Zwischenbilanz der ÖPNRV-Reform 2005: Städtebund bleibt weiter außen vor! Übrig bleiben die Ballungszentren und die Pendler.

Zwischenbilanz der ÖPNRV-Reform 2005: Städtebund bleibt weiter außen vor! Übrig bleiben die Ballungszentren und die Pendler.

Bericht von der Kooperationsveranstaltung der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (ÖVG) und der ABBV Gesellschaft für Unternehmensberatung und Verkehrsplanung GmbH vom 24. Mai 2005

Einen Überblick über den aktuellen Stand der ÖPNRV-Reform des Staatssekretärs für Verkehr, Herrn Mag. Helmut KUKACKA, vor deren Vorstellung anlässlich der Landeshauptleutekonferenz am 24. Mai 2005 lieferten die Vortragenden aus Sicht privater Busunternehmer, kommunaler Verkehrsbetriebe, des ÖBB-Personenverkehrs und der Landesverkehrsverbünde.

Regionalisierung wird keine Verbesserungen im ÖPNV erzwingen können! Ist die ÖPNV-Reform nur ein Spiel um Macht, Geld und Einfluss?
Univ.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Leonard HÖFLER, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, betrachtete die ÖPNV-Reform als Spiel um Macht, Geld und Einfluss. Die (Gegen-) Spieler sind die Pendler (als Verkehrsmittelnutzer), die Länder (als Besteller und Bezahler von Verkehren), der Bund (als Bezahler) und die Verkehrsunternehmen (als Verkehr durchführende). Der bundesweite Anstieg des Pendlerverkehres erfolgt hauptsächlich im MIV, während der Anteil des ÖPNV prozentuell und in einigen Bundesländern sogar absolut sinkt. Um diesen Abwärtstrend zu stoppen, womöglich sogar umzukehren, ist schnelles Gegensteuern erforderlich.

Eine Regionalisierung wird diese Verbesserung aber nicht zwangsläufig herbeiführen. Als weiterhin ungelöst betrachtete Höfler auch die Schnittstellenproblematik zwischen den Geldgebern Land, Städte und Bund. Er wünschte sich daher eine Selbstorganisation der Verkehrssysteme ohne zentrale Steuerung und von politischer Seite jene Wertschätzung des ÖPNV, wie sie der MIV in den letzten Jahrzehnten genoss.

Private Verkehrsunternehmen setzen auf Eigenwirtschaftlichkeit und warnen vor Lohndumping!
Die Hoffnungen und Befürchtungen der privaten Verkehrsunternehmen zur ÖPNV-Reform legte Mag. Ludwig RICHARD, Dr. Richard Verkehrsbetriebe KG, dar. Durch den mit der Regionalisierung verbundenen Wegfall eines Verhandlungspartners, dem Bund, erhofft man sich eine Vereinfachung, weniger Gespräche führen zu müssen und längerfristige Mittelzusagen von den Ländern. Ferner meint man nun vermehrt eigenwirtschaftliche Verkehre erbringen zu können, die die öffentlichen Hand am wenigsten (bis gar nichts) kosten und gleichzeitig kundenfreundlich und effizient sind.

Andererseits befürchtet man, dass jene Einsparungen, die durch künftige Ausschreibungen erzielbar sind, durch deren Kostenintensität mehr als aufgehoben werden. So schätzt Mag. Richard den Anteil der Finanzierung der Ausschreibungstätigkeit und deren Kontrolle am Auftragsvolumen auf 10 bis 15 % ein. Bei einem Anteil der Personalkosten von mindestens 63 % (gerechnet für Billigst-Lenker!) an den Gesamtkosten eines Verkehrunternehmens wird Lohndumping als Folge befürchtet.

Taktfahrpläne und Ausbau von Bus-Bahn-Knoten statt Gesundsparen und Angebotsverminderung
Nach einer kurzen Beschreibung der Ziele der ÖPNRV-Reform 2005 der Bundesregierung erläuterte Dkfm. Wilhelmine GOLDMANN den Standpunkt der ÖBB-Personenverkehr AG. Der derzeit im Raum stehende Lösungsansatz „Gesundsparen und Verminderung des Angebotes“ wird wohl nicht den ÖV-Anteil am Modalsplit erhöhen können. Vielmehr wird ein weiterer Mitteleinsatz erforderlich sein, um sinnvolle Maßnahmen, wie langfristig stabile Taktfahrpläne, Schaffung und Ausbau von Bahn-Busknoten sowie Einbeziehung des Fernverkehrs in die Tarifeinheit, zur Kundengewinnung umzusetzen.

Kukacka bekennt sich zum ÖPNV und verkauft ÖPNV-Reform als Macht- und Kompetenzverzicht des Bundes zugunsten der Länder
Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka, BMVIT, bekannte sich zum ÖPNV, da dieser zur Lebensqualität der Bürger und zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes beiträgt. Die unerfreuliche Entwicklung in der Nachfrage („... sinkend ...“) und der steigende Finanzierungsbedarf machen aber eine Umkehr des Trends „weg vom ÖV, hin zum MIV“ erforderlich. Eine Effizienzsteigerung des ÖV, um an ihn gestellte Anforderungen gerecht zu werden, sei daher notwendig.

Durch den im Zuge der ÖPNRV-Reform 2005 in Aussicht genommenen Macht- und Kompetenzverzicht des Bundes zugunsten der Länder können dann diese zum Anlass nehmen, selbst ihre Prioritäten im ÖPNRV-Bereich zu setzen.

Der Österreichische Städtebund wird erst auf Nachfrage bereits nach Beendigung der Tätigkeiten der Expertenarbeitsgruppe zur Mitarbeit eingeladen!
In der Projektbeschreibung der ÖPNV-Reform 2005 steht richtigerweise, dass diese Reform nur dann erfolgreich sein kann, wenn deren Ziele und Vorschläge partnerschaftlich mit allen Beteiligten diskutiert und abgestimmt werden. Der Abschluss dieser Diskussion wurde für den Mai 2005 vorgesehen. Die österreichischen Städte als Besteller von Verkehren und Besitzer von Verkehrsunternehmen können sich hier durchaus zu Recht als Beteiligte ansehen. Bislang wurde dem Städtebund jedoch nicht einmal die gegenständliche Projektbeschreibung zur Kenntnis gebracht, obwohl der Verkehrsminister bereits im November des Vorjahres um Einbindung in die Verhandlungen ersucht wurde!

Auf Anfrage räumte Staatssekretär Kukacka ein, dass die Städte und Gemeinden bislang noch nicht zu den Verhandlungen eingeladen wurden. Er konnte aber auch deren Betroffenheit durch die ÖPNV-Reform 2005 nicht erkennen. Jedenfalls sicherte er zu, dass der Städtebund in dem nach seiner Meinung ab 25. Mai 2005 tätig werdenden politischen Arbeitsgruppen eingebunden werden würde.

Zur Betroffenheit der Ballungszentren und der Pendler: Höhere Kosten, höhere Morbidität und höhere Mortalität!
Die Betroffenheit der Gemeinden lässt sich anhand der Pendlerproblematik leicht erläutern. Seit dem Bundesbahnstrukturgesetz 2003 kann der Betrieb und die Errichtung von Stationen und Strecken im Bundesnetz von der Mitfinanzierung durch die betroffenen Gemeinden abhängig gemacht werden. Ferner hat auf dem Bundesnetz der Güterverkehr vor dem nicht gemeinwirtschaftlichen Personenverkehr Vorrang, künftig soll auch der Bundesschienenverkehr vor dem Länderschienenverkehr Vorrang haben. Ob nach der ÖPNV-Reform 2005 der gemeinwirtschaftliche Personen-/Länderschienenverkehr Vorrang vor dem Güter-/Bundesschienenverkehr haben wird, ist zur Zeit noch unklar. Arbeitnehmer, die in Ballungszentren einpendeln, könnten somit zuwarten müssen, bis der Güterzug und dann der Fernreisezug gefahren ist. Bis also der Pendler zum Zug kommt, ist dieser für ihn bereits abgefahren. Die Folge wird daher ein Umstieg auf das Auto sein. Leidtragende sind die Bewohner in Ballungszentren durch erhöhte Morbidität und Mortalität und die Pendler durch die höhere finanzielle Belastung aus der Anschaffung und aus der Erhaltung eines Kfz.

Studie der Fachhochschule Emden vergleicht ÖPNV-Modelle in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten
Einen Überblick über unterschiedliche Liberalisierungs- und Privatisierungsmodelle in der EU lieferte Dr. Robert BLAGUSS, Präsident des Schutzverbandes der Autobusunternehmungen, in Anlehnung an die Studienergebnisse der Fachhochschule Emden. Während in Großbritannien Busverkehre nur noch nebeneinander und ohne überregionale Vernetzung fast ausschließlich an frequenzstarken Achsen existieren, führte die Ausschreibungspraxis in Skandinavien zu einem Verschwinden der lokal ansässigen Busunternehmen. Nach der ersten Ausschreibung entstehen kurzfristig Einsparungseffekte für die Kommunen. Im Zuge der zweiten Ausschreibungsrunde werden die örtlichen Unternehmen durch Global Player verdrängt. Ab der dritten Runde können diese dann Preissteigerungen von bis zu 40 % durchsetzen! Durch den zwischenzeitlichen Verlust des operativen Know-How können Kommunen die Verkehre nicht mehr selbst durchführen. Gleichzeitig erbringen die internationalen Verkehrsunternehmen (mit ausländischem Firmensitz) keine Steuerleistung mehr in der Region.

Kärntner Verkehrsverbund-Geschäftsführer kritisiert Auto orientierte Landespolitik
Wie ein Verkehrsverbund nicht effizient funktioniert, analysierte Dipl.-Ing. Christian HESCHTERA, Geschäftsführer Verkehrsverbund Kärnten GmbH, anhand der Situation in Kärnten. Nach seinen Ausführungen genießt der ÖPNV in Kärnten ein so geringes Ansehen, dass im Zuge der Feinstaubdiskussion Tageszeitungen unwidersprochen ein Verbot der Regionallinienbusse in der Innenstadt von Klagenfurt forderten. Durch die großzügige Bereitstellung von Infrastruktur für den ruhenden und fahrenden MIV wird seitens des Landes Kärntens derzeit auch gar nicht der Versuch unternommen, Bürger zum Umstieg auf den für sie kostengünstigeren ÖPNV zu gewinnen.

OEGZ

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