64. Städtetag in Graz: Städte fordern Aufgaben-Reform vor dem nächsten Finanzausgleich

64. Städtetag in Graz: Städte fordern Aufgaben-Reform vor dem nächsten Finanzausgleich

Aktueller „Städtebarometer“: Keine Privatisierung der kommunalen Dienstleistungen, Wohnen ist wichtiges Anliegen

Vor der Eröffnung des 64. Österreichischen Städtetages in Graz: Bürgermeister Markus Linhart (Bregenz), Siegfried Nagl (Graz), Präsident Michael Häupl, Generalsekretär Thomas Weninger (von links)

 
Die aktuelle Hochwasser-Situation in Südost-Europa begleitete die Pressekonferenz vor der Eröffnung des 64. Österreichischen Städtetages in Graz: Städtebund-Präsident, Bürgermeister Michael Häupl sprach der Bevölkerung seine Anteilnahme aus und dankte im Namen des Österreichischen Städtebundes auch den vielen Freiwilligen aus Österreich, die nach Südost-Europa gefahren sind, um zu helfen. Auch Bürgermeister Siegfried Nagl, der auf die große Zahl von Menschen bosnischer Herkunft in Graz verwies, zeigte sich beeindruckt von der Welle der Hilfsbereitschaft. Graz hat als „erste Hilfe“ bereits (Trink-) Wasser in die betroffenen Gebiete geschickt und unterstützt mehrere Benefizveranstaltungen in der Landeshauptstadt. Zum Städtetag sagte Nagl: „Die Städte kommen nicht als Bittsteller, denn die Städte sind die wesentlichen Säulen des Wohlstands in Österreich. In den Städten passiert Bildung und Innovation, hier werden Menschen integriert und in den Städten wird investiert und so die Wirtschaft angekurbelt. Kommunalpolitiker sind am nächsten bei den Menschen und nehmen daher die Sorgen und Hoffnungen als erste wahr. Diese Verantwortung muss sich auch im Finanzausgleich zwischen den subsidiären Ebenen wiederspiegeln!“ Auch Markus Linhart, Bürgermeister von Bregenz, appellierte an die Bevölkerung, zu spenden und dankte zunächst den Einsatzkräften, die eine rasche und unbürokratische Hilfe ermöglicht hätten. Er ging auf die Hauptforderungen des Österreichischen Städtebundes ein, die beim Städtetag in Form einer umfangreichen Resolution beschlossen werden. Kernpunkt: Ein aufgabenorientierter Finanzausgleich, der sich nicht mehr an der Anzahl der Hauptwohnsitze, sondern an den tatsächlichen Aufgaben, die eine Stadt erfüllen muss, orientiert: „Klare Aufgabenteilung, klare Finanzierung dieser Leistungen – das ist unsere Forderung“, so Linhart. „Städte sind Motoren der gesamten österreichischen Wirtschaft, ihre Investitionen tragen wesentlich zum Wirtschaftsaufschwung bei, weil sie vor allem Klein- und Mittelunternehmen zugute kommen,“ betonte auch Städtebund-Präsident Michael Häupl. Die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den kommunalen Dienstleistungen ist sehr hoch, das belegt auch die aktuelle Studie „Städtebarometer 2014“ eindrücklich. Die aktuelle Belastung der Bevölkerung durch Wohnkosten ist immens hoch. 95 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass es wichtig ist, dass es öffentlich geförderten Wohnbau gibt“, betonte Häupl. Finanzen im Mittelpunkt der Beratungen zum 64. Städtetag Österreichs Städte bieten der Bevölkerung Tag für Tag eine Vielzahl von kommunalen Dienstleistungen auf höchstem Niveau an: Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Müllentsorgung, Kindergärten, Schulen, Kultureinrichtungen, Sport und Öffentlicher Nahverkehr. Damit versorgen die Städte eine ganze Region. Trotz der Krisenjahre ist es gelungen, diese Leistungen in unverminderter Qualität aufrechtzuerhalten – doch in den letzten Jahren ist auch offensichtlich geworden, dass der Finanzausgleich dringend einer umfassenden Reform bedarf: Städte und Gemeinden finanzieren neben ihren eigentlichen Aufgaben auch wesentlich die soziale Versorgung in Österreich mit. Sie finanzieren etwa über sogenannte Transferzahlungen die Sozialhilfe mit oder ko-finanzieren Spitäler, die hauptsächlich in der Verantwortung der Bundesländer stehen. Insgesamt 52.000 Transfers fließen zwischen Ländern und Gemeinden hin- und her und machen die Finanzierung daher unübersichtlich und ineffektiv. Zusätzlich belasten einzelne Maßnahmen der Bundesregierung Städte und Gemeinden:
  1. Die Streichung der Vorsteuer-Regelung für Städte und Gemeinden, die seit 2013 fällig ist, führt dazu, dass Kommunen bei Investitionen zurückhaltender sind.
  2. Gemeindekooperationen sollen nunmehr umsatzsteuerpflichtig sein, was dazu führen könnte, dass Kooperationen, die eigentlich sparen helfen, nicht mehr eingegangen werden.
  3. Die gemeindeeigenen Steuern, die in den letzten Jahren anteilig von 40 auf 20 Prozent zurückgegangen sind, müssen modernisiert, verfassungsmäßig abgesichert und dynamisiert werden. Wichtigster Schritt: Die Reform der Grundsteuer. Mittelfristig sollte gemeinsam mit dem Finanzministerium eine grundlegende Reform erarbeitet werden, wobei klar ist, dass die Grundsteuer eine kommunale Steuer bleiben muss.
Der Österreichische Städtebund tritt für eine grundlegende Reform des Finanzausgleichs (FAG) ein, der sich an den tatsächlichen Aufgaben von Stadt oder Gemeinde orientiert, anstelle der Anzahl der festen Wohnsitze. Es muss eindeutige Zuständigkeiten zwischen den Gebietskörperschaften geben, und eine klare finanzielle Verantwortung. Zum Beispiel: Gesundheit und Pflege sind Ländersache, Kindergärten werden nur durch die Kommunen verantwortet. Nur so können die unzähligen Transferzahlungen eingedämmt werden und letztlich auch die Leistungen besser und effizienter werden. Ergebnisse des Städtebarometer 2014 Die Lebensqualität in der Wohngemeinde wird von der Bevölkerung wie auch in den letzten Jahren als sehr hoch eingeschätzt: Fast neun von zehn Befragten (87%) gaben im Jahr 2014 an, dass ihre Wohngemeinde eine hohe Lebensqualität bietet. Das ist eines der Ergebnisse, des jährlich erhobenen „Städtebarometer“ von SORA – Institute for Social Research. Weiterhin hoch ist auch die Zufriedenheit mit kommunalen Dienstleistungen: Jeweils neun von zehn Befragten sind  mit der Trinkwasserversorgung (97%), der Abwasserentsorgung (93%) und der Müllentsorgung (92%) zufrieden. Auch die Zufriedenheit mit dem Stadtbild (89%), der Gesundheitseinrichtungen (86%) den Angeboten für FußgängerInnen (87%) oder dem Radwegenetz (80%) und dem Öffentlichen Verkehr (78%) sind sehr hoch. Drei Viertel der Befragten sind außerdem mit den Sozialen Diensten, den Pflege- und den Kinderbetreuungseinrichtungen zufrieden.
Vergleicht man die Zufriedenheit in kleineren und größeren Gemeinden, dann steigt beispielsweise die Zufriedenheit mit dem Öffentlichen Verkehr mit zunehmender EinwohnerInnenzahl. Während etwa in den kleinen Kommunen die Zufriedenheit bei 52% liegt, steigt sie in Wien auf 95%. Auch bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie den Soziale Diensten ist die Zufriedenheit der Bevölkerung in größeren Städten bzw. Gemeinden höher als in kleineren. Die überwiegende Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass kommunale Dienstleistungen nicht an private Anbieter ausgelagert werden sollten, auch hier führen Trinkwasser, die Abwasserversorgung und die Gesundheitseinrichtungen die Reihung deutlich an. Abgefragt wurde auch der Zuzug in die Städte bzw. die Wanderungsbewegungen insgesamt. Rund vier von zehn Befragten ist erst im Laufe ihres Lebens in ihre aktuelle Wohngemeinde gezogen. Wer erst im Laufe des Lebens zugezogen ist, kommt häufig aus einer kleineren Gemeinde oder Stadt in eine größere (63%). 26% sind aus einer größeren in eine kleinere Kommune übersiedelt, 11% kommen aus dem Ausland. Steigende Wohnkosten in urbanen Gebieten Ein besonderer Schwerpunkt wurde bei der Befragung 2014 zum Thema „Leistbares Wohnen“ gesetzt. Die Befragten wurden gebeten einzuschätzen, wie sich die Kosten für Wohnen in ihrer Wohngemeinde in den letzten Jahren entwickelt haben: Von Befragten, die in urbanen Gebieten leben (88%), wird häufiger ein Kostenanstieg im Bereich Wohnen konstatiert als von Befragten in ländlichen Gebieten (72%). Unabhängig davon, ob es sich bei der Wohngemeinde um eine eher ländliche oder urbane Gemeinde handelt, beobachten MieterInnen (90%) häufiger eine Kostensteigerung beim Wohnen als EigentümerInnen (77%). Die beschriebenen Unterschiede zwischen Stadt und Land spiegeln daher einerseits einen Anstieg der Immobilienpreise in den Ballungsräumen wider, andererseits die strukturellen Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Wohnungsmärkten: Während es sich bei etwa zwei Drittel der Befragten in ländlichen Gemeinden um EigentümerInnen der von ihnen bewohnten Wohnung bzw. des von ihnen bewohnten Hauses handelt, sind das unter Befragten in urbanen Gemeinden nur ein Drittel der Befragten.

Mehr als jede/r Zweite fühlt sich durch Wohnkosten belastet

Hinsichtlich der aktuellen Belastung durch die Wohnkosten gibt insgesamt etwas mehr als die Hälfte der Befragten (54%) an, sich durch die Kosten für Wohnen sehr oder ziemlich belastet zu fühlen. Etwa jede/r sechste fühlt sich sehr belastet. Je jünger die Befragten sind, desto eher fühlen sie sich durch die Wohnkosten belastet: 62% der unter 30-Jährigen geben an, sich sehr oder ziemlich belastet zu fühlen – gegenüber 43% der über 60-Jährigen. Generell steigt das subjektive Belastungsgefühl – wie aufgrund des höheren Anteils an MieterInnen in größeren Kommunen zu erwarten – mit der Gemeindegröße: In Gemeinden mit bis zu 10.000 EinwohnerInnen fühlen sich 44% durch die Wohnkosten belastet und in Städten über 100.000 EinwohnerInnen 58%. 95% der Befragten sind der Meinung, dass es wichtig ist, dass es öffentlich geförderten Wohnbau gibt. Diese breite Zustimmung gilt für alle Alters- und Einkommensschichten. Nicht nur Befragten mit niedrigem und mittlerem Einkommen, auch Befragte mit hohem Haushaltseinkommen (91%) sehen die Notwendigkeit für öffentlich geförderten Wohnbau.

Wohnzufriedenheit zentral für Lebensqualität

Insgesamt sind in den österreichischen Städten und Gemeinden neun von zehn Befragten mit der Wohnsituation zufrieden, jede/r zweite ist sogar sehr zufrieden. Die Zufriedenheit mit der Wohnsituation steht also in engem Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Lebensqualität in einer Gemeinde. Informationen zum 64. Österreichischer Städtetag in Graz Von Mittwoch, 4. Juni bis Freitag, 6. Juni 2014 laden der Österreichische Städtebund und die Stadt Graz zum 64. Österreichischen Städtetag 2014. Unter dem Motto „Städte neu denken - Finanzen, Bildung, Soziales steht der diesjährige Städtetag ganz im Zeichen der Finanzierung der kommunalen Leistungen vor den beginnenden Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich (FAG). Ein weiteres Schwerpunktthema ist das Thema „Leistbares Wohnen“. Rund 900 Gäste, darunter zahlreiche BürgermeisterInnen aus dem In- und Ausland, werden bei der traditionellen Generalversammlung des Österreichischen Städtebundes in Graz erwartet. Bei der feierlichen Eröffnung ab 15.00 Uhr werden wird neben dem gastgebenden Bürgermeister Siegfried Nagl und Städtebund-Präsident Michael Häupl auch Bundeskanzler Werner Faymann sprechen.   Bundespräsident Heinz Fischer wird mittels Videobotschaft zugeschaltet. Für das Festreferat des Österreichischen Städtetages ist es gelungen, den US-amerikanischen Politikwissenschafter und früheren Clinton-Berater Benjamin Barber zu gewinnen. Mit seinem Vortrag „If Mayors ruled the world: Why Cities Can Do What Nation States Cannot“ am Mittwoch, 4. Juni 2014 wird der Städtetag eröffnet. Erwartet werden während der drei Tage dauernden Veranstaltung außerdem Vizekanzler Michael Spindelegger, Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Am zweiten Tag stehen Arbeitskreise zu fünf wichtigen Themen – Qualitätsvolles Bauen in Städten, der Finanzausgleich, Smart Urban Living, Friedliches Zusammenleben sowie Schule und Bildung – mit vielen internationalen ExpertInnen auf dem Programm (siehe Beilage). Der Städtetag endet am Freitag mit einem Abschlussreferat von Vizekanzler Michael Spindelegger. Der Österreichische Städtetag ist die jährliche Generalversammlung des Österreichischen Städtebundes und seiner rund 250 Mitgliedsstädte und Gemeinden, es werden rund 900 Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte, sowie nationale und internationale Gäste erwartet. Details zum Programm unter www.staedtetag.at Ein eigenes Pressebüro (Saal 6, im 1. OG) mit WLAN-Zugang steht während der gesamten Tagungszeit für JournalistInnen und FotografInnen zur Verfügung. Fotolink zu aktuellen Pressefotos des 64. Städtetages in Graz: <link typo3 _blank external-link>markuswache.com/archiv/64_staedtetag/ Rückfragehinweise für Medien: Saskia Sautner Mediensprecherin Österreichischer Städtebund
Mobil: +43 (0) 676 8118 89990
saskia.sautner@staedtebund.gv.at Silvia Stefan-Gromen Mediensprecherin
Österreichischer Städtebund
Mobil: +43 (0) 676 8118 89983
silvia.stefan-gromen@staedtebund.gv.at
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