Getränkesteuer -Regelungswerk zugunsten der Gemeinden im Parlament nicht beschlossen

Dkfm. Dr. Erich Pramböck
Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes

Die Schlußanträge des Generalanwalts bestätigen der Getränkesteuer zwar EU-Konformität hinsichtlich der Mehrwertsteuer-Richtlinie, nicht jedoch hinsichtlich der Verbrauchsteuer-Richtlinie. Der Österreichische Städtebund forderte gemeinsam mit dem Gemeindebund, noch im Juli legistische Maßnahmen zum Schutz der Gemeinden zu beschließen. Kernpunkt war, die Gemeinden gegen wesentliche Forderungen bei einer allfälligen rückwirkenden Aufhebung der Getränkesteuer durch den EuGH abzusichern. Dies scheiterte an den Forderungen der Wirtschaft nach pauschalierten Getränkesteuerrückzahlungen. Nunmehr sind die Länder gefordert, Maßnahmen in ihren Landesabgabenordnungen zu treffen, allenfalls Beschlüsse in den Gemeinderäten über eine besondere Zielsetzung durchzuführen und mögliche Rückforderungsansprüche der Wirtschaft festzustellen. Eine endgültige Klärung kann nur das Erkenntnis des EuGH bringen, das für Herbst/Winter 1999 erwartet wird.

Noch bei meinem Referat am Städtetag am 28. Mai 1999 in Innsbruck, bei dem ich auch die Risiken eines Verfahrens beim Europäischen Gerichtshof eingehend darstellte (siehe auch ÖGZ 7/99, Seite 30 ff), wurde die Gefährdung der Getränkesteuer als eine eher theoretische Angelegenheit betrachtet. Mit der Veröffentlichung der Schlußanträge des Generalanwalts am 1. Juli 1999 nahm die Angelegenheit einen dramatischen und kritischen Akzent an, auch wenn sich diese Anträge nicht notwendigerweise mit dem Erkenntnis des EuGH decken müssen.

Positive und negative Aspekte der Schlußanträge
Der Generalanwalt hat zwar der Getränkesteuer die Konformität mit der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie bestätigt, sie jedoch hinsichtlich der Verbrauchsteuerrichtlinie als nicht EU-konform bezeichnet. Von der Verbrauchsteuerrichtlinie sind nur alkoholische Getränke erfaßt, sodaß eine allfällige EU-Widrigkeit nur alkoholische Getränke, nicht aber nicht-alkoholische Getränke betreffen würde. Damit sind rund vier der insgesamt jährlich 5,6 Mrd. Schilling Getränkesteueraufkommen betroffen. Inwieweit die Besteuerung nicht-alkoholischer Getränke aufgrund von Verfahren beim Verfassungsgerichtshof aufrechterhalten werden kann, ist eine andere Frage.

Der Generalanwalt hat der Getränkesteuer zunächst noch den Charakter einer "anderen indirekten Steuer" zuerkannt, jedoch in seinen weiteren Ausführungen davon gesprochen, daß sie nicht den Kriterien einer "Verbrauchsteuer" entspreche. Während bei einer "anderen indirekten Steuer" nur das Erfordernis einer "besonderen Zielsetzung" besteht, würde bei einer "Verbrauchsteuer" die gesamte derzeitige Steuereinhebung der Getränkesteuer in Frage gestellt, da dann eine mengenabhängige Besteuerung des Alkohols und nicht wie derzeit eine Besteuerung nach dem Preis sowie die Einhebung der Abgabe beim Produzenten und nicht wie derzeit beim Letztverkäufer erfolgen müßte. Für die Verteilung auf die Gemeinden wäre überdies eine gesonderte Regelung zu treffen.

Überdies schloß der Generalanwalt - entgegen dem Antrag der Republik Österreich und ohne daß ein diesbezüglicher Antrag der EU-Kommission, sondern nur das Begehren der Kläger vorlag - die Rückzahlung der Steuer für die Jahre ab dem EU-Beitritt im Jahr 1995 nicht aus.

Die Getränkesteuerbefreiung für den Ab-Hof-Verkauf von Wein wurde ebenfalls als gemeinschaftswidrige Beihilfe gewertet. Letzteres stellt im Hinblick auf ein mögliches finanzielles Volumen von rund 150 Mio. Schilling ein vergleichsweise kleineres Problem dar.

Volle Information für Mitgliedsgemeinden

Der Österreichische Städtebund hat noch am Tag der Veröffentlichung der Schlußanträge seine Mitgliedsgemeinden mit einem Rundfax über die wichtigsten Aussagen des Generalanwalts informiert, die in der Folge nochmals abgedruckt werden. Im Internet wurde der gesamte 24-seitige Bericht (http://staedtebund.wien.at), Top News vom 2. Juli 1999, zum Abruf bereitgestellt.

Entschiedene Aktion des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes

Noch am 2. Juli 1999 haben Städtebund und Gemeindebund ein gemeinsames Schreiben an die Klubobmänner der beiden Regierungsparteien sowie Bundesminister Rudolf Edlinger mit dem Ersuchen um gerichtet, Maßnahmen zum Schutz der Gemeindefinanzen noch in dieser Legislaturperiode zu ergreifen. Bereits am 5. Juli hat eine Arbeitsgruppe Bund/Länder/Städte/Gemeinden im Bundesministerium für Finanzen getagt und unter Berücksichtigung von ohnedies anstehenden Novellierungswünschen bei der Bundesabgabenordnung, den Äußerungen des Generalanwalts und den Forderungen von Städten und Gemeinden nach erhöhter Rechtssicherheit einen Vorschlag ausgearbeitet, gegen den innerhalb offener Frist bis 6. Juli, 10.00 Uhr, keine Einwendungen erhoben wurden.

Ziel war es erstens, die vom Generalanwalt für die "anderen indirekten Steuern" geforderte ausdrückliche Nennung der "besonderen Zielsetzung" im Finanzausgleichsgesetz vorzunehmen, wobei er selbst die Begriffe "Umweltschutz, Gesundheit, Fremdenverkehr, Sport, Kultur sowie Freizeitveranstaltungen" vorgegeben hat. Im übrigen hatte auch die Republik Österreich im Verfahren stets damit argumentiert, daß die Getränkesteuer gesundheitspolitische Zielsetzungen verfolgt (10 % für alkoholische und 5 % für nicht-alkoholische Getränke) und sich durch ihren erhöhten Ertrag in Tourismusgemeinden und zentralen Orten eine automatische Finanzierung der in diesen Gemeinden überdurchschnittlichen Infrastrukturerfordernisse ergibt. Die Festlegung einer besonderen Zielsetzung im Finanzausgleichsgesetz sollte dies auch formal stärker ausdrücken.

Zweitens sollte in der Bundesabgabenordnung klargestellt werden, daß Abgaben, die weitergewälzt wurden, nicht rückgefordert werden können auch wenn sich später eine Rechtswidrigkeit ergibt. Durch eine eigene Verfassungsbestimmung sollte bis zur Erlassung eigener Regelungen auf Landesebene die Regelung in der Bundesabgabenordnung auch für die entsprechenden Landesabgabenordnungen gelten.

Für den Fall, daß der EuGH eine "Verbrauchsteuer" fordert, wurde keine sofortige Maßnahme verlangt, da dann ohnedies eine grundsätzlich zu beratende Neustrukturierung erforderlich ist.

Parlamentarische Beratungen

Die parlamentarischen Beratungen haben gezeigt, daß weder die gesetzliche Verankerung der "besonderen Zielsetzung" noch die äußerst wichtige Frage des Schutzes vor Rückforderungen für die Jahre ab 1995 eine parlamentarische Mehrheit fanden.

a) Keine Umsetzung der "besonderen Zielsetzung"

Die Verankerung der "besonderen Zielsetzung" im FAG wurde von einem Parlamentsklub abgelehnt, weil er erwartet, daß aufgrund des Erkenntnisses des EuGH eine völlige Neustrukturierung der Getränkesteuer notwendig werden könnte.

b) Keine Umsetzung des Rückforderungsverbotes

Die Unterlassung einer gesetzlichen Regelung hätte noch hingenommen werden können, weil - wie später noch erwähnt wird - auch eine Beschlußfassung der "besonderen Zielsetzung" durch den Gemeinderat mit voller Wirkung ebenfalls möglich sein dürfte, doch kam auch eine bereits zugesagte Regelung in der Bundesabgabenordnung über das vorgesehene Rückforderungsverbot im Fall einer rückwirkenden Aufhebung der Getränkesteuer durch den EuGH nicht zustande.

Vertreter der Wirtschaft hatten zwar zugestanden, daß im Falle einer rückwirkenden Aufhebung der Getränkesteuer die Gemeinden zwar vor Rückzahlungen geschützt werden sollen, in Gesprächen jedoch verlangt, daß sie bestimmten, noch festzulegenden Kategorien von Unternehmen pauschale Getränkesteuerrückerstattungen leisten sollten. Die Details hätten in einer vom Finanzministerium zu erlassenden Verordnung geregelt werden sollen. Als erste Beispiele wurden Hotels, die gewisse Auslastungen nicht erreichen oder Handelsbetriebe mit schlechter Ertragslage, z.B. unter 400 m² Fläche, oder Gasthöfe auf weniger attraktiven Standorten genannt. Dies hätte unter Umständen Milliardenzahlungen der Gemeinden bedeuten können. Nicht offiziell genannt, jedoch kolportiert wurde ein gewünschter Betrag von an die 5 Mrd. S.

Konkrete Vorschläge wollte die Bundeswirtschaftskammer im August vorlegen.

Die Vertreter von Städtebund und Gemeindebund haben darauf hingewiesen, daß die von der Wirtschaft gewünschten Maßnahmen Fragen der allgemeinen wirtschaftsstrukturellen Entwicklung bzw. der Wirtschaftsförderung sind, aber keineswegs im Wege der Getränkesteuer geregelt werden können.

Städtebund und Gemeindebund haben gemeinsam darauf bestanden, daß allfällige Rückzahlungen von Getränkesteuer an Betriebe nur dann möglich sind, wenn eine Überwälzung wegen des intensiven internationalen Preiswettbewerbs nicht möglich gewesen ist, daß es sich aber letztlich nur um einige wenige Fälle handeln kann. Eine Rückzahlung an Konsumenten war ohnedies nicht vorgesehen.

Eine endgültige Beschlußfassung scheiterte an der Formulierung der "Ausschußfeststellung" zum Gesetzestext (siehe auch Internet (http://staedtebund.wien.at), Top-News vom 15. Juli).

Weitere Schritte

Der EuGH hat vom 15. Juli bis 15. September Gerichtsferien. Nach Aussagen von mit Verfahren beim EuGH befaßten Personen könnte mit einem Erkenntnis im Herbst gerechnet werden. Für den Fall, daß seitens des EuGH die EU-Widrigkeit nur im Fehlen einer besonderen Zielsetzung gesehen wird, erschiene es - auch wenn der Bundesgesetzgeber diese besondere Zielsetzung nicht gesetzlich verankert hat - zweckmäßig, zumindest auf der Gemeindeebene eine entsprechende Beschlußfassung herbeizuführen. Immerhin handelt es sich bei der Getränkesteuer um eine Abgabe nach dem freien Beschlußrecht der Gemeinden. Die näheren Modalitäten, einschließlich der Frage, ob eine solche "besondere Zielsetzung" noch vor dem Erkenntnis des EuGH - somit sinnvollerweise vor dem Ende der Gerichtsferien am 15. September 1999 - beschlossen werden sollte, werden mit dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst derzeit noch geprüft.

Den Mitgliedsgemeinden des Österreichischen Städtebundes werden im Laufe des August entsprechende Informationen zugehen.

Im übrigen ist auf das Erkenntnis des EuGH zu warten und die bisherige Rechtslage weiterhin anzuwenden.

Budgetäre Vorsorgemaßnahmen

Unabhängig davon wird es auf Gemeindeebene zweckmäßig sein, eine Bestandsaufnahme möglicher Rückforderungsansprüche vorzunehmen und Bereiche für Minderausgaben in der nächsten Zeit festzulegen.

Im Hinblick darauf, daß das Erkenntnis des EuGH nicht unmittelbar, sondern zunächst nur für die beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Anlaßverfahren wirksam wird, muß der gemeinschaftskonforme Rechtszustand erst noch hergestellt werden. Eine Fristsetzung gibt es nicht, doch wird eine Umsetzung sicher so rasch wie möglich erfolgen. Das bedeutet, daß - sollte der EuGH tatsächlich die EU-Widrigkeit auch rückwirkend feststellen - mit Rückforderungsansprüchen ab Jahreswechsel 1999/2000 zu rechnen wäre.

Eine Auswahl von Dokumenten ist auf der Homepage des Österreichischen Städtebundes Bericht (http://staedtebund.wien.at), Top News im Laufe des Juli 1999, bzw. Finanzen, einsehbar. Eine Zusammenfassung der Schlußanträge des Generalanwalt wird nachfolgend abgedruckt.

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