ÖPNV-Informationsveranstaltung am 23.10.2003 in Graz

ÖPNV-Informationsveranstaltung am 23.10.2003 in Graz

Nach dem EuGH-Urteil vom 24. Juli 2003, Zl. C-280/00, waren die Kommunen gefordert, ihre bisherige Organisation des ÖPNV im Lichte dieser Entscheidung neu zu überprüfen. Aber auch die Europäische Kommission sah sich durch dieses Urteil veranlasst, den vorhergehenden Entwurf zur Novellierung der VO 1191/69 zu überdenken.

Der Andrang zu dieser hochkarätig besetzten Veranstaltung war enorm. Über 50 Vertreter aus allen größeren Städten Österreichs fanden sich im Mediacenter in Graz ein, um den Ausführungen der wohl prominentesten ÖPNV-Experten aus der BRD, der Europäischen Kommission und Österreich zu folgen.

Zur Diskussion standen die künftigen Organisationsformen des ÖPNV im Spektrum zwischen 100% Eigenverantwortung bis zur gänzlichen Ausschreibung der Dienste. Interessant war, dass von allen Vortragenden grundsätzlich die Wahlfreiheit der Kommunen in der Organisation des ÖPNV nicht in Zweifel gezogen wurde. Selbst der Vertreter der Kommission, Paul HODSON, GD TREN, billigte den Städten und Gemeinden Wahlfreiheit zu, wenn auch nur unter bestimmten Kriterien. In diesem Zusammenhang verwies er auf die vier im zur Rede stehenden EuGH-Urteil genannten Bedingungen. Besonders die Auslegung der vierten Bedingung, nach deren Befolgung die staatlichen Beihilfen im ÖPNV nicht EU-rechtswidrig sind, sorgten für kontroversielle Diskussionen.

So betonte Dr. Ralf RESCH, Berliner Verkehrsbetriebe - BVG, dass die Konditionen im Urteil der bereits in Berlin geübten Praxis entsprechen. Er erwartet sich durch diese Klarstellung eine bessere marktwirtschaftliche Ausrichtung der Unternehmen, wodurch schlussendlich zu günstigeren Preisen den Kunden eine höhere Qualität geboten werden kann. Positiv überrascht vom EuGH-Urteil zeigte sich Dipl.-Ing. Martin BALTES, Innsbrucker Verkehrsbetriebe - IVB, der ebenfalls die Wahlfreiheit der Kommunen bestätigt sah, gleichzeitig aber einen härteren Wettbewerb unter den Betrieben voraussagte. Um in einem verstärkten Wettbewerb Chancengleichheit herzustellen, verlangte er nach einer höheren Transparenz im Mittelfluss der ÖPNV-Finanzierung. Das derzeit sehr komplexe und für Außenstehende undurchschaubare Finanzierungssystem soll daher drastisch vereinfacht werden. Mag. Doris UNFRIED, Arbeiterkammer Wien, ergänzte die geführte Argumentation um einen weiteren wichtigen Aspekt, nämlich der Situation der in Verkehrsunternehmen Beschäftigten. An Hand von aktuellen internationalen Arbeiterkammer-Vergleichsstudien zeigte sie auf, dass vielfach im Rahmen von angeblich wettbewerbs-bedingten Umstrukturierungen das Hauptaugenmerk hauptsächlich auf die Verringerung der Personalkosten gelegt wurde. Sie forderte einen fairen Umgang mit den betroffenen Beschäftigten ein. Ähnlich äußerte sich LAbg. GR Peter JUZNIC, Wien, der die Bedeutung von zufriedenen und motivierten MitarbeiterInnen gerade in Dienstleistungsbetrieben wie Verkehrsunternehmen unterstrich. Er verwies dabei auf das Wiener Modell, wo in den letzten Jahren gemeinsam mit den Personalvertretern und der Gewerkschaft neue Kollektivvertragsvereinbarungen zur allgemeinen Zufriedenheit ausverhandelt wurden. Auch er zeigte sich zufrieden über die EuGH-Entscheidung, die die Wiener ÖPNV-Struktur bestätigte. Prof. Dr. Michael RONELLENFITSCH, Universität Tübingen, bezeichnete als herausragendes Ergebnis der EuGH-Entscheidung die erhöhte Rechtssicherheit für die Städte und sah sie als gute Ausgangsbasis für die weitere Bearbeitung der Novellierung der ÖPNV-VO. Dieser Meinung schloss sich auch Mag. Klaus GSTETTENBAUER, BMVIT, an und appellierte eindringlich an die Städte, trotz unterschiedlichen strategischen Ausrichtungen mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen, um als Aufgabenträger im ÖPNV wahrgenommen und gehört zu werden. Nur so wird es den österreichischen Städten möglich sein, auch ihre Interessen in der Novelle zur ÖPNV-VO berücksichtigt zu sehen. In seinem Schlussstatement unterstrich Sylvain HAON, POLIS, dass, abseits von Unternehmensphilosophien und Grundsatzentscheidungen, seine Organisation danach strebt, innovative und erfolgreiche Nahverkehrskonzepte auf internationaler Basis zu erstellen und lud die österreichischen Städte und Gemeinden zur Mitarbeit ein.

Welch langen Atem man im ÖPNV benötigt, zeigt der Umstand, dass die Kontrahenten in der Rechtssache Altmark Trans/Magdeburg nicht mehr existent sind und daher eine abschließende Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht nicht mehr erfolgen werden wird.

Beiliegend finden Sie die Vortrageunterlagen (nur für Mitgliedsgemeinden).

Juznic
Dr. Resch
Hodson Graz
Hodson
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Urteil Magdeburg
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Unfried
Baltes
OEGZ

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