Strategien der städtischen Verkehrspolitik – wie lösen Städte ihre Verkehrsprobleme?

Strategien der städtischen Verkehrspolitik – wie lösen Städte ihre Verkehrsprobleme?

Tagung des Österreichischen Städtebundes am 27. März 2003 in Linz

 

Vertreter der Städte Linz, München, Salzburg, Zürich sowie des Landes Oberösterreich präsentierten im Zuge dieser Tagung Konzepte und Praxiserfahrungen von Mobilitäts– und städtischer Verkehrspolitik sowie über Verkehrsplanung und technik-basiertes Verkehrsmanagement. Die präsentierten Lösungsansätze reichen vom Ausbau der Verkehrsinfrastruktur über moderne computergestützte Verkehrsmanagementsysteme, nachfrage-orientierte Mobilitätsmanagementstrategien bis hin zu raumplanerischen Maßnahmen. Somit konnte ein Überblick über die Vor- und Nachteile der einzelnen Maßnahmen sowie die konkreten Umsetzungsschritte einzelner Städte gewonnen werden.

Bürgermeister Dr. Franz DOBUSCH begrüßte als Hausherr die zahlreichen Tagungsteilnehmer (rund 80 Personen aus 26 Mitgliedsgemeinden sowie Vertreter der Wirtschaftskammer, Zivilingenieure und (Universitäts-) Institute, die sich mit Verkehrsthemen befassen) und wies auf die Bedeutung der Verkehrsproblematik für Ballungszentren der Größe von Linz hin. Linz verlor in den letzten 2 Jahrzehnten an die 100.000 Einwohner unter gleichzeitiger Schaffung von 20.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen. Somit verfügt Linz zur Zeit über mehr Arbeitsplätze als über Einwohner. Das bedeutet aber auch, dass nunmehr 85.000 Pendler täglich nach Linz fahren.

Daraus resultiert hinsichtlich eines Lösungsansatzes ein für Kernstädte mit ähnlicher Problemsituation derzeit typischer Konflikt zwischen jenen, die in der Theorie recht haben (Alternative zum, bzw. weg vom KFZ) und jenen, die sich durch die derzeit geübte Praxis bestätigt sehen. Linz versucht in seiner Verkehrspolitik beide Standpunkte zu vereinen und bei bereits vorhandenen Straßenprojekten Ergänzungen in der Infrastruktur vorzunehmen sowie die sanfte Mobilität zu fördern.

Der Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes, Dkfm. Dr. Erich PRAMBÖCK, wies angesichts der gespannten finanziellen Lage der Städte auf die Bedeutung von intelligenten Verkehrslösungen und –strukturen hin, die sich gegenüber den rein baulichen Maßnahmen auch als kostengünstigere Variante anbieten.


Die Werkzeugkiste der städtischen Verkehrspolitik – Lösungsansätze zwischen Modeerscheinungen und Megatrends in Ansehung des sinkenden ÖPV–Anteils

HR Dr. Dipl.-Ing. Leonard HÖFLER, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, stellte zu Beginn seines Vortrages die unterschiedlichen Sichtweisen englischer und deutscher Printmedien zum Londoner Projekt „Citymaut“ gegenüber, um darzulegen, wie widersprüchlich eine verkehrspolitische Maßnahme aufgenommen werden kann. Betrachtet der „Economist“ dieses Projekt noch eher wohlwollend als Verzweiflungstat, um städtische Verkehrsprobleme zu lösen, sehen deutschsprachige Blätter einen Erfolg dieser Projektumsetzung für utopisch an.

Was aber sind die wesentlichen Probleme der städtischen Verkehrspolitik?
Als Hauptproblem sieht die öffentliche Meinung die Zunahme von Staus an, gefolgt vom Verlust der Standortqualität durch erhöhtes Verkehrsaufkommen, das wiederum einen immensen Flächenverlust mit den damit verbundenen Umweltauswirkungen nach sich zieht. Ferner werden noch die Kosten, die der öffentliche und private Verkehr zu Lasten der öffentlichen Hand erzeugt und die Effizienz des ÖPNV als weitere Probleme angeführt. Daraus ist ableitbar, dass in städtischen Gebieten der Verkehr zu den Primärproblemen zählt.

Hauptproblem Stau und seine (Auf-)Lösung
Die kurz- und mittelfristigen Einfluss- und Steuerungsmöglich-keiten der Verkehrspolitik auf die Verkehrsentwicklung schätzt Dr. Höfler als eher gering ein. Zur Untermauerung dieser These präsentierte er ein Modell über Stauzeiten im Linzer Raum. Um den Wert des Jahrs 2000 (8 Mio. Stunden pro Jahr), der bei Beibehaltung des derzeitigen Straßennetzes im Jahr 2015 auf 28 Mio. Stunden pro Jahr anwachsen würde, in etwa stabilisieren zu können, bedürfte es mit hohen Kosten verbundener Investitionen im Bereich des Straßenbaues und des Nahverkehrs. Als geeignete Werkzeuge zur Gegensteuerung sieht Dr. Höfler die systemische Betrachtung von Raum – Wirtschaft - Verkehr, die Anhebung des Niveaus des öffentlichen Verkehrs zu einem konkurrenzfähigen Gesamtsystem – schließlich konkurriert das öffentliche Verkehrsmittel mit einem neuwertigen PKW – und die Betrachtung der Verkehrspolitik als Teil einer umfassenden Raumentwicklungspolitik (d.h. der Verkehr hat sich der Siedlungsentwicklung unterzuordnen).

Eckpunkte der Verkehrsentwicklung in Oberösterreich
Nach Dr. Höfler geht das Wirtschaftswachstum mit dem Verkehrswachstum einher. Dies ist zwar Faktum, aber kein Naturgesetz. Diesen Kreislauf zu unterbrechen gelang bislang aber nicht.
Die in einer Zeitspanne von etwa 10 Jahren in Oberösterreich regelmäßig durchgeführten Verkehrserhebungen zeigen auf, dass die größten Verkehrszuwachsraten jene Ballungsgebiete aufweisen, die auch bisher schon die höchsten Verkehrsbelastungen ertragen mussten.
Während die Gesamtanzahl der nach Linz zurückgelegten Wege im untersuchten Zeitraum nicht wesentlich zu nahm, stieg der Anteil des motorisierten Individualverkehrs um 40% bzw. sank der des öffentlichen Verkehrs um 20%.
Generell kann gesagt werden, dass der Bereich der Infrastruktur in der Verkehrspolitik an Gewicht verliert, Telematik und Verkehrsmanagementsysteme aber an Bedeutung gewinnen werden.


Linz in Bewegung – Verkehrsplanung in der Praxis
Besonderheiten der Stadt Linz im Hinblick auf topographische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Zur Darstellung der Ausgangssituation umriss Dipl.-Ing. Gerhard KARL, Linz, die Verkehrs- und Siedlungsentwicklung des letzten Jahrzehnts (siehe einleitender Vortrag Bgm. Dr. Dobusch). Gleichzeitig mit der Stadt-Umland-Migration erfolgte in Linz ein Standortwandel von der Grundstoffindustrie zu Dienstleistungsbetrieben hin. Linz versucht sich daher als dynamisches und zukunftsorientiertes Ballungszentrum zu positionieren.

Zur Umsetzung der weiteren Ziele der Verkehrspolitik wie sie im Verkehrskonzept Linz definiert wurden (mehr Lebensqualität, Freiheit vom Auto, Gerechtigkeit im Verkehr ...) wurden folgende Strategien erarbeitet:

Motorisierter Individualverkehr/Öffentlicher Personenverkehr
Im Bereich des Fließverkehrs erfolgte eine Konzentration des Verkehrs auf Hauptachsen und die Schaffung von Verteilerringen. Neue Straßen werden nur noch dort errichtet, wo sie zur Aufschließung neuer Wohngebiete dienen. Ansonsten bemüht man sich um flächenhafte Verkehrsberuhigung.
Dem ruhenden Verkehr versucht man mit Instrumenten wie Bewohnerparken, Errichtung von Bewohnersammelgaragen und dem Projekt Bewohner-Nachtparken zu begegnen. Letzteres Projekt ermöglicht Anwohnern von Sammelgaragen, die nächtens nicht ausgelastet sind, zu einem begünstigten Tarif zwischen 17.00 und 9.00 Uhr einen Stellplatz zu mieten.
Im öffentlichen Personenverkehr erfolgt der Ausbau der City-S-Bahn, Verlängerungen von Straßenbahnlinien und im Zuge des Hauptbahnhofumbaues die Errichtung einer Nahverkehrsdreh-scheibe.
Im Rahmen der Fuß- und Radwegplanung wird großes Augenmerk auf behindertengerechte Ausgestaltung der Gehwege gelegt (taktiles Leitsystem, Tastkanten, Gehsteigabsenkungen) und Mindestbreiten sowie Steigungsobergrenzen für Gehsteige und Gehwege definiert. Im Zuge des Radverkehrskonzeptes bemüht man sich um die Steigerung des Radverkehrsanteiles auf 7% und die Schaffung eines fahrradfreundlichen Klimas durch bewusstseinsbildende Maßnahmen und die Öffnung von Einbahnen und Fußgängerzonen.

Durch die Einführung des Verkehrssystemmanagements – Hotel-, Kultur- und allgemeine Leitsysteme sind in Planung – erhofft man sich geringere Umwegfahrten und dadurch auch eine geringere Umweltbelastung.


VERMAN – Verkehrsmanagement der Stadt Salzburg
Nicht die Ampel regelt den Verkehr, der Verkehr regelt die Ampeln
Über das Projekt VERMAN, das seit 1995 gemeinsam von der Stadt und vom Land Salzburg entwickelt wurde, berichteten Senatsrat Dipl.-Ing. Walter HEBSACKER und Senatsrat Dipl.-Ing. Heinz-Peter KLOSS, beide Stadt Salzburg. Dieses moderne verkehrsabhängige Steuerungssystem soll die Systemleistungsfähigkeit im überregionalen Straßennetz des Zentralraumes Stadt Salzburg erhöhen und deutlich die Stau- und Wartezeiten für Personen- und Wirtschaftsverkehr, Fußgänger und Radfahrer reduzieren. Die dahinter stehenden verkehrspolitischen Vorgaben werden gemeinsam mit Land und Stadt Salzburg sowie den Umlandgemeinden in einem eigenen Lenkungsausschuss erarbeitet.

An Investitionskosten fallen für die Systemsteuerung (Ampelanlagen, Verkehrsrechner) für die nächsten sieben Jahre Kosten in der Höhe von 24,35 Mio. Euro an. Dem gegenüber würden Kosten von 6,6 Mio. Euro für die nächsten 10 Jahre stehen, wenn man sich nur auf die Erneuerung der bestehenden Anlagen beschränken würde. 2/3 der veranschlagten Kosten werden vom Land getragen, da sich ein Großteil der Ampeln auf Landesstraßen befindet. Die für die nächsten 6 Jahren prognostizierten Kosten von 18,31 Mio. Euro für den Betrieb und weitere Investitionen werden durch die erwarteten Einsparungen in der Höhe von 30,6 Mio. Euro weit übertroffen. Diese Einsparungen ergeben sich aus der Verringerung der Wartezeit des ÖPNV und des MIV, sowie durch die dadurch erreichbare Verkürzung des Bus- und KFZ-Betriebes und die damit zusammenhängende Senkung der Emissionen.

Durch die Maßnahmen des VERMAN soll auch der ÖPNV gefördert werden. Trotzdem wird seitens der Vortragenden Wert auf die Feststellung gelegt, das auch die Verkehrsbetriebe ihren Beitrag zur Akzeptanzsteigerung leisten müssten. So ist es erforderlich, massiv die Qualität der öffentlichen Verkehrsmitteln zu erhöhen, um mit dem KFZ-Verkehr konkurrieren zu können.


Konzept und Praxis nachhaltiger Mobilitätspolitik in Zürich
Akzeptanz der Bevorzugung des ÖPNV führte zu einer wesentlichen Steigerung der städtischen Lebensqualität
Über die in den vergangen drei Jahrzehnten etablierte Verkehrspolitik der Stadt Zürich referierte dipl.-Ing. ETH/SVI Ruedi OTT, Zürich. Nach der Ablehnung eines U-Bahnprojektes durch das Zürcher Stimmvolk im Jahre 1973 wurden die Weichen zu Gunsten der Beschleunigung des Tram- und Busverkehrs unter dem Motto „Verdichten und Konzentrieren” gestellt. In dieses Projekt wurden bislang 2 Mrd. Schweizer Franken investiert. Kernstück war die Errichtung eines Durchgangsbahnhofes an Stelle des bisherigen Kopfbahnhofes in Zürich. Weiters wurde ein S-Bahn-Netzwerk von 400 km Schienenlänge errichtet und ein regionaler Tarifverbund eingeführt. Ferner wurde Wert darauf gelegt, dass sämtliche öffentliche Verkehrsmitteln mit einer einzigen Fahrkarte verwendet werden können. Somit kann man auch Schiffe und Seilbahnen mit der selben Karte, wie sie für die Straßenbahn und Busse verwendet werden, benutzen. Durch den Einsatz von Doppelstockzügen im S-Bahn-Verkehr wurden 50% mehr Sitzplätze angeboten. Nach 10 Jahren ergibt sich durch diese Angebotschaffung auch eine Steigerung der Passagiere von 40% bis 50%.

Bahn 2000 – Spinnensystem; Umsteigen ohne Wartezeiten
Die zeitliche Distanz zwischen den Bahnknotenpunkten wurde – wo es notwendig war, auch durch bauliche Maßnahmen – auf 60 min gesenkt. Dadurch waren die in verschiedene Richtungen fahrenden Züge immer zur vollen Stunde in einem Bahnhof, was den Fahrgästen ein Umsteigen ohne Wartezeiten ermöglicht. Ferner wurden die Anschlüsse des Regionalverkehrs auf dieses neue Fahrplansystem abgestimmt.

Durch bewusstseinsbildende Maßnahmen und permanente Bewerbung des öffentlichen Verkehrs konnte erreicht werden, dass die Zürcher Einwohner ausdrücklich auf die Bevorzugung des ÖPNV gegenüber dem MIV bestehen. Am 2. Platz rangieren im Bewusstsein der Bevölkerung der Fahrrad- und Fußgängerverkehr. Erst danach kommt der MIV. Die 5 Säulen der Zürcher Verkehrspolitik sind daher
- die Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel
- die Reduzierung des Motorfahrzeugverkehrs
- die Kanalisierung des Motorfahrzeugverkehrs und Beruhigung der Wohngebiete
- die Reduzierung des Parkplatzangebotes, namentlich für die Pendler
- die Sicherung der umweltfreundlichen Mobilität (Velo-, Fußverkehr)

Nicht zuletzt durch diese Verkehrspolitik steht Zürich an der Spitze des weltweiten Vergleichs der Lebensqualität in 215 Städten (jährliche Erhebung der Londoner Personalberatungsfirma Mercer).

Der öffentliche Verkehr wird auch durch Marketing gefördert. So wird ein selbstbewusstes Auftreten vermittelt, eine attraktive Preispolitik betrieben und die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel für alle Bevölkerungsschichten als trendy vermittelt. Weitere Informationen zur Zürcher Verkehrsplanung sind auch unter www.tiefbauamtzuerich.ch und www.mobilitaetskultur.ch einsehbar.

Technikbasiertes Verkehrsmanagement: Kurze Modeerscheinung, populärer Trend – oder eine echte Perspektive
Technikbasiertes Verkehrsmanagement als kostspielige Einbahnstraße für Städte?
Dr. Dipl. Geogr. Johannes KLÜHSPIES, München, hört als Ziel des städtischen Verkehrsmanagements immer die Beeinflussung der Mobilitätsgestaltung zum Wohle der Gesamtstadt. Im Zuge seines Vortrages hinterfragt er, ob dies mit diesem Mittel auch tatsächlich möglich ist.
Faktum ist, dass die ungehinderte freie KFZ-Zufahrt zu allen Orten der Stadt eine reine Fiktion ist. Vielmehr reduziert der MIV die Urbanität. Auch kommt es immer wieder zu Konflikten der verschiedenen Mobilitätsformen (MIV, ÖPV und Fußgeherverkehr). Als Folge von einer Zugänglichkeit des MIV bis ins Stadtzentrum präsentiert der Vortragende Aufzugsparkhäuser am Innenstadtrand von Osaka. Dort wurden im Stadtgebiet zur Unterbringung von PKW’s Wolkenkratzer errichtet. Die Autofahrer nehmen dort Parkkosten in der Höhe 8,- Euro pro Stunde auf sich, um bis ins Stadtzentrum gelangen zu können.

Dr. Klühspies sieht den Bedarf nach Differenzierung nach den Verkehrsarten zwischen nicht substituierbaren Verkehr und potentiell substituierbaren Verkehr. Als nicht ersetzbar wird der gewerbliche Wirtschaftsverkehr angesehen, der aus dem Transport- und Lieferverkehr, Taxis, Sicherheitsdienste usw. besteht. Dieser Verkehr wird häufig durch KFZ durchgeführt und kann kaum durch andere Verkehrsmittel substituiert werden. Zur Optimierung dieses Verkehrs, der ja in der freien Wirtschaft auch als Kostenfaktor aufscheint, bedienen sich die Firmen hochentwickelter Logistikkonzepte, betrieblicher Software und Telematik-Dienstleister. Dieses in diesem Bereich existierende Logistik-Know-How ist für Städte auf gleichwertigem Niveau kaum leistbar und somit in Ansehung der zur Verfügung stehenden Budgetmittel auch kaum durchführbar. Somit sollte die individuelle Mobilitätsgestaltung wie der Berufspendlerverkehr, Einkaufs- und Versorgungsfahrten sowie Freizeitverkehr, soweit er durch den MIV wahrgenommen wird, nicht durch Verkehrsmanagementsysteme zu dirigieren versucht sondern durch geeignete Alternativen ersetzt und neben der Unterstützung des unverzichtbaren Individualverkehrs der ersetzbare auf öffentliche Verkehrsmittel überführt werden. Gebot der Stunde wäre daher die Modernisierung und Priorisierung der öffentlichen Verkehrsmittel, einhergehend mit einem Parkraum- und Stellplatzmanagement, einer Parklizenzierung und den Verzicht auf Park & Ride.
Zu Park & Ride führt Dr. Klühspies aus, dass diese Modelle nicht kostendeckend arbeiten, die Ansicht der P&R-Hochhäuser nicht ansprechend ist und auch wertvolle Fläche in der Stadt verbrauchen bzw. den Wert des Standortes mindern. Ferner fördern Park & Ride Standorte am Stadtrand noch zusätzlich die Stadt-Umland-Migration, da Stadtflüchtlinge leichter bis zum Stadtrand gelangen können.

Intermodalitätsanspruch des Verkehrmanagements aus einer mobilitätspsychologischen Sichtweise
Grundsätzlich hat das Individuum die Wahl zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln (IV/ÖV). Als wichtige psychosoziale Regulationsmotive der Mobilitätsausübung fungiert die Förderung des mit dem Verkehrsmittel verbundene Prestiges und dessen positiver Selbstdarstellung. Weitere wichtige Faktoren sind die Aggressionsregulation, die Kompensation sozialer Ängste und die Identitätsfindung. Wie aus diesen Faktoren leicht ersichtlich ist, ist es leichter ein KFZ als Partnerersatz zu betrachten und mit ihm soziale Kränkungen zu kompensieren, als mit einem Öffi. Das öffentliche Verkehrsmittel, das ja mit einem KFZ im Neuzustand zu konkurrieren hat, muss daher qualitativ und auch emotional aufgewertet werden. Im Bereich der psychosozialen Regulationspotentiale können öffentliche Verkehrsmittel gegenüber KFZ am besten im Bereich von Image Prestigedenken und der positiven Kommunikation bestehen. Imagepflege, Bewerbung, verbunden mit Anhebung des Qualitätsstandards sind daher Voraussetzungen, um dem ÖPNV künftig einen höheren Stellenwert als bisher zukommen zu lassen.

Intermodales Mobilitätsverhalten durch Verkehrsmanagement ist nach Dr. Klühspies eine unrealistische Erwartung. Daher ist die Verkehrsmittelwahl des Bürgers bereits vor Fahrtbeginn zu beeinflussen. Dr. Klühspies empfiehlt 3 Prinzipien für ein psychologisch wirksames Verkehrssystemmanagement:
1. Erwerb und Besitz eines KFZ NICHT negativ thematisieren, da dies ein Tabuthema ist!
2. KFZ-Nutzung durch differenzierte Bepreisung des Parkens beeinflussen (Parkraumbewirtschaftung, Lizenzierung). Zur Lizenzierung merkt Dr. Klühspies an, dass die Autos zwar auch geparkt werden müssen, der Preis, zu dem sie dies tun dürfen, ist aber ein andere Frage.
3. ÖPNV-Wahl durch konsequente Priorisierung des öffentlichen Verkehrs psychologisch aufwerten. Damit einhergehend muss auch die Qualität der ÖPNV-Betriebe steigen.

Die Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel wird am besten durch eine verbesserte Kommunikation mit den Bürgern, eine Verringerung der Barrieren und verbesserter Zugang zum Verkehrsmittel und dessen permanente Verfügbarkeit erreicht. Eine auch sichtbare Aufwertung des öffentlichen Verkehrsmittels erfährt es durch eine eigene Fahrspur und seine Zurückholung in die Zentren der Städte.

Finanzielle Gefahren durch überholte Produkte
Als Schlusspunkt seines Vortrages legte Dr. Klühspies noch die finanziellen Gefahren dar, die Städten, die sich hauptsächlich auf Verkehrsmanagement durch IV-Telematik konzentrieren, drohen. Die in diesem Bereich von den marktbeherrschenden Firmen angebotenen Produktpakete sind in ihrem Anfangsstadium zumeist recht günstig, untereinander aber oftmals nicht kompatibel und in weiterer Folge, zwecks besserer Nutzung der gesammelten Daten und deren Auswertung, noch ergänzungsbedürftig. Dr. Klühspies beziffert die Kosten für Verkehrs-/Telematiksysteme, mit denen eine Prognosenauswertung möglich ist, mit einer Mio. Euro für die Grundausstattung (für eine Stadt in der Größe Salzburgs). Die kurzfristig als positiv empfundenen Effekte (wie eine bessere Nutzung der vorhandenen Verkehrsfläche) verschwinden in Kürze, da diese zusätzlich zur Verfügung stehende Verkehrsfläche sofort durch den MIV aufgefüllt wird. Parallel zu den den Städten angebotenen Produkten der IV-Telematik existieren von den selben Herstellern wesentlich modernere Produkte, die den KFZ-Herstellern zur Verfügung stehen. Diese werden im Bereich des VCW (floating corps data) zur Stauprognostizierung in den einzelnen KFZ eingebaut. Somit werden in naher Zukunft PKW-Fahrer über wesentlich dichtere Informationen über den Straßenverkehr verfügen als die Städte mit ihren technologisch überholten Produkten. Durch diesen Informationsvorsprung wird sich der KFZ-Nutzer nicht nach den Aussagen der städtischen Leitsysteme richten, sondern nur den diesen widersprechenden Informationen seines Fahrzeugcomputers vertrauen. Der Kostenaufwand wäre somit von den Städten vergeblich aufgebracht worden, der Lenkungseffekt aber gleich null.

Da ein gänzlicher Verzicht auf Verkehrsmanagementsysteme im Individualverkehrbereich derzeit politisch nicht vertretbar wäre, empfiehlt Dr. Klühspies diesen nur rudimentär zu errichten und im Bereich des öffentlichen Verkehrs voll auszubauen.

Dr. Klühspies beendete seinen Vortrag mit dem Schlusssatz, dass der motorisierte Individualverkehr die Städte kaputt macht, der öffentliche sie aber rettet


Weitere Vorträge der Verkehrsmanagementveranstaltung können beim Österreichischen Städtebund unter post@stb.or.at angefordert werden.

Vortrag Ott Kurzfassung
Präsentation_Verman
OEGZ

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