugnisse des hohen Vertreters bekommt auch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mehr Handlungsfähigkeit.
Aus kommunalpolitischer Sicht ist dieser Vertrag das erste Rechtsdokument der EU, das ausdrücklich zur Wahrnehmung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts Stellung nimmt und als Bestandteil der nationalen Identität anerkannt wird. Auch die Subsidiaritätskontrolle wird ausdrücklich auf die lokale Ebene ausgedehnt – das bedeutet, dass die EU nur mehr dann handeln wird, wenn das zu erreichende Ziel nicht besser auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene verwirklicht werden kann. Zudem soll die EU verpflichtet werden, vor dem Beschluss von Gemeinschaftsregelungen die Kostenfolgen für Kommunen, die Wirtschaft und die Bürger abzuschätzen und zu minimieren.
Kritik ist allerdings bei der Frage der Daseinsvorsorge angebracht: Hier wurden noch immer keine ausreichenden Regelungen getroffen, obwohl enormer Bedarf zugunsten der Städte und Gemeinden besteht. Der Regelungsbedarf zeigt sich nicht zuletzt in der unlängst ergangenen Binnenmarktrevision der Europäischen Kommission, welche erneut Rechtsunsicherheit und Zweifelsfragen in diesen Bereichen aufkommen ließ. Womit dieser Reformvertrag keine eindeutige Regelung zugunsten der europäischen Bürger und Bürgerinnen darstellt und somit im Gegensatz zur Europäischen Verfassung seine Bürgertauglichkeit erst unter Beweis stellen muss.
Europa braucht eine gemeinsame Linie, mit dem Reformvertrag wird die EU effizienter, demokratischer und international einflussreicher. Davon werden nicht nur unsere Städte und Gemeinden profitieren, sondern auch jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger.

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