Städtebund/AK: Wie weiblich ist die Kommunalpolitik?

Städtebund/AK: Wie weiblich ist die Kommunalpolitik?

Erster Teil des Städtebund-AK-Gleichstellungsindex erforscht Situation der Frauen in Österreichs Städten und Gemeinden; aktive Veränderung notwendig

 

Der Städtebund-AK-Gleichstellungsindex ist ein Instrument zur Messung von Geschlechtergleichstellung in Österreich. Um ein regelmäßiges Monitoring der Situation von Frauen in Städten und Gemeinden zu ermöglichen, wird der Index bereits zum zweiten Mal vom FORESIGHT-Institut berechnet.

„Der Frauentag ist wichtig, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir Tag für Tag für gleiche Chancen, für Gleichberechtigung und für Gleichstellung eintreten. Der Gleichstellungsindex liefert uns Informationen über den Ist-Zustand in Sachen Gleichstellung. Das Ergebnis: Es gibt Handlungsbedarf. Wir brauchen mehr Frauen in politischen Ämtern und Führungspositionen – also in der Repräsentation von Frauen“, so Kathrin Gaál, Wiener Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin sowie Vorsitzende des Städtebund-Frauenausschusses.

„Ein einzigartiges Merkmal dieses Index ist, dass damit Gleichstellung auf Gemeindeebene gemessen werden kann“, erklärt Astrid Ebner-Zarl, Projektleiterin FORESIGHT. „Dies war auch der Grund diesen Index zu entwickeln. Daten zu neun gleichstellungsrelevanten Themendimensionen und mehr als 20 Indikatoren werden dabei vom FORESIGHT-Projektteam zusammengetragen, aufbereitet und zum Gleichstellungsindex zusammengeführt – für alle 2.092 österreichischen Gemeinden und die 23 Wiener Gemeindebezirke“, so Ebner-Zarl.

Und Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger bekräftigt: „Klar ist auch, dass die Politik gefordert ist. Es braucht ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen und ein nachhaltiges Finanzierungskonzept sowie ausreichend Personal mit guten Arbeitsbedingungen und angemessenem Lohn. Die Politik ist weiters gefordert, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und faire Pensionen zu schaffen und Arbeitsbedingungen für Mann und Frau so anzupassen, dass die Kommunalpolitik auch die Menschen, die sie vertritt, repräsentiert und sich beide Geschlechter zu gleichen Anteilen in das öffentliche Leben einbringen können.“ 

Kommunalpolitik muss auch Frauen ausgewogen repräsentieren

Die Wiener Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin sowie Vorsitzende des Städtebund-Frauenausschusses Kathrin Gaál verweist darauf, dass Politik die Bürgerinnen und Bürger als Personengruppen repräsentieren muss. Es geht darum, die Gesellschaft in ihren unterschiedlichen Bedürfnissen auch in der Kommunalpolitik abzubilden. Nur so können die vielfältigen Leistungen und Dienste, die Kommunen anbieten, bestmöglich an die Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft – und vor allem der Frauen –  ausgerichtet werden. Dazu gebe es verschiedene Hebel in Parteien – etwa das Reißverschlussprinzip und Quoten.

„Frauen haben häufiger Mehrfachbelastungen zu tragen als Männer. Besonders wichtig für die Gleichstellung von Frauen und Männern –ist daher auch die Infrastruktur. Auf der städtischen Ebene stehen diese Leistungen zur Verfügung – und schaffen zeitliche Ressourcen für Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – für Frauen und für Männer. Bei der Stadt Wien haben wir den Gratis-Kindergarten und die Gratis-Ganztagsschule, genauso wie die 365-Euro-Jahreskarte für die Öffis. Wien ist, was die Infrastruktur betrifft, österreichweit am besten aufgestellt. Das wirkt sich natürlich auch auf die Gleichstellung von Männern und Frauen aus: In Wien ist die Lohnschere etwa österreichweit am niedrigsten. Die flächendeckende Versorgung mit kostenfreien, ganztägigen Kinderbetreuungseinrichtungen in ganz Österreich ist unerlässlich – damit es nicht heißt ‚Kind oder Karriere‘ sondern, ‚Kind und Karriere‘!“, so Gaál.

Eva-Maria Burger, Leiterin der Abteilung für Frauen und Familie in der AK Wien und Kooperationspartnerin: „Österreich ist von einer Geschlechtergleichstellung noch weit entfernt. Wir wissen aus der Forschung, dass Frauen bis zu zwei Drittel ihrer Gesamtarbeitszeit für unbezahlte Care-Arbeit wie Hausarbeit, Kindererziehung und Pflege aufwenden. Bei Männern ist es nur ein Drittel. Gleichzeitig beobachten wir, dass die Väterbeteiligung an der Kindererziehung kontinuierlich sinkt. Bei acht von zehn Paaren geht ausschließlich die Mutter in Karenz. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich die Situation von Frauen in diesem Land weiter verschlechtert. Sie sind nicht nur weniger präsent im öffentlichen Diskurs, sondern es mehren sich auch Angriffe und Rückschritte auf die Gleichstellung. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Frauenpolitik aus ihrem Schattendasein tritt, Gleichstellung muss sich wieder in eine positive Richtung entwickeln.“ Burger betont abschließend die Wichtigkeit des Städtebund-AK-Gleichstellungsindex als Messinstrument. „Denn gute Politik benötigt gute und fundierte Daten“, so Burger.

Politische Repräsentation von Frauen und Männern: nach wie vor unausgewogen

Erste Ergebnisse zur politischen Repräsentation von Frauen im Rahmen des neuen Städtebund-AK-Gleichstellungsindex liegen bereits vor und werden anlässlich des Frauentages 2024 präsentiert. Betrachtet werden die Frauenanteile sowohl in den Gesamtgremien der Gemeindepolitik (Gemeinderäte, in Wien Bezirksvertretungen) als auch an der Spitze dieser Gremien (Bürgermeister*innen/Bezirksvorsteher*innen und erste Stellvertretungen).

Unter den Bürgermeister*innen und Bezirksvorsteher*innen sind Frauen klar in der Minderheit. Je nach Bundesland variiert der Frauenanteil bei Bürgermeister*innen zwischen 6% (Vorarlberg) und 15% (NÖ); lediglich in den Wiener Bezirksvertretungen ist der Frauenanteil an der Spitze etwas höher: Ein Viertel der Bezirksvorsteher*innen (26%) ist weiblich.

Im Städtebund-AK-Gleichstellungsindex wird aber auch das Geschlecht der ersten Stellvertretung erfasst. Eine Kombination aus Bürgermeisterin bzw. Bezirksvorsteherin und erster Stellvertreterin ist besonders selten – in nur 14 Gemeinden (0,7%) gibt es eine solche weibliche Doppelspitze. 2021 lag dieser Anteil bei 0,3%. Die meisten dieser Gemeinden befinden sich in der Osthälfte Österreichs, vor allem in Niederösterreich, der östlichen Steiermark und dem Burgenland. Die korrespondierende männliche Doppelspitze kommt hingegen 102-mal häufiger vor, und zwar in 1.425 Gemeinden inkl. Wiener Gemeindebezirken (68 %).

Je urbaner umso mehr Frauen im Gemeinderat

Generell liegt der Frauenanteil in Österreichs Gemeinderäten bei durchschnittlich 26%. Dabei zeigt sich, dass er mit der Gemeindegröße ansteigt. Kleine Gemeinden mit unter 500 Einwohner*innen haben einen durchschnittlichen Frauenanteil von 21%, Städte mit über 20.000 Einwohner*innen einen mit 38%. In Wien ist dieser Anteil in den Bezirksvertretungen fast ausgeglichen, der Anteil der Bezirksrätinnen liegt bei 46%. Die Durchschnittswerte in den meisten Bundesländern bewegen sich eng um den österreichweiten Durchschnittswert und rangieren von 23% (Salzburg) bis 27% (OÖ, Burgenland, NÖ).

Regionale Cluster mit höheren Frauenanteilen

Ein Frauenanteil von mindestens der Hälfte im Gemeinderat oder in der Bezirksvertretung kommt österreichweit nur 31-mal vor (26 Gemeinden, 5 Wiener Gemeindebezirke). Von den 26 Gemeinden befinden sich einige in regionalen „Clustern“, das heißt, es gibt in unmittelbarer Umgebung eine oder zwei weitere Gemeinden, in denen ebenfalls ein mindestens 50%-iger Frauenanteil im Gemeinderat auftritt. Dies wirft die Frage auf, ob positive Trends in einer Gemeinde auf Nachbargemeinden abfärben können und wie solche Entwicklungen angeregt werden könnten.

21 Gemeinden ohne eine einzige Frau im Gemeinderat

Weit überwiegende Mehrheiten von Frauen sind aber auch in solchen Vorreiter-Gemeinden bzw. Gemeindebezirken nicht zu verzeichnen: Bei maximal 59% liegt jeweils der Frauenanteil in diesen 31 Gemeinderäten. Nicht zuletzt gibt es sogar 21 Gemeinderäte, in denen keine einzige Frau vertreten ist.

Wahlen als Chance für Veränderungen

In vier Bundesländern haben seit der ersten Welle des Gleichstellungsindex 2021 Gemeinderatswahlen stattgefunden. Auffallend ist, dass sich der durchschnittliche Frauenanteil im Gemeinderat in all diesen Bundesländern um 3 bis 4 Prozentpunkte erhöht hat. Offenbar wurde also die Chance ergriffen, vermehrt Frauen auf (wählbare) Plätze der Wahllisten zu setzen. In drei der fünf Bundesländer ohne Gemeinderats- (oder Bezirksvertretungs-) Wahlen ist der Frauenanteil hingegen leicht zurückgegangen (um 1 bis 2 Prozentpunkte).

Über den Städtebund-AK-Gleichstellungsindex

Der erste Gleichstellungsindex auf kommunaler Ebene wurde 2022 vom Österreichischen Städtebund und dem FORESIGHT-Institut präsentiert. Beim zweiten Index ist nun die Bundesarbeitskammer Kooperationspartnerin.

Hier finden Sie weitere Informationen, die Präsentation und die Graphiken zum Städtebund-AK-Gleichstellungsindex:
https://www.staedtebund.gv.at/themen/frauen/kommunalpolitik/

(Schluss, 07.03.2024)

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