Die eigene Gemeinde/Stadt zukunftsorientiert positionieren

Die eigene Gemeinde/Stadt zukunftsorientiert positionieren

Städte und Gemeinden sind Orte fortwährender Veränderung. Für deren positive Entwicklung gibt es keine Patentrezepte. Die Geschichte der europäischen Städte zeigt jedoch sehr deutlich, dass ein zentraler Wesenszug der europäischen Städte darin besteht, dass diese immer das Ergebnis von zukunftsgerichteten Planungsprozessen waren.

 
Wer heute die Zukunft aktiv gestalten will, muss sich mit veränderten Rahmenbedingungen für Stadt- und Gemeindeentwicklung auseinandersetzen:
• Wirtschaftliche Trends, die unter dem Begriff Globalisierung gefasst werden und deren unmittelbare Folge für die Gemeinden eine weiter zunehmende Verschärfung des Standortwettbewerbs bedeutet und ein vermehrtes Denken in größeren räumlichen Zusammenhängen erzwingt. Um dies an einem Beispiel deutlich zu machen: Die Förderpolitik der EU orientiert sich immer mehr an einem regionalen Ansatz, der an Bundesländern ausgerichtet ist.
• Gesellschaftliche Veränderungen, die einerseits unter dem Begriff des demografischen Wandels andererseits als Wertewandel diskutiert werden. Die Folgen des demografischen Wandels werden seit einigen Jahren wieder vermehrt auch in den Städten diskutiert (so z. B. im Rahmen der Städtetage 2008 und 2009) und Untersuchungen zu deren Folgen durchgeführt, wobei insbesondere die Gleichzeitigkeit von Schrumpfung und Wachstum sowie die strukturellen Veränderungen wie etwa die Überalterung und die über lange Zeit zu wenig beachteten Folgen der Integration von Zuwanderern als Herausforderungen zu nennen sind.
• Dazu kommen ökologische Herausforderungen, aber auch die nach wie vor nur ansatzweise absehbaren Folgen des Klimawandels für die Städte und Gemeinden. Zusätzlichen Gefahren durch Naturkatastrophen (z. B. Überschwemmungen) stehen noch nicht abschätzbare wirtschaftliche Folgen insbesondere für die Tourismusindustrie gegenüber.
Kommunale Politik und Verwaltung kann sich – selbst wenn dies von manchen gerne angestrebt würde – von diesen überlokalen Entwicklungen und Problemen nicht abkoppeln. Gerade die wirtschaftlichen Verflechtungen erlauben keine Haltung der „splendid isolation“. Städte und Gemeinden sind mit Standortstrategien von Unternehmen konfrontiert, die sich unmittelbar auf die kommunale Wirtschaftskraft auswirken. Nicht mehr allein die sogenannten Global Player investieren weltweit, sondern auch mittelständische Unternehmen überdenken fortwährend ihre Investitionsstrategien. „Standorttreue“, die Bindung von Unternehmen an einen Ort, ist nicht mehr automatisch gegeben. Auch für den innerstädtischen Einzelhandel haben sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert. Neben einer zunehmenden interkommunalen Konkurrenz ist auch die Entwicklung von großflächigem Einzelhandel an sogenannten „nicht integrierten Standorten“ oder die Herausbildung von neuen Betriebstypen (z. B. in Form von Fachdiscountern, Fachmärkten sowie der wachsende Internet-Handel) zu nennen. Alle diese Entwicklungen setzen den traditionellen Einzelhandel unter Druck und erfordern entschlossene Maßnahmen, auch und gerade von der kommunalen Politik1.
Trotzdem gibt es keinen Grund zum urbanen Pessimismus2. Wer den genannten Herausforderungen aktiv entgegentreten will und dabei die eigenen Stärken und Potenziale zu nutzen weiß, hat gute Chancen, im härter werdenden Wettbewerb zu bestehen. Jede Stadt/Gemeinde kann das eigene Profil durch ein abgestimmtes Handeln von Politik, Verwaltung und allen anderen örtlichen Akteuren schärfen und ausbauen. Nur wenn die eigenen Stärken bewusst sind, hat das – wie man Neudeutsch sagt – „urban branding“ eine seriöse Grundlage.

Nachhaltige Gemeinde- und Stadtentwicklungsplanung
Unabhängig davon, welchen ganz konkreten Weg eine Stadt/Gemeinde einschlägt, ob sie sich historischer Ereignisse, lokaler Persönlichkeiten (z. B. Künstler wie Mozart, Bruckner) oder aber eines einzigartigen historischen Baukulturerbes bedient (z. B. Graz), ob man das eigene Profil eher mittels Kunst, Wissenschaft oder Kultur schärfen möchte, in jedem Fall bedarf es dazu längerfristig orientierter konzeptioneller Grundlagen.
Nimmt man daher die dargestellten Entwicklungen ernst, bedeutet dies, dass die Steuerung kommunaler Politik und Planung flexibel sein muss und sich nicht nur eindimensional an einzelnen Aspekten der Stadt (z. B. an Flächen) orientieren darf. Auch reicht es nicht aus, durch ein Mehr an Werbung oder eine noch größere Zahl an Events (z. B. im Rahmen klassischer Stadtmarketingkonzeptionen) örtliche Defizite und Schwächen kompensieren zu wollen. Vielmehr braucht es eine klare Vorstellung darüber, wie man als Gemeinde/Stadt unter Berücksichtigung der jeweils eigenen Stärken und Handlungspotenziale die eigene Zukunft gestalten möchte. Ein Ins¬trument, das sich von seinem Anspruch her an qualitativen Maßstäben orientiert, ist die kommunale Entwicklungsplanung, die hier im Zentrum der Überlegungen steht.
Gemeinde- und Stadtentwicklungsplanung sollte dabei als gemeinsame Aufgabe von KommunalpolitikerInnen, BürgerInnen, Verwaltung und externen FachplanerInnen verstanden und erarbeitet werden. Werden dabei bewusst auch BewohnerInnen, HauseigentümerInnen oder andere kommunale Zielgruppen aktiv in die Planungsprozesse eingebunden, kommen in den letzten Jahren vermehrt partizipative Methoden der Großgruppenmoderation zum Einsatz3. Wie jede Planung vollzieht sie sich auch in drei Arbeitsschritten: Auf die Bestandserhebung folgen die Analyse und die Entwicklung von Zielvorstellungen.
Die Planung selbst wird auf zwei Ebenen erarbeitet: der strukturellen und der räumlich-städtebaulichen Ebene. Es werden, orientiert an den zentralen Grundfunktionen – wie Wohnen, Arbeiten, Kultur/Soziales und Mobilität, und unter Beachtung ökologischer Erfordernisse – Zielvorstellungen und konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt.
Während sich die strukturelle Ebene auf Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaft und Beschäftigung, Wohnungsbau sowie öffentliche und private Infrastruktur bezieht, werden durch den räumlichen und städtebaulichen Ansatz Stadtbild und Gestalt, Grünbereiche und bauliche Qualität von Straßen und Plätzen sowie die Einbindung in die Landschaft behandelt. Anhand von sogenannten „Lupen“ werden exemplarische Probleme aufgearbeitet und dabei städtebauliche und strukturelle Fragestellungen zusammen gesehen. Dieser Ansatz von Planung firmiert unter dem Begriff der integrierten und vor allem der nachhaltigen Gemeinde- und Stadtentwicklungsplanung und zielt darauf ab, ein Handlungsprogramm für eine Stadt/Gemeinde zu erarbeiten, das strukturelle, flächenbezogene und gestalterische Empfehlungen integriert. Diese Vorgehensweise entspricht letztlich einer Empfehlung, die im Rahmen der als Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt dokumentiert und zur Anwendung empfohlen wird.4
Solche Konzepte sind strategisch ausgerichtet, indem Schwerpunkte gesetzt werden, die mittel- und langfristig wirksam werden. Sie sind weiterhin auf Nachhaltigkeit in der Entwicklung fokussiert. Städte und Gemeinden haben mit einem solchen Konzept eine solide Grundlage für ihre Positionierung. Patentrezepte gibt es dafür ebenso wenig wie Erfolgsgarantien. Um so mehr ist es notwendig, die eigenen Kräfte zu fokussieren. Profilierung meint hier nicht nur einen griffigen oder gar moralisierenden Slogan zu entwickeln nach dem Motto: „fahr nicht fort, kauf am Ort …“, sondern überzeugende Kernkompetenzen sichtbar und damit auch nutzbar zu machen. Ein aktuelles Beispiel hierfür findet sich etwa in der Stadt Feldkirch in Vorarlberg.
Daneben ist Stadt- und Gemeindeentwick¬lung vor allem aber auch ein Kommunikations- und gemeinsam getragener Veränderungsprozess. In der jüngeren Vergangenheit wurden verschiedentlich erfolgreiche Beispiele aktiver Quartierentwicklung oder auch moderne Ansätze des Stadtmarketings der sogenannten zweiten Generation, die explizit auch die Gestaltung der Stadt als Wirtschafts-, Handels- aber auch Wohnstandort zum Gegenstand haben, einer breiteren interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.5 Dabei ist insbesondere das Beispiel der Stadt Lienz vielfach zitiert und auch international ausgezeichnet worden.
Für alle an dieser Thematik Interessierten bietet das KDZ im Jänner 2010 im Rahmen seines Weiterbildungsprogramms ein eintägiges Seminar zum Thema „Die eigene Stadt/Gemeinde zukunftsorientiert positionieren“ an, in dem insbesondere Erfahrungen aus Baden-Württemberg und Vorarlberg präsentiert werden. Das Seminar soll aber auch eine Diskussionsplattform sein, in der über verschiedene Wege der positiven Entwicklung von Gemeinden diskutiert werden kann.


1 Siehe dazu das Thesenpapier für den Arbeitskreis I des Österreichischen Städtetages 2008 von Wirth/Parzer: Städte als Wirtschaftsmotoren: Aktive Wirtschafts- und Standortentwicklung in Österreichs Städten. Auch die Studie Wirth/Hödl/Januschke: Innenstadt hat Zukunft,
www.kdz.or.at/fileadmin/KDZ/Dokumente/Studie_Innenstadt_hat_Zukunft.pdf.
2 Siehe hierzu den Beitrag von Horst W. Opaschowski: Zukunft findet Stadt! Abschied vom urbanen Pessimismus, in: Der Bürger im Staat, 3-2007, S. 192–197.
3 Was die für die Einbindung von BürgerInnen in Planungsprozesse hilfreichen Instrumente zur Großgruppenmoderation anbelangt, fand unlängst ein KDZ-Seminar in Wien statt. Es ist für das Jahr 2010 geplant, dieses Seminar noch einmal anzubieten und zusätzlich auch eine Praxiswerkstatt zur Planung und Durchführung von Großgruppenveranstaltungen (z. B. Zukunftswerkstatt) durchzuführen.
4 Siehe: www.eu2007.de/de/News/download_docs/Mai/0524-AN/075DokumentLeipzigCharta.pdf
5 Siehe dazu die vom KDZ organisierte und von Österreichischem Städtebund und Wirtschaftskammer Österreich gemeinsam durchgeführte Tagung „Innenstadt hat Zukunft“ im Herbst 2008 in Wels. Eine ausführliche Beschreibung des Stadtmarketings der zweiten Generation findet sich in der o. g. KDZ-Studie von Wirth/Hödl/Januschke: Innenstadt hat Zukunft.
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